Paphos. Paphos trägt den Titel Kulturhauptstadt absolut zurecht. Vor jahrtausendealter Kulisse sind 152 verschiedene Veranstaltungen geplant.

Ein Zettel in der Küche mahnt, die schmutzigen Tassen in die Geschirrspülmaschine zu räumen. In den Zimmern hocken junge Menschen dicht an dicht an ihren Notebooks, jeder Winkel der alten Villa im Herzen von Paphos ist vollgestopft mit Ordnern und Broschüren. Georgia Doetzer eilt durch das Chaos in den Konferenzraum, eigentlich hat sie für die Runde mit deutschen Reportern gar keine Zeit.

Wahrscheinlich arbeitet derzeit auf Zypern niemand härter als Georgia ­Doetzer. Auf jeden Fall managt sie eines der ambitioniertesten, ja auch verrücktesten Projekte der zypriotischen Geschichte. Georgia Doetzer verwandelt Paphos, eine Kleinstadt mit gerade 35.000 Einwohnern, in die Europäische Kulturhauptstadt 2017. Was in etwa so absurd klingt, als würden Ahrensburg, Potsdam oder Wattenscheid Olympische Spiele austragen wollen.

Dank eines Studiums in Berlin spricht sie perfekt Deutsch. Über sich selbst sagt die Kulturmanagerin: „Ich bin ein bisschen frech.“ Anders hätte sie diese Aufgabe wohl auch kaum stemmen können. „Als wir hier 2012 anfingen, gab es gar nichts. Keinen richtigen Saal, rein gar nichts.“ Schlimmer, sagt sie, hätte es kaum kommen können.

Die Berliner Philharmoniker werden ein Gastspiel geben

Und es kam schlimmer. Die Finanzkrise 2013, als Tausende Zyprioten ihr Sparguthaben verloren, kos­tete Doetzer rund 70 Prozent ihres ­ohnehin schmalen 24-Millionen-Euro-Budgets. Damit war das Rennen im Prinzip verloren, bevor es begann. Und was machte Gabriela Doetzer: Sie rief bei den Berliner Philharmonikern an, bat eines der berühmtesten Orchester der Welt um ein Gastspiel in Paphos.

Das Angebot, dass man bereit wäre, ein Streichquartett zu entsenden, hätte ­andere schon sehr glücklich gemacht. ­Doetzers Ich-bin-ein-bisschen-frech-Antwort lautete: Dann braucht ihr gar nicht zu kommen; komplette Kapelle oder nix. Resultat: Am 1. Mai werden die Berliner Philharmoniker um 12 Uhr vor dem Kastellturm, dem Wahrzeichen der Stadt, Werke von Carl Maria von Weber und Antonín Dvořák spielen.

Viele Freiluftveranstaltungen sind kostenlos

Keine Geschichte illustriert besser, wie Paphos tickt. Kleine Stadt, große Kultur. Geht nicht, gibt’s nicht. Angesichts fehlender Theater erfand Doetzer kurzerhand das Label „Freiluft-Werkstatt“; die 152 Veranstaltungen – auch Ute Lemper wird am 20. Mai in Paphos ein Gastspiel geben – finden überwiegend draußen statt, viele ohne Eintritt.

Definitiv kostenlos ist die historische Kulisse. Perser, Griechen, Türken und Römer haben in Paphos ihre Spuren hinterlassen wie etwa die Mosaikböden im Hauses des Dionysos aus dem dritten und vierten Jahrhundert nach Christus; entdeckt, als Bauer Hasip 1962 sein soeben erworbenes Feld pflügen wollte. Leider zerstörten seine Maschinen einen Teil der Böden unwiederbringlich.

Veranstaltungsangebot zur Kulturhauptstadt besonders dicht

Andererseits ist auch das typisch für den rauen Charme der Stadt im Südwesten Zyperns. Die Kanaren mögen die schöneren Strände haben, die Toskana mehr historische Sehenswürdigkeiten bieten, das Elsass kulinarisch größere Glanzlichter. Aber in der Dichte von Sonne, Strand, Kultur und Küche ist ­Paphos ziemlich konkurrenzlos.

Erst recht im Jahr der Kulturhauptstadt, wo auch zypriotische Künstler wie Susan Vargas und Rinos Stefani ausstellen werden. Beide malen, zeichnen und machen Installationen. Die Werke von Rinos Stefani kreisen oft um das Thema Gewalt, geschuldet der zypriotischen Geschichte mit den Unruhen in den 60er-Jahren und dem blutigen Putsch 1974 mit Unterstützung der damaligen griechischen Militärjunta. Im 21. Jahrhundert ist Nikosia die letzte geteilte europäische Hauptstadt.

Mit Kunstprojekt zum Nachdenken anregen

Die Wunden der Vergangenheit und Gegenwart symbolisieren 49 zersiebte Zielscheiben mit den stilisierten Konterfeis von Soldaten. Stefani hat sie an Bauern, Fischer und Intellektuelle verschenkt mit der Bitte, sie irgendwo auf der Akamas-Halbinsel, dem westlichsten Punkt Zyperns, zu verstecken. „Ich will mit diesem Projekt ein Nachdenken über den kritischen Zustand unserer Welt auslösen“, sagt Stefani.

