Berlin. Die Musikbranche gilt als schwierig, für den Berufseinstieg brauchen Tontechniker ein Netzwerk. Berliner Profis und Dozenten berichten.

Jonas Hinz hat sich auf die Tontechnik bei Live-Konzerten spezialisiert. „Mir war immer klar, dass ich Konzerte beschallen möchte. Mir war nur nicht klar, wie ich dahin kommen kann“, erzählt der 26-Jährige, der selbst „ein bisschen“ Musik macht.

Zwar dachte er kurz an eine duale Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik, aber da fehlte ihm die künstlerische Komponente. Im Bachelor-Studium Musikproduktion an der SRH Hochschule der populären Künste (hdpk) in Berlin fand er, was er suchte: ein Allrounder-Studium, das in sieben Semestern technische und künstlerische Inhalte kombiniert.

Das Verständnis beider Welten ist wichtig, findet Hinz. Um genau das umzusetzen, was die Künstler sich wünschen, müsse man ihre Arrangements verstehen „und einfach wissen, was auf der Bühne musikalisch geschieht“. Schon als er im Jahr 2011 sein Studium begann, war die Selbstständigkeit sein erklärtes Ziel.

Also suchte er sich neben dem Studium möglichst viele Jobs in der Branche, um Praxiserfahrung und Kontakte zu sammeln. Einer seiner Dozenten, Bene Aperdannier, vermittelte ihn in den Jazz-Club A-Trane, wo regelmäßig Konzerte mit internationalen Musikern stattfinden. „Da hab ich die nötige Routine bekommen und unheimlich viele Musiker kennengelernt“, erzählt Jonas Hinz.

Guter Ruf als Marketinginstrument

Dieser Zeit verdanke er einen Großteil seiner aktuellen Aufträge, sagt der 26-Jährige. Denn wer sich in der Branche einen Namen machen will, muss zeigen, was er kann. „Und wenn man gut ist, spricht sich das rum. Durch diesen Kontakt in den Job hat sich mein Studium schon fast rentiert“, sagt er und lacht. Sein Studium hat monatlich 630 Euro gekostet.

Für Hinz hat sich die Investition im Gesamtwert eines Mittelklassewagens gelohnt. Er ist gut gebucht – vor allem in der Festivalzeit. „Berlin hat die beste Musikerszene überhaupt“, findet Hinz. Um möglichst keinem Musiker absagen zu müssen, hat er sich mit anderen Tontechnikern zusammengetan (Hinz & Fröhlich). Gemeinsam teilen sie die Termine unter sich auf. So lässt sich auch ein freier Tag pro Woche leichter organisieren.

Büroarbeit, Soundcheck, Einsatz

Wenn Hinz als Live-Tontechniker gebucht ist, beginnt seine Arbeit nachmittags vor Ort mit den Soundchecks. Die Konzerte selbst dauern meist bis etwa 23 Uhr. Büroarbeit füllt den Rest seiner Zeit: „Angebote schreiben und sich mit Veranstaltern streiten“, fasst Hinz zusammen. Es sei ein ständiger Kampf ums Geld, auch weil sich immer jemand billiger anbiete.

Dabei sei der Kuchen, um den hier gestritten wird, gar nicht so klein, sagt Professor Robert Lingnau, Prorektor der hdpk und Fachbereichsleiter Musik und Ton, in dem die Bachelor-Studiengänge Musikproduktion, Audiodesign und Popularmusik angeboten werden. Laut einer Branchenstudie (Stand September 2015) betrugen die Konsumausgaben im Bereich Musikwirtschaft 6,7 Milliarden Euro, Musikunternehmen machten einen Umsatz von 11,1 Milliarden Euro.

Sich als Dienstleister verstehen

Die Berufsaussichten seiner Absolventen beurteilt Lingnau dann als gut, „wenn sie eine gewisse Dienstleistungsmentalität entwickeln und sich breit aufstellen, um möglichst viele unterschiedliche Aufträge annehmen zu können“. Wer hingegen nur danach strebe, seine eigenen künstlerischen Vorstellungen zu verwirklichen, könnte es schwer haben, meint Lingnau.

Robert Lingnau ist Prorektor der hdpk
Robert Lingnau ist Prorektor der hdpk © Lars Roth | Lars Roth

Tontechniker arbeiten in Produktionsstudios oder Theatern, bei Radio, Film oder Konzertveranstaltern. Den Studiengang Musikproduktion gibt es seit 2010 an der hdpk, die ersten Absolventen seien 2014 fertig geworden, erzählt Lingnau. „Und doch finden sich hdpk-Absolventen bereits in namhaften Studios wie Freudenhaus oder Teldex, beim Berliner Ensemble, beim XJAZZ Festival, in zahlreichen Clubs, bei der Band Silbermond oder in Produzententeams wie Hitimpulse.“

Insgesamt schwieriges Berufsfeld

Insgesamt gehört die Musikindustrie aber zu den schwierigeren Berufsfeldern. Das zweistufige Zulassungsverfahren an der hdpk zielt deshalb darauf ab, einschätzen zu können, ob Bewerber die Fertigkeiten und Fähigkeiten mitbringen, die nötig sind, um sie in dreieinhalb Jahren in die Lage zu versetzen, in ihrem Beruf zu bestehen.

