Berlin. Ponys streicheln und mit Äffchen spielen – wer das erwartet, sollte nicht Tierpfleger werden. In dem Beruf sind Realisten gefragt.

Wenn Angelique Jacobs mit einer Futterschale den Gang zwischen Außen- und Innengehege betritt, wird es turbulent: Ungeduldig sausen die Mohrenmakis zwischen beiden Bereichen hin und her, bis ihnen klar wird, in welchen Teil der Anlage die 20-Jährige diesmal geht. Dann bestürmen die Makis ihre Tierpflegerin und die Futterschale. „Die Apfelstücke sind der absolute Renner“, sagt die Auszubildende im Tierpark Berlin.

Den ganzen Tag Tiere füttern und mit ihnen kuscheln – so idyllisch stellen sich viele Jugendliche die Arbeit eines Tierpflegers vor. Doch zu dem Beruf gehört auch das Ausmisten von streng riechenden Gehegen oder das Zusammenstellen der Rationen im Futterhaus.

Nicht zuletzt müssen Tiere mitunter transportiert werden oder fixiert, wenn der Veterinär sie untersuchen und behandeln soll. Tierpfleger sein bedeutet also vor allem körperliche Arbeit – und beinhaltet natürlich auch organisatorische Aufgaben.

Eltern hielten Hunde, Enten und Ziegen

Die eigentliche „Arbeit am Tier“ gehöre sicher zu den besonders schönen Seiten des Berufs, sagt Marco Rosenfeld, Reviertierpfleger im Tierpark. Doch als Streichelzoo solle sich das niemand vorstellen. „Das ist in erster Linie ein harter Job.“

Trotzdem hat der 43-Jährige seine Berufswahl noch nie bereut. Rosenfeld ist mit Tieren aufgewachsen. Seine Eltern hielten auf ihrem großen Grundstück in Strausberg bei Berlin Hunde, Katzen, Enten und Ziegen. „Das prägt“, sagt Marco Rosenfeld. „Ich wusste von klein auf, dass Tiere nicht nur viel Freude, sondern auch viel Arbeit machen.“

Wer als Heranwachsender wenig Erfahrungen mit Tieren macht, unterschätzt das leicht. Viele junge Leute, die sich als Tierpfleger bewerben, machen sich leider etwas vor, sagt Rosenfeld. Er empfiehlt, vor der Berufsentscheidung ein Praktikum zu machen, um zu erfahren, wie groß der körperliche Einsatz eines Tierpflegers ist.

Reviertierpfleger für Gebirgstiere

Rosenfelds Laufbahn im Tierpark begann 1990. „Hier habe ich meine Lehre gemacht, und hier werde ich hoffentlich auch alt“, sagt er. Es sei sein Traumberuf. Als Reviertierpfleger ist er für die Gebirgstiere verantwortlich. Dazu gehören nicht nur Huftiere wie Schafe und Ziegen, sondern auch Luchse und andere Wildkatzen.

Diese Bandbreite macht die Arbeit „extrem interessant“, sagt Rosenfeld. Es liegt im Trend, dass Zoos und Tierparks ihre Anlagen nach Regionen organisieren. Sie fassen zum Beispiel afrikanische Tiere zusammen oder wie in Rosenfelds Revier die Artenvielfalt der Gebirgswelt.

Sein Arbeitstag beginnt mit einer morgendlichen Besprechung, danach geht es „ins Revier“, das elf Huftieranlagen und Wildkatzengehege umfasst. Jeder Mitarbeiter fährt mit dem Fahrrad seinen Teilbereich ab. „Ich als Reviertierpfleger werfe einen schnellen Blick über das ganze Revier. Bewegen sich alle, sind kranke Tiere dabei?“, erzählt Marco Rosenfeld.

Danach müssten die Ergebnisse im Computer erfasst werden. So seien alle Kollegen stets auf dem neuesten Stand und wüssten, wenn beispielsweise Tiere geboren, gestorben oder krank und behandlungsbedürftig seien. Auch Tierarzttermine und Bauarbeiten an den Anlagen sind in der EDV vermerkt. Etwa eine halbe Stunde pro Tag nehme die Büroarbeit in Anspruch, sagt der 43-Jährige.

Sämtliche Abteilungen kennen gelernt

Mit Bürotätigkeiten hat Angelique Jacobs als Auszubildende noch nicht viel zu tun. Doch sie muss Arbeitsberichte schreiben. In ihren ersten zwei Jahren im Tierpark hat sie sämtliche Abteilungen kennengelernt. „Zwischen drei und acht Wochen bleiben wir in den Bereichen“, erzählt sie.

