Mönchengladbach. In Deutschland erkranken wieder mehr Menschen an Tuberkulose. Viele Flüchtlinge sind infiziert. Doch die Krankheit ist gut behandelbar.

Noch Mitte des 19. Jahrhunderts starb jeder vierte erwachsene Mann in Deutschland an Tuberkulose (TBC), auch Schwindsucht genannt. Heute ist die Krankheit fast vollständig aus dem Bewusstsein der Deutschen verschwunden. Doch weltweit gehört Tuberkulose neben HIV und Malaria immer noch zu den häufigsten Infektionskrankheiten. 9,6 Millionen Menschen haben sich 2014 laut der Weltgesundheitsorganisation WHO neu angesteckt, 1,5 Millionen Menschen starben.

Seit wenigen Jahren steigen die Patientenzahlen laut Robert Koch-Institut (RKI) auch in Deutschland wieder. Ein Teil der Infizierten sind Flüchtlinge, die sich entweder in ihrem Heimatland oder auf der kräftezehrenden Flucht angesteckt haben. 2014 wurden laut RKI 4533 Tuberkulosefälle in Deutschland registriert, 278 mehr als 2012, dem Jahr mit dem bislang niedrigsten Niveau. Die Hälfte aller Tuberkulosepatienten war im Ausland geboren. 2015 nahm die Zahl noch einmal zu: 5865 Tuberkulosen. Kehrt die Schwindsucht zurück?

Wie entsteht Tuberkulose?
Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit. Auslöser ist das Bakterium Mycobacterium tuberculosis. „Wer es einatmet, dessen Lunge erkrankt häufig zuerst. Die Infektion breitet sich dann im Körper aus“, sagt Privatdozent Dr. Andreas Meyer, Chefarzt der Klinik für Pneumologie (Lungenheilkunde) sowie Leiter des Lungenkrebszentrums der Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach. In diesem Fall handelt es sich um eine Lungentuberkulose. Allerdings müsse man sich schon mehr als acht Stunden mit jemandem, der an einer offenen TBC erkrankt ist, in einem Raum befinden, um sich anzustecken. Dr. Charles Lange, niedergelassener Lungenfacharzt in Düsseldorf, ergänzt: „Die Tuberkulose kann im Prinzip jedes Organ betreffen. So gibt es etwa seltene Fälle von Lymphknoten- oder Knochentuberkulose.“

Woran erkennt man TBC?

„Man hustet, hat erhöhte Temperatur und fühlt sich schwach, denn die Krankheit zehrt den Körper aus – daher der Name Schwindsucht“, erklärt Lange. Chefarzt Meyer führt Nachtschweiß als typisches Symptom an.

Die seltenen Varianten, etwa Knochen-TBC, können laut den Experten körperliche Schäden wie Knochenbrüche verursachen. Mediziner erkennen die TBC mithilfe von Blut- oder Hauttests, Röntgenuntersuchungen der Lunge und bakteriologischen Analysen.

Ist es eine gefährliche Erkrankung?
Ja und nein. Chefarzt Andreas Meyer betont, dass gesunde und gut ernährte Menschen nicht zwangsläufig daran sterben. „Wichtig ist, dass die Tuberkulose erkannt und behandelt wird.“ Sonst kann die langsam fortschreitende Infektion laut Lungenexperte Charles Lange die Lunge erheblich schädigen – bis zum tödlichen Versagen des Organs.

Wie läuft die Therapie ab?
„Die TBC hat ihren Schrecken verloren, weil wir sie innerhalb eines halben Jahres heilen können“, erklärt Meyer. Charles Lange führt aus: „Dafür werden bei einer unkomplizierten (Lungen-)Tuberkulose vier verschiedene Medikamente über zwei Monate eingenommen, davon zwei Medikamente für weitere vier Monate.“ Anfangs kommen die Kranken in die Klinik, später werden sie daheim betreut. Zwei bis drei Wochen nach Beginn einer Therapie sind sie meist nicht mehr ansteckend. In Deutschland gibt es außerdem ein System, das eine Ausbreitung verhindert. Andreas Meyer: „Jedes Gesundheitsamt hat eine TBC-Fürsorgestelle, der eine Erkrankung gemeldet werden muss. Wer sich nicht isolieren und behandeln lassen will, wird dazu vom Gesetz gezwungen.“ Auch das Umfeld der Erkrankten werde untersucht.

Wie kann man vorbeugen?
Ein gesunder Lebensstil mit Alkohol in Maßen kann nach Worten von Chefarzt Andreas Meyer eine Art der Vorbeugung sein. „Mit einem stabilen Gesundheitszustand lässt sich der geringen Gefahr einer Infektion gut entgegentreten.“ Das Risiko, sich durch Flüchtlinge oder Migranten anzustecken, die nach Deutschland einreisen, ist nach Ansicht der Experten zu vernachlässigen. „Wer ankommt, dessen Blut wird untersucht. Außerdem gibt es ein Screening mittels Röntgen der Lunge, um Kranke sofort isolieren und behandeln zu können“, sagt Lange.

Sind andere Länder mehr betroffen?
Ja. Was ein Grund ist für steigende Zahlen hierzulande. Denn Flüchtlinge oder Einwanderer kommen häufig aus Gebieten mit einem hohen Tuberkuloserisiko, in denen schlechte hygienische Verhältnisse herrschen und die Menschen mangelhaft ernährt sind. Dazu zählen etwa Russland, Asien und Afrika. Die Menschen werden oftmals nicht ausreichend und zu kurz behandelt.

Andreas Meyer: „Bei den neuen Fällen hierzulande handelt es sich in der Regel nicht um deutsche Staatsbürger, sondern um Flüchtlinge im Alter zwischen 15 und 30 Jahren, die erkranken – aber dann auch gleich rundum medizinisch versorgt sind.“ Laut der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) infizierten sich viele Menschen auch auf der kräftezehrenden Flucht und in der Enge der Flüchtlingslager. Das Immunsystem der Flüchtlinge sei meist angeschlagen.