An einem lauen Frühlingsabend zeigt Natasha Peletiers im Restaurant des Hotels Annabelle in Paphos auf ihrem Smartphone ein Video, wie sie mit Freunden nach einem Bad im Mittelmeer bibbert. Zu kalt, das ist ihre ­Botschaft, kann es auf Zypern fürs Schwimmen nie sein. Gemeinsam mit ihren älteren Geschwistern Anna und Thanos Michaelides führt sie die Fünf-Sterne-Hotels Annabelle und Almyra in Paphos sowie das Anassa am Rande der Akamas-Halbinsel. „Mein Bruder ist der Boss“, sagt Natasha Peletiers und schiebt eine Sekunde später nach: „Zumindest denkt er, er ist der Boss.“

Übernachten im Luxushotel

Das familiäre Hotelimperium, aufgebaut von Vater Alekos Michaelidis, der 2008 im Alter von 74 Jahren starb, ist nichts für Touristen mit einem schmalen Geldbeutel. Ein Zimmer für zwei Personen mit Meerblick und Frühstück kostet im coolen Designhotel ­Almyra und im eher britisch-klassischen Annabelle ab etwa 200 Euro die Nacht, im Super-Luxushotel Anassa liegt die Logis bei rund 500 Euro. Wer die Villa mit drei Schlafzimmern präferiert, kann auch über 5000 Euro loswerden, pro Nacht versteht sich.

Entsprechend wird man umsorgt, im Anassa ist es kaum möglich, selbst einmal eine Tür zu öffnen. Gäste werden über das weitläufige Gelände auf Wunsch mit einem Golfcar chauffiert, angesichts der formidablen Küche keine gute Idee. Im Hochsommer steigen die Preise noch mal an, eigentlich verrückt. Denn bei 40 Grad im Schatten kommen dann nur Hitze-Fanatiker auf ihre Kosten.

Auch die Umgebung der Stadt ist mehr als einen Ausflug wert

Selbstredend kann man auch deutlich preiswerter logieren; über das Internet gibt es passable Apartments für 35 Euro die Nacht. An der Strandpro­menade kämpfen die Fischrestaurants um jeden Kunden. Deutlich entspannter und besser speist man bei Nicolaou Demetris im „Koutouru“ in der Oberstadt, rund drei Kilometer von der Strandprome­nade entfernt.

Demetris fragt, ob es Fisch oder Fleisch sein darf, brutzelt dann in seiner offenen Küche Köstliches. Exzellenter Wein verkürzt die Wartezeit, was allerdings die leidige Diskussion beschleunigt, wer nach dem exquisiten Mahl den Mietwagen zurück ins Hotel fahren muss. Was angesichts des Linksverkehrs auch ohne einen Tropfen Alkohol tückisch werden kann.

Restauriertes Kloster lockt Besucher an

Andererseits sollte sich durch das Steuer auf der falschen Seite niemand von Ausflügen abhalten lassen. Das wunderschön restaurierte Kloster Agios Neophytos ist einen Besuch wert. Genau wie das Weingut Panayia oder die Molkerei Katsoura, wo die Spe­zialität Halloumi produziert wird, ein halbfester Käse mit Salz und Zimt. Aber ­Vorsicht: Der Besitzer lässt nicht locker, bis man ein Gläschen seines hausgebrannten Schnaps getrunken hat. Medizin, sagt er, sei das.

Keine Frage: Paphos wird auch 2018 ein gutes Ziel bleiben, wenn der gemeinsam mit dem dänischen Aarhus getra­gene Kulturhauptstadt-Titel an Leeuwarden (Niederlande) und Valletta (Malta) weitergereicht wird. Georgia Doetzer wird man in Paphos dann allerdings nicht mehr antreffen. Sie wird nach der Schlusszeremonie Mitte Dezember die Stadt verlassen.

Tipps & Informationen

• Anreise: z. B. Direktflug mit Germania von Berlin-Schönefeld nach Paphos.

• Übernachten: Luxuriös in den Hotels Annabelle oder Almyra, beide nahe der mittelalterlichen Burg und dem Hafen von Paphos gelegen (Doppelzimmer jeweils ab ca. 200 Euro). Einfacher zum Beispiel im Panareti Paphos Resort direkt am Strand gelegen (Doppelzimmer ab etwa 70 Euro).

• Essen: Restaurant Koutourou, in der Altstadt, 25nd Martiou 8, Tel. 00357/26/ 95 29 53. Fischrestaurant Pelican am Kai auf einer Terrasse am Hafen mit Blick aufs Kastell (Apostolou Pavlou 102, Tel. 00357/26/9525 00).

Auskunft www.pafos2017.eu, www.visitcyprus.com

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch die Thanos Hotel-Gruppe und flygermania.com)