Interessant sei das, aber auch nicht so einfach, ständig zu wechseln. „Manche Auszubildende kommen damit nicht gut zurecht“, berichtet die 20-Jährige. Reviertierpfleger Rosenfeld findet es wichtig, dass die Azubis jeden Bereich durchlaufen. „So kann man gucken, wer affenaffin ist oder sich lieber um Raubtiere kümmern möchte.“

Angelique Jacobs durfte sich jetzt, im dritten Lehrjahr auf einen Bereich festlegen. Wünsche werden von der Tierparkleitung nach Möglichkeit berücksichtigt. „Ich wollte mit exotischen Tieren arbeiten“, sagt Jacobs. Im Revier Pangaea reicht ihre Tierwelt nun von Mohrenmakis über Bären bis hin zu Hyänen.

Arbeiten in einem festen Team

„Ich fühle mich nun als vollwertige Kollegin“, sagt sie. „Es ist schön, in einem festen Revier zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und manche Dinge allein zu entscheiden.“ Die Arbeit in einem festen Team sei ebenfalls eine tolle Erfahrung, findet Jacobs. Überhaupt sei Teamfähigkeit ein unbedingtes Muss in diesem Beruf.

Ob sie in dem Job bestehen würde, hat die Berlinerin während eines Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) auf einem Tierhof in Berlin getestet. „Das FÖJ war die Initialzündung“, sagt Angelique Jacobs.

„Auch wenn sich meine Eltern für mich einen anderen Beruf – ihrer Meinung nach mit mehr Perspektive und Geld – gewünscht hätten, habe ich die richtige Entscheidung getroffen.“ Sie teilt sich in Lichtenberg eine Wohnung mit einem Kollegen, nur fünf Minuten vom Arbeitsplatz entfernt. So komme sie gut mit dem Lehrlingsgehalt aus.

Ausbildung zum Pferdewirtschaftsmeister

Steffen Meyer ist nicht mit einer klassischen Ausbildung in die Tierpflege gekommen. Der Quereinsteiger arbeitete unter anderem als Jockey im Rennstall Hoppegarten, war Reisefuttermanager und Stallmeister. Später gab er Reitunterricht, um sich die Ausbildung zum Pferdewirtschaftsmeister zu finanzieren.

Mittlerweile ist der 42-Jährige als Oberpfleger der Klinik für Pferde der Freien Universität (FU) tätig. Sie gehört zum Fachbereich Veterinärmedizin. „2013 wurde ein erfahrener Pferdefachmann gesucht, der die Position des Oberpflegers einnehmen konnte“, erzählt Meyer. Die Stallabläufe organisieren, Pferde vortraben lassen, longieren, Dienstpläne erstellen und der „gewisse Blick“ für Pferde – all das konnte der Mecklenburger vorweisen und wurde angestellt.

Autorität auszustrahlen spielt eine wichtige Rolle

„Ich bin mit Pferden aufgewachsen“, sagt Steffen Meyer. „Mein Opa arbeitete in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, mein Onkel mit Rücke-Pferden im Forstbereich. Ich habe als Kind viel im Stall gespielt.“ Er rät jungen Kollegen, dass sie sich stets bewusst sein sollten, als Tierpfleger „über dem Tier“ zu stehen. Autorität sei wichtig. „Auch ein Hengst muss mich für voll nehmen – sonst kann es schnell mal gefährlich werden“, betont Meyer. Nicht jeder könne mit großen Tieren arbeiten und werde in der Klinik für Pferde glücklich.

Julia Harabaschewski (24) allerdings ist dort am richtigen Platz. Sie wollte schon von klein auf große Nutztiere versorgen. „Meine Mutter ist Tierpflegerin in der Rinderklinik“, erzählt sie. „So etwas wollte ich auch machen.“

Seit dem Jahr 2013 arbeitet Harabaschewski in der Pferdeklinik der FU. Ausmisten, Pferde putzen, Futter verteilen und die tierischen Patienten für anstehende Operationen vorbereiten – das sind ihre wichtigsten Aufgaben.

Aber sie longiert auch die klinikeigenen Pferde. Im sogenannten Roundpen, einer Kreisbahn, verschafft sie beispielsweise der Traberstute Timotei Bewegung. Pferde seien zwar störrischer als Rinder, sagt Julia Harabaschewski, aber sie mache den Job trotzdem gern.