Berlin. Rund 600.000 Deutsche jeden Alters werden jährlich wegen Grauem Star operiert. Zwei Spezialisten erklären, welche Methoden es gibt.

Eine trübe Linse lässt uns wie durch einen Schleier blicken – das sind die Anzeichen für einen Grauen Star, in der Fachsprache Katarakt genannt. Wie gut, dass die Operationsmethoden im Lauf der Jahrhunderte immer ausgefeilter geworden sind. Rund 600.000 Eingriffe gibt es laut dem Berufsverband der Augenärzte pro Jahr in Deutschland, und seit Jahren wird an weiteren Verfahren gefeilt. So könnte es in der Zukunft möglich sein, die eigene Linse wieder herzustellen.

Prof. Wolfgang Wiegand, Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde an der Hamburger Asklepios-Klinik Nord und promovierter Diplom-Physiker und Privatdozent Dr. Thomas Laube, Augenarzt in Düsseldorf, diplomierter Ingenieur für Elektrotechnik und ehemaliger Oberarzt der Essener Universitätsaugenklinik, beleuchten einige wichtige Aspekte dieser Erkrankung.

Warum können Menschen jeden Alters am Grauen Star erkranken?

„Das liegt daran, wie man genetisch programmiert ist“, erklärt Professor Wolfgang Wiegand, Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde an der Hamburger Asklepios-Klinik. Im Grunde sei die Katarakt eine Krankheit der Älteren, was allerdings bedeute, dass sich die Augenlinse schon ab dem 55. Lebensjahr eintrüben könne. „Wenn Jüngere betroffen sind, kann dahinter eine Stoffwechselerkrankung wie Diabetes stecken – aber auch ein fester Schlag aufs Auge, etwa durch einen Squash- oder Tennisball.“ Auch Medikamente wie Psychopharmaka oder Kortison können nach seinen Worten dafür sorgen, dass die Linse nicht mehr klar ist.

Sind die Symptome immer gleich?

„Die Katarakt kann man auf unterschiedliche Weise bemerken, nicht nur durch den verschleierten Blick, sondern etwa auch dadurch, dass man sich beim Autofahren im Dunkeln immer mehr von den Scheinwerfern entgegen kommender Wagen geblendet fühlt“, sagt Wiegand. Weitere Anzeichen seien eine zunehmende Kurzsichtigkeit – was bedeute, dass sich die Brechkraft am Auge ändere, so dass man in der Ferne unschärfer und in der Nähe deutlicher sehe. Hinzu könne die Wahrnehmung von Doppelbildern mit einem Auge kommen.

Gibt es nur einen Standardeingriff oder mehrere Möglichkeiten?

„Zunächst muss man sagen, dass die Operation des Grauen Stars zu den sichersten Operationen der gesamten Medizin zählt, die in fast allen Fällen ohne Probleme verläuft und in der Regel auch ambulant gemacht wird“, erklärt der Hamburger Augenexperte. Lange vorbei sind die mittelalterlichen Zeiten, in denen mit einer Nadel hantiert wurde – seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt es als Standard, dass die trübe Linse aus dem Auge entfernt und meist durch eine künstliche ersetzt wird. „Dafür wird die Linsenkapsel geöffnet und die Linse meist mithilfe von Ultraschall zerkleinert“, erläutert Wolfgang Wiegand und ergänzt: „Einzelne Schritte des Eingriffs können heute auch von speziellen Lasern übernommen werden.“ So helfe ein sogenannter Femtosekundenlaser, der ultrakurze Lichtpulse in kleinen Strecken aussendet, bei der Öffnung der Kapsel. Der Femtosekundenlaser wird laut Professor Wiegand zuweilen auch zur Unterstützung bei der Auflösung des Kerns hinzugezogen. „Das kann sinnvoll sein, wenn man bei Patienten ein schonenderes Verfahren anwenden möchte – weil sie etwa unter einer Hornhauterkrankung leiden“, meint Wolfgang Wiegand.

Der Düsseldorfer Augenarzt Dr. Thomas Laube nutzt diesen Laser seit vier Jahren und bestätigt: „Er schont das Gewebe, weil dadurch bis zu 90 Prozent weniger Ultraschall auf das Auge einwirkt. Außerdem gibt es nach der Operation eine geringere Hornhautverkrümmung.“ Wolfgang Wiegand betont, dass die Laserbehandlung in der Regel mit rund 1500 Euro pro Auge aus eigener Tasche bezahlt werden müsse. Ganz neu und besonders schonend bei der Operation des Grauen Stars ist der Nanosekundenlaser, mit dem nach Erfahrung von Prof. Wiegand sogar der komplette Linsenkern ohne Anwendung von Ultraschall zerkleinert und entfernt werden kann.

Kann man nach einer OP wieder so sehen wie zuvor – oder sogar besser?

„Die Sehschärfe verbessert sich in der Regel deutlich, wenn man nicht unter einer anderen, zusätzlichen Erkrankung wie etwa einer altersbedingten Makuladegeneration (Absterben von Netzhautgewebe) leidet“, sagt Wolfgang Wiegand. Nach seinen Worten sind zusätzlich zur Standardlinse, die meist im Auge eingesetzt wird, weitere Speziallinsen auf dem Markt. „Diese haben sich aber bisher nicht durchgesetzt und Patienten müssen je nach Bundesland unterschiedliche Summen dafür zuzahlen“, ergänzt der Spezialist. Er rät, sich eine zweite oder dritte Meinung anzuhören, wenn eine besondere Linse empfohlen werde. Thomas Laube fragt bei seinen Patienten vor dem Eingriff ab, ob sie vor allem in der Ferne oder der Nähe gut sehen beziehungsweise ganz auf eine Brille verzichten möchten. Danach kann unter Umständen eine Sonderlinse ausgewählt werden.

Worauf sollte man in der Nachsorge achten?

Mithilfe von Tropfen wird nach einer Operation eine Entzündung verhindert – wenige Tage nach dem Eingriff überprüft der Arzt auch noch einmal, ob die Heilung problemlos verläuft. „Danach muss dann häufig die Lesebrille angepasst werden“, so Wolfgang Wiegand. Auch könne sich Wochen oder Monate später ein sogenannter „Nachstar“ entwickeln, indem sich die bei der Operation des Grauen Stars im Auge verbleibende hintere Linsenkapsel – also ein Teil des Halteapparates der Kunstlinse – wieder etwas eintrübt. „Dieser lässt sich aber mithilfe einer Laserbehandlung schnell beseitigen“, sagt Thomas Laube.

Sind Füllstoffe und Tropfen die Zukunft?

Seit Jahrzehnten forscht man daran, dass die Augenlinse künftig mithilfe von Füllstoffen wieder aufgearbeitet wird, damit sie sich nicht verformt und trübe wird „Wissenschaftler in Japan und Deutschland arbeiten daran, aber wir rechnen erst in mehreren Dutzend Jahren mit Ergebnissen, die sich dann auch bei Patienten umsetzen lassen“, sagt Augenarzt Dr. Thomas Laube aus Düsseldorf. US-Forscher haben zudem einen Wirkstoff entdeckt, der bei Mäusen im Labor verhindern soll, dass sich die Augenlinse trübt, wie eine Wissenschaftlergruppe von der University of Michigan in „Science“ berichtet. Bis aus der Forschung ein Medikament hervorgeht, können noch Jahre vergehen.