Berlin. Vinyl ist wieder angesagt. 70 Millionen Euro hat die Industrie 2016 mit dem „schwarzen Gold“ umgesetzt. Was Sammler wissen sollten.

Sie knistert und rauscht, sie braucht Pflege, viel Platz, und ganz billig ist sie auch nicht. In Zeiten, in denen nahezu jeder Musiktitel über Streaming-Dienste und Apps in Sekundenschnelle, in bester Qualität, für wenige Euro und jederzeit verfügbar ist, feiern Musikfans die Rückkehr der Schallplatte. Alte Originalscheiben sind gefragt, aber zunehmend auch neue Songs aktueller Bands auf Vinyl.

Die Schallplatte ist zahlenmäßig noch ein Nischenprodukt. Laut Bundesverband der Musikindustrie liegt der Marktanteil von Vinyl bei rund 4,4 Prozent. 70 Millionen Euro hat die Industrie 2016 mit dem „schwarzen Gold“ umgesetzt. Aber Tendenz steigend. „Digitale Trends und der Hype um die Schallplatte kommen zusammen“, sagt Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands und Musikexperte. Er spricht von einer „sich ergänzenden Bewegung“. Die Fans freuen sich über Streaming-Dienste mit über 40 Millionen Titeln, gleichzeitig würden einige etwas haben wollen, „was bleibt“.

Käufer sind meist echte Musikliebhaber

Der typische Schallplattenkäufer ist männlich, meist über 50 Jahre alt – und ein echter Musikliebhaber. Es sind häufig Experten, die die Bands und ihre Alben gut kennen und seit Jahren hören. Traditionell erscheinen noch immer vor allem etabliertere Rockbands auf Platte. „Aber auch bei vielen Neuveröffentlichungen wird das Vinyl wieder bedient“, sagt Drücke. „Vom Vinyl bis zur Cloud ist die Musikindustrie heute überall auf dem Markt präsent.“

Das Sammeln von Schallplatten ist eine eigene Wissenschaft. Gefragt sind nicht nur alte Scheiben, sondern vor allem limitierte Auflagen. Alben, die ein besonderes Booklet haben oder grafisch aufwendig gestaltet wurden.

Der „Record Store Day“ soll die kleinen Händler unterstützen

Schätzungen zufolge gibt es rund 500 Plattenhändler in Deutschland. „Die Händler müssen ihren Kunden möglichst exklusive Angebote machen“, sagt Jan Köpke. Er koordiniert den „Record Store Day“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seit mittlerweile zehn Jahren beteiligen sich unabhängige Plattenhändler an dem Aktionstag. Ganz bewusst sind die großen Warenhäuser oder Technikanbieter nicht beteiligt.

Der Aktionstag soll die kleinen Händler unterstützen – und die Musikfans anlocken. Für den „Record Store Day“ werden jede Menge Sondereditionen angeboten, die es dann nur an diesem Tag in den Läden gibt. Die Liebhaber wollen nicht nur Raritäten, sondern vor allem Qualität. Mangelhafte Pressungen fallen durch. Gefragt sind farbige Ausgaben, Ergänzungen zu den Songtexten, Beigaben der Künstler, Spielereien.

Von manchen Ausgaben sind nur wenige Hundert Exemplare auf dem Markt

Zum Beispiel wird die kanadische Indie-Rockband Arcade Fire ihr neues Album in wenigen Wochen in einer Nacht- und in einer Tagversion veröffentlichen, mit entsprechend grafischer Gestaltung. Vorbestellungen für die Platte laufen bereits.

Je seltener ein Album ist, desto höher der Preis. Von manchen Ausgaben sind nur wenige Hundert Exemplare auf dem Markt. Onlinebörsen für Schallplatten treiben zusätzlich die Beträge in die Höhe. Was beim Händler für knapp unter dreißig Euro zu haben ist, kann im Netz mit bis zum Zehnfachen des Preises angeboten werden.

Das „White Album“ der Beatles wurde 2008 für mehr als 26.000 Euro gehandelt

Sinkt die Nachfrage nach der Scheibe, sinkt auch der Preis wieder. Für den Musikliebhaber lohnt sich also ein Vergleich der Angebote beispielsweise über Ebay, Amazon, recordsale.de, jpc.de, discogs.com und andere Onlineplattformen für Schallplatten.

Eine Orientierung bietet auch die Seite popsike.com. Die Webseite listet die aktuellen Auktionspreise für Platten und gibt einen Überblick über die wertvollsten Vinylausgaben der letzten Jahre. So wurde beispielsweise das „White Album“ der Beatles 2008 für mehr als 26.000 Euro gehandelt. Köpke setzt sich für den Kauf im stationären Handel ein. „Wenn ihr einen fairen Preis haben wollt, dann geht bitte in den Plattenladen.“

Ungespielte Schallplatten nennen Kenner „Mint“

Ein Kriterium für Qualität – und damit für den Preis – ist der Zustand der Platte und des Covers. Die Händler orientieren sich an einer international etablierten Bewertungstabelle. Eine Schallplatte, die noch original verschweißt oder versiegelt ist, bekommt das Kürzel „SS“ für „Still Sealed“. Neuware, die noch nie abgespielt wurde, erhält die Auszeichnung M für „Mint“. NM (Near Mint) beschreibt den Zustand des Vinyls als nahezu perfekt, mit nur geringen Gebrauchsspuren.

Zwischen EX für „Excellent“ bis F/P – das steht für „Fair/Poor“ – gibt es diverse Abstufungen. Je schlechter die Bewertung, desto schlechter in der Regel die Soundqualität. Cover und Vinyl werden meist getrennt bewertet. Das heißt, eine EX-Platte mit NM-Cover steht für Vinyl mit geringen Kratzern, aber mit einem nahezu perfekten Cover.

Neupressungen von alten Musiktiteln der großen Bands sind besonders gefragt

Besonders gefragt sind auch Neupressungen und Wiederveröffentlichungen alter Musiktitel (Reissues). Scheiben von den Doors, Led Zeppelin, den Rolling Stones: alte Titel, neu aufgelegt, mit Extras wie Fotos, Zeichnungen, Zusatztracks. Zum 50. Jubiläum des Beatles-Albums „Sgt. Peppers Lonely Heart Club Band“ erschienen Sondereditionen. Die wenigen Exem­plare waren meist sofort ausverkauft. Heute werden online horrende Preise für diese Sonderausgaben verlangt.