Berlin. Ob Kerzen oder Kaminfeuer: Im Dezember ist die Verbrennungsgefahr für Kinder besonders groß. Wie Eltern ihre Kinder schützen können.

Ein wärmender Tee und romantischer Kerzenschein gehören zur Advents- und Weihnachtszeit der Familie dazu wie der Nachmittag, an dem die Plätzchen gebacken werden. Schöne Erlebnisse, die schrecklich enden können, wenn Kinder oder Eltern nicht achtgeben: Laut der Initiative für brandverletzte Kinder – „Paulinchen“ – werden in Deutschland jährlich mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche wegen Verbrennungen und Verbrühungen ärztlich behandelt. Davon sind laut statistischem Bundesamt knapp 6000 so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus bleiben müssen. Zum „Tag des brandverletzten Kindes“ am 7. Dezember ruft „Paulinchen“ zur Vorsicht auf – und gibt Tipps, wie sich Risiken vermeiden lassen.

Wo lauern Gefahren für Kinder?

„Verbrühungen durch heiße Getränke verursachen besonders häufig Verletzungen bei Kindern, die jünger als fünf Jahre sind“, sagt Adelheid Gottwald. Sie musste erleben, dass ihre Tochter nach einer Brandverletzung erst durch einen Zufall von spezialisierten Ärzten behandelt wurde, und gründete mit anderen Betroffenen „Paulinchen“. Eine große Gefahr sind aus ihrer Sicht vor allem Kerzen, offene Flammen oder Kamin- und Ofenfeuer. Kerzen können nicht nur Brände auslösen: Kinder kommen ihnen oft zu nah oder reichen beim Basteln über eine brennende Kerze.

„So entzündet sich ihre Kleidung. Tiefe Verbrennungen am Körper mit eingebrannten Textilfasern sind die Folge“, erklärt Adelheid Gottwald. Bei Kaminöfen warnt sie vor den Scheiben und heißen Flächen. Diese können sogenannte Kontaktverbrennungen an den Händen verursachen, wenn neugierige Kinder sie berühren. „Beim oder nach dem Backen die Ofentür nicht offen stehen lassen, denn die Kinder könnten sich darauf abstützen und sich so an der heißen Innenfläche verbrennen“, betont die Initiatorin. „Schwere Verbrennungen der Handinnenflächen müssen meist jahrelang behandelt werden.“

Wie können Eltern vorbeugen?

„Heiße Flüssigkeiten können schon ab 52 Grad die Haut schädigen. Deshalb sollte man Gefäße mit heißen Flüssigkeiten immer außer Reichweite der Kinder abstellen“, sagt Adelheid Gottwald. Sie rät: auf Tischdecken verzichten, denn wenn der Nachwuchs sich daran hochzieht oder festhält, rutscht alles herunter – wie die Kanne mit heißem Tee. Die Initiative „Paulinchen“ empfiehlt außerdem, auf das Inhalieren über einer Schüssel mit heißem Wasser zu verzichten. „Die Schüssel kippt leicht oder wird mit dem Handtuch vom Tisch gezogen, und die heiße Flüssigkeit ergießt sich über den Schoß, was zu schweren Verbrennungen der Oberschenkel, Genitalien und des Unterbauches führt.“ Sicherer sind standfeste Inhalatoren.

Kerzen sollten immer in Gegenwart von Erwachsenen angezündet und nie unbeaufsichtigt gelassen werden. Wichtig: Feuerzeuge, Streichhölzer sowie andere Anzünder für Kinder unerreichbar lagern und beim Kochen lieber die hinteren Herdplatten nutzen. Dabei die Griffe der Pfannen am besten nach hinten drehen. „Ein Herdgitter kann zusätzlich schützen“, meint Adelheid Gottwald und weist darauf hin, dass Kaminöfen nicht unbeaufsichtigt brennen sollten, wenn Kinder im Raum sind.

Wie lernen Kinder Risiken kennen?

