Berlin. Eine Einladung zum Assessment-Center macht die meisten Kandidaten nervös. Doch gut vorbereitet besteht man die Tests der Unternehmen.

Nach dem Telefoninterview kam die Einladung zum Assessment-Center (AC). Damit wusste Otto Lindner, dass er den zweiten Schritt im Bewerbungsverfahren der Deutschen Bahn (DB) bestanden hatte. Der 25-Jährige mit einem Masterabschluss in Strategischem Management hatte sich bei dem Verkehrsunternehmen auf die Stelle „Trainee innovative Serviceleistung“ beworben. Nun sollte er zu seinem ersten AC. Davon gehört hatte er schon viel, was genau ihn erwarten würde, wusste er noch nicht.

„Wir führen bei Trainees ein Auswahlverfahren mit mehreren Schritten durch, das AC ist einer davon“, sagt Monika Danner. Sie ist Leiterin Graduate Recruiting bei der DB, das heißt, sie verantwortet die Auswahl von Bewerbern mit Hochschulabschluss.

In einem Assessment-Center ermitteln Personal­referenten unter mehreren Bewerbern denjenigen, der am besten zu ihrer Stellenausschreibung passt. AC dauern meist ein oder zwei Tage, an denen die Kandidaten Tests und Übungen absolvieren und beobachtet werden. „Dabei prüfen wir die Kandidaten auf für uns wichtige Kompetenzen“, erklärt Danner.

Drei Hürden auf dem Weg zur Jobzusage

Ob ein Bewerber zur Deutschen Bahn passt, testen die Personaler in mehreren Schritten. Die erste Auswahl treffen sie aufgrund der Bewerbungsunterlagen. Ein Telefoninterview ist der nächste formale Auswahlschritt. Kandidaten, die das gut meistern, erhalten eine Einladung ins AC. Bei der Bahn sind das pro Traineestelle drei bis vier Bewerber.

Mit seiner Einladung in der Tasche reiste Otto Lindner zur DB Station Frankfurt, wo das AC stattfinden sollte. Doch nicht, ohne sich intensiv vorbereitet zu haben: Dazu gehörte erst einmal eine Internetrecherche. „Ich wollte wissen, was andere erlebt haben, die schon ein AC bei der Bahn durchlaufen haben.“ Lindner unterhielt sich auch mit Freunden, die Erfahrung mit dem Auswahlverfahren hatten.

Und ganz wichtig: „Ich habe mich intensiv mit der DB als Unternehmen auseinandergesetzt“, erzählt Otto Lind­ner. Mit dem Ratschlag seiner Freunde im Kopf, authentisch und selbstbewusst rüberzukommen, traf Lindner morgens um 9 Uhr auf seine Mitstreiter. „Maximal nehmen bei uns zwölf Teilnehmer an einem AC teil, pro vakanter Stelle zwei bis vier Bewerber“, sagt Monika Danner. In Lindners AC waren ITler, Ingenieure, Betriebswirte.

Mehrere Beobachter sicher Objektivität

Vom Unternehmen ist der Personaler als Moderator dabei, der auch schon das Telefoninterview geführt hat, in der Regel auch die Führungskraft, für deren Team ein Mitarbeiter gesucht wird, und ein weiterer Kollege. Durch mehrere Beobachter sollen Einflüsse, wie etwa die Sympathie für einen der Kandidaten oder Geschlechterrollen, möglichst stark reduziert werden.

Die Beobachter und die Teilnehmer lernen sich zunächst in einem Begrüßungsgespräch kennen. Von dort aus starten die Kandidaten in die verschiedenen Übungen, die alle im Kontext des jeweiligen Unternehmens angesiedelt sind. Bei der Bahn gehören dazu Fallstudien sowie „Individual- und Gruppensequenzen“, mehr möchte Monika Danner nicht verraten.

Künstlich Stress aufbauen gehört aber nicht zu ihrem Konzept: „Uns ist wichtig, dass die Kandidaten sich den Tag über wohlfühlen.“ Andere Unternehmen setzen die Kandidaten dagegen sehr wohl unter immensen Zeitdruck, um sie auf ihre Stressfähigkeit zu testen.

Tipp: Blickkontakt zu anderen Teilnehmer suchen

„Am Anfang des Tages geben wir den Kandidaten Transparenz darüber, auf welche Kompetenzen wir achten werden“, erklärt Monika Danner. „Diese sind in den Übungen dann mit sogenannten Verhaltensankern hinterlegt, auf die die Beobachter gucken.“ Ein Beispiel: Bei einer Präsentation könnte ein Verhaltensanker für Kommunikationsfähigkeit sein, dass der Vortragende Blickkontakt zu anderen sucht.

