Berlin. Kleidung, Spielgeräte und Kindermöbel: Eltern holen sich gerne Rat auf Elternblogs. Doch hinter den Tipps steckt oft vor allem Werbung.

In Elternblogs und Foren zählen Kinderkrankheiten zu den Klickrennern. Zum Beispiel, wenn es um Neurodermitis geht. Die Kinder kratzen Gesicht und Hände auf, schlafen kaum durch, weil sie der Juckreiz nicht zur Ruhe kommen lässt. Ein Allheilmittel gibt es nicht, dafür jede Menge Ratschläge im Netz.

Teil der Behandlungstipps auf den Blogs sind etwa spezielle Cremes, die helfen sollen. Die werden auf den Seiten nicht nur detailliert beschrieben; es gibt sogar Probepakete zu gewinnen. Die Bewertungen sind kein Zufall: Gezielt sprechen Firmen Blogger an, die ihre Produkte auf den Seiten anpreisen sollen.

Eltern setzen ihr Vertrauen in Blogger

„Blogs werden immer wichtiger für die Kaufentscheidung“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung in Köln. „Das sind Geschäftsmodelle, die hinter den Plattformen stehen.“ Je besser die Reputation eines Bloggers ist, desto eher findet seine Bewertung eines Produkts auch Anklang. Das wissen auch Pharmafirmen, Spielzeughersteller oder Anbieter von Kinderkleidung und Möbeln für den Nachwuchs.

Welchen Einfluss die Bewertungen auf den Blogs haben, haben Hudetz und seine Kollegen in einer Studie zu Modeblogs untersucht. Fazit: Fast jeder zweite Leser entscheidet sich auch tatsächlich zum Kauf eines Kleidungsstücks, wenn er über einen Fashion-Blog darauf aufmerksam gemacht wurde. Die Leser schätzen das Gespür der Blogger für Trends und halten sie für glaubwürdig. Nur ein Drittel der Leser steht den Empfehlungen kritisch gegenüber.

Hohe Klickzahlen bringen kaum Geld

Die Fülle an Themen, die Eltern im Netz umtreibt, scheint grenzenlos. Wie kann mein Kind endlich durchschlafen? Wann ist Fernsehen schädlich? Der Rat im Netz wird gezielt gesucht. Das Schreiben der Texte und die Betreuung der Seiten kostet viel Zeit.

Einnahmen gibt es – auch mit hohen Klickzahlen – kaum. Mit Produktbewertungen finanzieren daher viele Blogger ihre Seiten. Je mehr Reichweite die Blogs haben, desto größer ist auch das Interesse der Unternehmen. Schließlich sind die Leser potenzielle Kunden. Geworben wird nicht nur auf den Blogs selbst.

Viele Blogs setzen auf Transparenz

Die Themen werden auch via Facebook, Instagram oder Twitter weiterverbreitet. Produktbewertungen als Geschäftsmodell sind jedoch oft ein heikles Thema unter Bloggern, vor allem unter Eltern, die aus ihrem Familienalltag berichten. Schließlich geht es ihnen in erster Linie darum, ihre persönlichen Erfahrungen zu veröffentlichen. Doch wer Schreiben nicht nur als Hobby betreibt, sondern zum Fast-Vollzeitjob macht, braucht eine Finanzierung. Kooperationen mit Unternehmen sind eine Möglichkeit. Fraglich ist, ob die Bewertung tatsächlich neutral bleibt.

Die Bloggerin Anne Link von „Top-Elternblogs“ kennt das Dilemma. „Ich würde nicht auf das Urteil eines Bloggers setzen, wenngleich mir bewusst ist, dass einige ihre wahre Meinung verbloggen“, sagt Link. „Es handelt sich ja stets um finanziell vergütete Bewertungen, und das ist immer mit Vorsicht zu genießen.“

Kooperationen sollten gekennzeichnet sein

Auf ihren Seiten berichtet Link aus dem „Familienkosmos“. Es geht um Erziehung, um Geschenke zur Geburt, um die Beziehung zu den Schwiegereltern oder auch um erfolgreiches Bloggen über die verschiedensten sozialen Medien. Rund 22.000 Seitenaufrufe hat Link pro Monat, heißt es auf ihren Seiten. Für verwerflich hält die Bloggerin das Geschäftsmodell mit den Produktbewertungen nicht.

„Natürlich sollten derartige Kooperationen gekennzeichnet werden“, sagt sie. Allerdings seien die wenigsten Unternehmen dazu bereit. Würden Firmen oder auch Agenturen Blogger und deren Leser wirklich ernst nehmen, könnten sie deren Glaubwürdigkeit auch für sich nutzen, so Link.

Leser müssen über Vertrauen entscheiden

Etliche Blogs sorgen bereits für Transparenz und kennzeichnen Produkttests und Vereinbarungen mit Firmen. Solche Beiträge werden bei „Stadt Land Mama“ beispielsweise mit roter Farbe unterlegt, heißt es auf dem Blog. Schleichwerbung soll es nicht geben. Auch bei „Baby Kind und Meer“ oder bei „Mama Berlin“ gibt es den Hinweis auf Kooperationen und die Kennzeichnung von Werbung.

„Es geht um Glaubwürdigkeit und Vertrauen“, sagt Handelsexperte Hudetz. Ist die Bewertung des Produkts so gut, weil das Produkt so gut funktioniert? Oder vergibt der Blogger viele Sternchen und positive Bewertungen, weil die Provision so hoch ausfällt? Verbrauchern muss klar sein, wenn der Blogger Kinderkleider, Fahrrad oder Spielzeug von den Herstellern zum Test zur Verfügung gestellt bekommt und für die Bewertung bezahlt wird.

Letztlich müssen die Leser entscheiden, ob sie dem Blogger Glauben schenken oder nicht. Doch „Lobhudeleien gegen Geld fallen auf“, sagt Hudetz. „Vertrauen muss man hart erarbeiten. Aber man kann es auch ganz schnell wieder verlieren.“