„Immer ein gutes Vorbild sein, also zum Beispiel nicht mit Adventszweigen zündeln, nur weil es so gut riecht“, meint Expertin Gottwald im Hinblick auf Eltern und Verwandte. Mit der Warnung „heiß“ könne man kleine Kinder schon frühzeitig auf die Gefahr aufmerksam machen. Damit sie lernen, vorsichtig zu sein, kann man sie kurz an die Teetasse fassen lassen. Sie darf aber nur so heiß sein, dass kein Verletzungsrisiko besteht. „Verbote reizen, Dinge heimlich zu tun. Einüben ist der bessere Schutz“, erklärt Gottwald. In Deutschland liegt die Brandschutzerziehung in den Händen der Feuerwehren, die ehrenamtlich in Kindergärten richtigen Umgang mit Feuer vermitteln. Über dieses Angebot können Eltern mit Erziehern sprechen.

Was ist bei einer Verbrennung zu tun?

„Als Erstes muss das Kind aus dem Gefahrenbereich entfernt werden. Verbrannte oder mit heißer Flüssigkeit durchtränkte Kleidung vorsichtig entfernen“, sagt Professor Hans-Oliver Rennekampff, Ärztlicher Leiter der Verbrennungschirurgie am Klinikum Leverkusen. Eltern beschwört er, Ruhe zu bewahren und das Ausmaß der Verletzung abzuschätzen. „Verbrennungen an der Hand oder am Unterarm können mit Wasser gekühlt werden, das nicht kälter als 15 Grad sein sollte, um weiteren Schaden zu vermeiden.“ In jedem Fall rät der Mediziner, einen Kinderarzt aufzusuchen: „Der Impfstatus muss überprüft werden und eine eventuell notwendige ärztliche Behandlung festgelegt werden.“ Ist nur ein wenig heißer Tee über den Finger gelaufen, können kühlende Salben und eine Hautpflege helfen. Sobald eine Blase entsteht, liegt laut Rennekampff mindestens eine zweitgradige Verbrennung vor. Kleine, intakte Brandblasen bis zu einer Größe eines Fingernagels können nach seinen Worten belassen werden, bis die Haut darunter wieder geheilt ist – größere sollten einem Arzt gezeigt werden.

Was geschieht bei größeren Verbrühungen oder Verbrennungen?

Der Notarzt muss alarmiert und das Kind durch einen in der Verbrennungsmedizin ausgewiesenen Arzt behandelt werden. „In einer Spezialklinik muss die Tiefe und das flächenmäßige Ausmaß der Verbrennung begutachtet werden. Der Arzt entscheidet, ob eine Operation notwendig wird oder das Kind in die Intensivstation aufgenommen werden muss“, sagt Hans-Oliver Rennekampff, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin ist. Damit möglichst wenige Narben bleiben, werden Verbrennungswunden häufig mit Spezialfolien abgedeckt, welche die Schmerzen reduzieren und die Heilung fördern. „Je schneller eine Wunde geheilt ist, umso weniger Narben bleiben zurück“, sagt der Spezialist.

Sind alle Hautschichten aufgrund einer tiefen Verbrennung geschädigt, ist laut Rennekampff eine Hauttransplantation notwendig. Ein Transplantat werde häufig am Kopf an einer Stelle entnommen, die anschließend nicht sichtbar sei, weil sie unter dem Haar verschwinde. Der Experte beruhigt: „Selbst wenn durch eine Verbrennung oder Verbrühung eine Narbe entstanden ist, bietet die moderne Plastische Chirurgie vielfältige Möglichkeiten, diese zu verbessern – von Veränderungen der Textur und Farbe bis zur großflächigen Entfernung von Narbenarealen oder funktionell störenden Narbensträngen.“

Familien mit brandverletzten Kindern finden Rat bei „Paulinchen“, Initiative für brandverletzte Kinder unter der kostenfreien Hotline 0800/0112123 oder unter im Internet unter www.paulinchen.de.