Das A und O beim AC sei jedoch, dass die Kandidaten sich authentisch verhalten, findet Danner. „Die Beobachter erkennen sofort, wenn jemand eine Maske aufhat.“ Sie rät davon ab, sich besonders laut zu gebärden. „Häufig überzeugen gerade die Kandidaten, die zunächst zurückhaltender, dafür aber treffsicher in der Argumentation sind.“

Bei der Fallstudie arbeiten alle zusammen

Otto Lindner war von seinem ersten AC positiv überrascht. „Ich hatte mit Konkurrenz unter den Teilnehmern gerechnet“, sagt er. „Aber so war es nicht.“ Beim Lösen der Fallstudie hätten alle zusammengearbeitet. „Wir hatten dasselbe Ziel, und das war: gut zu performen.“

Die Auskunft, dass er das AC bestanden hatte, bekam er noch am selben Tag. „Die Eignung für den DB Konzern ist damit festgestellt“, sagt Danner. Wenn zwei Bewerber gleichermaßen geeignet erscheinen, ist ausschlaggebend, mit wem deren künftiger Vorgesetzter zusammenarbeiten will.

Masterabsolvent Otto Lindner konnte den Bewerbungsprozess für sich entscheiden, nachdem er auch im letzten Schritt, einem Interview, überzeugen konnte. Seitdem arbeitet er als Trainee unter anderem an einem neuen Konzept, wie die Infostände an den Bahnhöfen digitalisiert werden können. „Ich empfehle allen Bewerbern, sich gut auf ein AC vorzubereiten“, sagt Monika Danner. Im Internet gebe es viel Literatur. Sie findet auch Trainings empfehlenswert, wie sie an vielen Hochschulen von den Career Services angeboten werden.

Trainerinnen bereiten auf den Auswahlprozess vor

„Kandidaten, die ein Training durchlaufen haben, sind immer im Vorteil zu denen, die unvorbereitet in ein AC gehen“, bestätigen Ludmilla Aufurth und Jeannette Sieth. Sie gestalten am Weiterbildungsinstitut Gaetan AC-Trainings für Absolventen, Trainees und Berufseinsteiger. „Wir simulieren hier ein komplettes Assessment-Center mit Feedback und Auswertung“, sagt Bereichsleiterin Jeannette Sieth. Gemeinsam mit ihrer Kollegin nimmt sie als Trainerin und Beobachterin teil.

Ludmilla Aufurth (l.) und Jeannette Sieth trainieren Hochschulabsolventen für die Teilnahme an Assessment-Centern!
Ludmilla Aufurth (l.) und Jeannette Sieth trainieren Hochschulabsolventen für die Teilnahme an Assessment-Centern! © Dagmar Trüpschuch | Dagmar Trüpschuch

Bei Aufurth und Sieht startet der Trainingstag oft mit einer Präsentationsübung, bei der sich die Teilnehmer in zwei bis drei Minuten vorstellen. „Die Präsentation sollte man vorbereitet haben“, rät Aufurth. In der folgenden Gruppenübung – ein Rollenspiel, eine Diskussion oder eine Konstruktionsaufgabe – werden die Teilnehmer auf ihre Teamfähigkeit hin abgeklopft: Wie agiert der Einzelne in der Gruppe? Ist er dominant, hat er Führungskompetenz?

Es geht vor allem um die Lösungswege

„Bei allen Übungen geht es weniger um die Ergebnisse als um die Lösungswege“, sagt Jeanette Sieth. Getestet wird – je nach den Anforderungen des Jobs – das Kooperations- und Konfliktverhalten, Zeitmanagement und ob sie in einer Diskussion auch Schwächere zu Wort kommen lassen. Davon, sich eine Rolle zurechtzulegen, rät Ludmilla Aufurth ab. Die Teilnehmer wüssten ja nicht, was das Unternehmen sucht: einen Teamplayer oder einen Entscheidungsträger.

Bei kaum einem AC fehlt die Aufgabe „Postkorbübung“, bei der die Teilnehmer eingegangene Informationen bewerten und unter festen Zeitvorgaben abarbeiten müssen. Hier wollen die Personaler sehen, ob die Bewerber Prioritäten setzen und Aufgaben delegieren können.

Wichtig, die Firmenphilosophie zu kennen

Die Trainerinnen empfehlen, sich vor einem AC intensiv mit den Inhalten der ausgeschriebenen Stelle und dem Unternehmen als Ganzes auseinanderzusetzen. Gerade bei der Fallstudie sei es hilfreich, die Firmenphilosophie zu kennen.

Standardisierte Testverfahren wie Stärken- und Intelligenztests oder Konzentrationstests ergänzen das AC. Im Idealfall geben die Unternehmensvertreter ihren Kandidaten eine ausführliche Rückmeldung, wie der Tag aus ihrer Sicht gelaufen ist.

„Wer nicht geübt hat, bleibt unter seinen Fähigkeiten“, sagt Ludmilla Aufurth. Denn in allem gehe es darum, Sozialkompetenz zu zeigen. „Darauf kann man sich am besten konzentrieren, wenn man sich auf dem Terrain sicher fühlt“, ergänzt Jeannette Sieth.