Essen. Wie gut ganzjähriges Outdoor-Training ist, hat die Wissenschaft herausgefunden. Nur in wenigen Fällen sollte man lieber pausieren.

Das Jahr ist noch jung, die guten Vorsätze sind frisch – also rein in die Sportklamotten und raus vor die Tür. Die frühe Dämmerung und eisige Temperaturen sind allerdings der größte Feind zarter sportlicher Ambitionen: Ist das nicht ungesund? Kann man sich erkälten? Schadet man dem Körper? „Ganz im Gegenteil!“, sagt der Sportmediziner Joachim Latsch vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Sporthochschule Köln.

„Epidemiologische Studien zeigen: Wer ganzjährig sportlich aktiv ist und leichtes Training im Freien absolviert, fängt sich seltener banale Infekte ein als diejenigen, die den Winter über pausieren.“ Kälte sei kein Argument dafür, das Training ausfallen zu lassen – zumindest nicht in unseren Breiten. Erst ab minus zehn bis zwölf Grad Celsius sollte man lieber nur noch spazieren gehen.

Ein Jogger läuft durch die Portale von Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda (Hessen).
Ein Jogger läuft durch die Portale von Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda (Hessen). © dpa | Arne Dedert

Voraussetzung für ein bisschen Joggen, Walking oder Radfahren im Winter ist körperliche Gesundheit. „Wem es schlecht geht, der sollte sich schonen“, sagt Joachim Latsch. Ein leichter Schnupfen ohne weitere Krankheitssymptome stehe dem Sportprogramm allerdings nicht entgegen. „Und auch wer einen Infekt hat und deshalb auf Sport verzichtet, tut gut daran, zwischendurch mal an die frische Luft zu gehen“, so Latsch.

Unterschiedliches Kälteempfinden

Wie intensiv und wie lange man bei welchen Temperaturen trainieren kann, hängt von mehreren Faktoren ab. Einerseits spielt die Sportart eine Rolle: Ist man etwa auf dem Fahrrad mit 30, 35 Stundenkilometern unterwegs, wird die Kälte durch den Fahrtwind deutlich verstärkt.

Hinzu kommen die individuellen körperlichen Voraussetzungen und das persönliche Empfinden – für den einen ist bei zwei Grad plus die Schmerzgrenze erreicht, für andere erst bei drei Grad minus. So sind Frauen im Schnitt etwas kälteempfindlicher als Männer, und dünne Menschen kühlen schneller aus als stämmigere. Dabei spielen vor allem die Muskeltätigkeit und der Anteil des Fettgewebes eine Rolle. Während Muskeln beim Sport besonders viel Wärme produzieren, die sich innerhalb des Körpers verteilt und die Körperkerntemperatur aufrechterhält, dient Fett als Isolationsschicht.

Doch es gibt auch den gegenteiligen Effekt: Wenn die Fettschicht verhindert, dass die Wärme der Muskulatur in die Haut gelangt. „Deshalb bekommen Radfahrer, die kleine Fettpölsterchen in der Körpermitte haben, schnell einen kalten Bauch“, so Joachim Latsch. „Wer das Problem kennt, kann betroffene Stellen wärmer bekleiden.“

Gefahr für Muskeln nicht signifikant

Andererseits spreche aus medizinischer Sicht nichts dagegen, im Winter in kurzer Hose zu joggen – sofern die Beine durch die Muskulatur ausreichend gewärmt werden. Denn kalte Muskeln sind bei falschen Bewegungen anfälliger für Verletzungen. Daher ist das Aufwärmen im Winter besonders wichtig. Eine signifikant höhere Verletzungsgefahr sieht Joachim Latsch beim Sport in der Kälte aber nicht.

So wie die Muskulatur uns warm hält, sorgen die Atemwege dafür, dass die kalte, trockene Luft auf dem Weg in die Lunge befeuchtet und auf die richtige Temperatur gebracht wird. „Bei starker Kälte kann es passieren, dass das nicht mehr so gut gelingt“, sagt Joachim Latsch. Denn es muss eine größere Differenz zwischen Umgebungs- und Körpertemperatur ausgeglichen werden.

Wer jedoch nicht unter einer Atemwegserkrankung leidet, könne getrost davon ausgehen, dass der Körper den winterlichen Herausforderungen gewachsen ist – bis zu einem gewissen Punkt: „Bei Temperaturen im Bereich von minus zehn Grad und tiefer werden sogar manche Wintersportwettkämpfe verschoben.“

Unangenehm beim Luftholen

Hat man dennoch Schmerzen oder Schwierigkeiten beim Luftholen, ist das meist ein Indiz für einen zu schnellen Start: „Bei Kälte ist es noch wichtiger als sonst, behutsam zu beginnen und sich moderat dem normalen Lauftempo anzunähern“, sagt Latsch. Je schneller man loslegt, desto schneller steigt der Sauerstoffbedarf: Die Atemfrequenz schießt in die Höhe, die kalte Luft kann nicht ausreichend erwärmt werden, was sich beim Luftholen unangenehm bemerkbar macht.

Eine Läuferin in Köln (Nordrhein-Westfalen).
Eine Läuferin in Köln (Nordrhein-Westfalen). © dpa | Henning Kaiser

Insgesamt bedeutet kaltes Wetter vermehrten Stress für das Bronchialsystem. Krank wird man davon aber nicht. „Trockene Atemwege erleichtern Krankheitserregern zwar den Zugang“, sagt Latsch, aber „es ist immer ein Kontakt zu einem Überträger notwendig.“ Finde ein solcher Kontakt statt, stecke man sich aber möglicherweise schneller an als der Nichtsportler. Denn nach einer erschöpfenden Belastung wird die Immunabwehr kurzzeitig heruntergefahren, Experten sprechen vom „immunologischen open window“. In diesem Zeitraum ist der Körper anfälliger für Infektionen. Latsch: „Wenn ich dann mit dem Bus nach Hause fahre und mich drei Leute anhusten, kann das schon ausreichen.“

Auf Baumwollshirts sollten Läufer beim Sport in der Kälte unbedingt verzichten: Das Material wird schnell feucht. Joachim Latsch empfiehlt Funktionskleidung. Angefangen bei der Unterwäsche bis hin zu den einzelnen Bekleidungsschichten. Dabei gelte die Faustregel: Beim Loslaufen darf man etwas frösteln. Besonders wichtig sei die Mütze – schon bei drei bis fünf Grad Außentemperatur sollte sie getragen werden, weil der Körper ber den Kopf besonders viel Wärme verliert.