Teil des Bewerbungsverfahrens ist der Nachweis einer musikalisch-gestalterischen Begabung, „denn der Tontechniker ist nicht nur ein handwerkliches Ausführungsorgan für seine Kunden, sondern arbeitet auf der gestalterischen Ebene mit am Ergebnis“, erklärt Lingnau.

Auf Vocals spezialisiert

Bibi Vongehr hat genau diesen gestalterischen Aspekt zu ihrem Beruf gemacht. Wie Hinz hat die 26-Jährige Musikproduktion an der hdpk studiert, 2014 ihren Abschluss gemacht und nun ihr eigenes Unternehmen Minna Music mit Studio in Leipzig. „Ich produziere Indie-Musik, dann wieder Streichorchester oder arbeite für die Werbebranche.“

Musikproduzentin Bibi Vongehr hat „Minna Music“ gegründet
Musikproduzentin Bibi Vongehr hat „Minna Music“ gegründet © privat | privat

Am liebsten bearbeitet sie Gesang, wobei sie sich auf Background-Vocals spezialisiert hat. Vongehr singt auch selbst, ist Singer-Songwriterin und war 2015 als Background-Sängerin für Ann-Sophie beim Eurovision Song Contest mit dabei. „Das ist das Tolle an meinem Job, ich kann beide Leidenschaften miteinander verbinden.“

Tatsächlich hatte sie in ihrem Studium den Fokus auf Gesang legen wollen, doch dann packte sie die Begeisterung für die technische Seite der Musik. Und es reizte sie, in eine Branche vorzudringen, die als Männerdomäne gilt. „Ich mag es, Grenzen auszutesten und neue Möglichkeiten zu entdecken.“ Und in der Technik gibt es einiges zu entdecken. „Wer heute Musik hört, weiß wahrscheinlich gar nicht, dass 80 Prozent der Instrumente und Stimmen in das Stück hineinprogrammiert werden“, erklärt die gebürtige Leipzigerin.

Mit Durststrecken müssen Tontechniker rechnen

Für Studio-Tontechniker wird der Laptop zum Musikinstrument, mit dem sie Instrumente und Stimmen kombinieren. Bibi Vongehr kann dafür sorgen, dass der Bass „frisch“ und das Schlagzeug „fett“ klingt. Sie kann Klänge komprimieren und damit steuern, wann sich ein Song besonders dynamisch anhört. Ganz wie der Kunde es wünscht, erzeugt sie einen räumlichen Klang oder fügt Effekte wie etwa Hall ein.

Von ihren Auftragsarbeiten kann Vongehr gut leben. „Am Anfang habe ich noch nebenher Musikunterricht gegeben“, erzählt sie. Das braucht sie inzwischen nicht mehr. Aber natürlich träten auch heute immer wieder einmal Durststrecken auf.

Doch arbeitsfreie Zeiten weiß sie gut zu nutzen. Zusammen mit der Sängerin Golnar hat Bibi Vongehr ein Album produziert. „Golnar hat die Songs geschrieben, und ich habe sie arrangiert, verschiedene Instrumente eingespielt, produziert und gemischt.“ Zwei Jahre habe das gedauert, doch ein ganzes Album in Eigenregie zu produzieren, sei schon etwas ganz Besonderes, findet sie. Für die Zukunft wünscht sich Bibi Vongehr „große Aufträge und Projekte, bei denen ich ganz viele Kollegen mit ins Boot holen kann“. So ganz allein vor dem Rechner könne es manchmal einsam werden.

Weitere Anbieter von Lehr- und Studiengängen

Der Verband Deutscher Tonmeister (VDT) listet für den deutschsprachigen Raum 18 Aus- und Weiterbildungseinrichtungen für Tontechniker und Tonmeister auf seiner Internetseite auf. Darunter sind in den Bundesländern Berlin und Brandenburg die SRH Hochschule der populären Künste (hdpk), die Filmuniversität Babelsberg und die Universität der Künste (UdK).

Darüber hinaus gibt es weitere Anbieter im Bereich Tontechnik. So ebnen auch die Akademie Deutsche Pop, das SAE Institute, die Hochschule für Gesundheit & Sport, Technik & Kunst (H:G) und das Abbey Road Institute den professionellen Weg in die Tontechnik.