Berlin. Wie geht es bei den Menschen zu, die den Hass und die Gewalt auf Facebook sichten müssen? Erstmals gibt es Videobilder aus Berlin.

Facebook versucht sich weiter mit mehr Transaparenz: Kurz nach der Verabschiedung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes durften erstmals Journalisten in das streng abgeschirmte Löschzentrum in Berlin. Nach Bekanntwerden der Existenz des Zentrums hatte Facebook anderthalb Jahre lang auch alle Anfragen aus der Politik abgeblockt. Die Grüne Renate Künast war dann die erste Politikerin, die in die Räume von Dienstleister Arvato gelassen wurde. Zuvor hatte es immer wieder Kritik an den Arbeitsbedingungen dort gegeben.

Nun konnte WDR-Digitalexperte Dennis Horn in den Büros drehen und auch mit Mitarbeitern des Löschteams sprechen. Bilder sind am Montagabend in den „tagesthemen“ um 22.40 Uhr zu sehen. Von seinen Gesprächen mit den Mitarbeitern des Facebook-Löschteams berichtet Dennis Horn auch am Dienstag im ARD-Morgenmagazin ab 5.30 Uhr. „Die Transparenz, die Facebook da hergestellt hat, war natürlich eine sehr gezielte“, sagt er unserer Redaktion. „Man merkt immer noch, wie schwer sich das Unternehmen damit tut, allzu konkret zu werden, besonders wenn es um Zahlen geht.“ Zumindest bei dem Besuch fand er aber keine Hinweise, die Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen bestätigt hätten.

In Berichten gab es schwere Vorwürfe

Das Team in Berlin wächst, am Jahresende sollen dort 700 Mitarbeiter im Einsatz sein. Das Löschzentrum stand wegen harter Arbeitsbedingungen ohne die nötige psychologische Betreuung in der Kritik. Ende Februar hatten Mitarbeiter des Berlines Landesamts für Arbeitsschutz unangemeldet den Betrieb geprüft, mit Mitarbeitern gesprochen und Unterlagen mitgenommen. Facebook hatte wegen seiner Öffentlichkeitsarbeit auch den Anti-Preis „Verschlossene Auster“ des Journalistenvereins „Netzwerk Recherche“ erhalten.

Blick in eine Küche.
Blick in eine Küche. © Facebook | Facebook

Das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ und das Onlineportal Mobilegeeks.de hatten von Stress und Überlastung in dem Löschzentrum berichtet, von psychischen Problemen von Mitarbeitern bei der Sichtung von Folter, Hinrichtungen oder Tierquälerei, außerdem von unklaren Vorgaben, wie mit Sex- und Gewaltdarstellungen umzugehen sei. Da hieß es, eine psychologische Betreuung durch den Arbeitgeber gebe es nicht. Die „SZ“ hatte berichtet, Mitarbeiter in der untersten Hierarchiestufe – FNRP genannt – sollten nicht einmal ihren Familien gegenüber ihren Auftraggeber nennen und hätten strikte Vorgaben, wie viele Meldungen zu bearbeiten seien.

Facebook: „Mehrere Maßnahmen ergriffen“

Facebook und Arvato führen nun eine andere Praxis vor: Es seien „mehrere Maßnahmen ergriffen“ worden, um das Wohl der Mitarbeiter sicherzustellen, heißt es von Facebook. So gebe es Beratung und Betreuung durch Betriebsärzte, Psychologen und interne Sozialdienste. Renate Künast hatte nach ihrem Besuch in einem Interview berichtet, laut den Angaben dort bekomme ein Anfänger und ein normaler Mitarbeiter Gewaltvideos gar nicht zu sehen. Mitarbeiter hätten auf sie einen zufriedenen Eindruck gemacht, soweit sich das beurteilen lasse.

Horn bestätigt diesen Eindruck: „Die Mitarbeiter des Löschzentrums, mit denen wir sprechen konnten, wirkten auf uns sehr authentisch – und konnten den Vorwurf schlechter Arbeitsbedingungen nicht nachvollziehen.“

Eine 28-jährige Avarto-Mitarbeiterin erinnert sich an ihr erstes Enthauptungsvideo: „Da hab’ ich dann ausgemacht, bin raus und hab erstmal ein wenig geheult.“ Das sei dann aber auch ihr einziger emotionaler Ausbruch gewesen - weil man beim ersten Mal unvorbereitet dafür sei. „Jetzt hat man sich so daran gewöhnt, es ist nicht mehr so schlimm“, sagt die 28-Jährige. An jedem Arbeitsplatz in dem Gebäude sind aber jetzt Aufkleber mit Kontaktdaten von Experten für psychologische Betreuung angebracht. Das war aber nicht immer so. (mit dpa)