Stuttgart. Wer freiwillig den Fassadenwärmeschutz seiner Immobilie verbessern will, profitiert von einer Ausnahme in der Energieeinsparverordnung.

Eine Wärmedämmung der Fassade muss zwölf bis 16 Zentimeter stark sein – das sieht die seit 2014 geltende Energieeinsparverordnung (EnEV) vor. Allerdings gibt es nun eine Ausnahme von der Regel. Die Vorgaben gelten demnach nicht, wenn ein Wärmedämmverbundsystem auf der Fassade angebracht wird, ohne dass vorher der alte Putz wegkommt. Dann darf die Dämmstärke geringer sein. Das ist ein Vorteil für viele Häuser, die nach einer Dämmung etwa Dachüberstände oder Fensterbänke anpassen müssten, erklärt Roland Falk vom Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade Baden-Württemberg (SAF).

Aufgefallen war die Gesetzeslücke erst, als ein Hausbesitzer eine wesentlich dünnere Dämmung auf seine Fassade setzen ließ, wie Zukunft Altbau hinweist, ein vom Umweltministerium Baden-Württemberg gefördertes Informationsprogramm. Die örtliche Baurechtsbehörde ordnete einen Baustopp an. Die Projektgruppe EnEV der Bauministerkonferenz setzte sich daraufhin im September damit auseinander – und kam zu dem Schluss, dass seit der letzten EnEV-Änderung im Jahr 2014 diese Ausnahme rechtens ist.

Ausgenommen sind Pflichtdämmmaßnahmen

Sie betrifft nicht nur die Dämmstoffdicke, sondern auch den bislang geltenden Wärmedurchgangskoeffizienten, besser als U-Wert bekannt. Er beträgt maximal 0,24 Watt pro Qua­dratmeter und Grad Kelvin. Allerdings profitiert von dem Schlupfloch nur eine bestimmte Gruppe Sanierer: Jene, die freiwillig dämmen wollen, erklärt Michael Heide vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe in Berlin.

Pflicht ist diese Sanierung zum Beispiel für Hausbesitzer, deren Putzfläche zu mehr als zehn Prozent schadhaft ist und bei denen im Zuge des Neuverputzens auch eine Dämmung gemacht werden muss.

Was heißt das für betroffene Hausbesitzer und Bauherren? „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Hausbesitzer sagen: Eine Dämmung von zehn oder acht Zentimeter würde ich machen, mehr aber nicht“, sagt Falk. Denn dickere Dämmstärken verringerten an vielen Bauten die Dachüberstände, manche Eingangstreppe werde schmaler. Auch Fensterbänke und Regenrinnen müssten teils versetzt werden – alles mit Folgekosten für die Sanierer. Diese könnten sie sich nun dank der Ausnahme in der EnEV sparen und zu dünneren Dämmungen greifen, so das Argument der SAF.

Experten mahnen zum Abwägen

Zwar konnten sich Hausbesitzer bisher von der Pflicht zu dicken Dämmstärken befreien lassen, aber nur mit einer Sondergenehmigung, wenn die Sanierung und solche baulichen Anpassungen nicht mehr wirtschaftlich rentabel waren. Das Schlupfloch komme jetzt jenen Eigentümern zugute, „die ein bisschen was für ihr Gewissen tun wollten“, sagt Heide. Aber die durch die Dämmung eben nicht die Optik ihres Gebäudes verändern wollten – zumal sie dazu nicht gezwungen seien.

Die Unterschiede bei den Energieeinsparungen hielten sich bei den letzten Zentimetern ohnehin in Grenzen: „Die ersten Zentimeter an der Fassade bringen die meiste Einsparung“, sagt Heide. Der Unterschied von acht zu 16 Zentimeter Dämmstärke mache daher nicht 50 Prozent, sondern etwa 30 Prozent aus.

Jeder Dämmstoff ist anders

Andere Experten halten hingegen wenig von dünneren Dämmmaterialien: Solche Platten seien sehr oft unwirtschaftlich, und den geringeren Investitionskosten stünden deutlich höhere Heizkosten gegenüber, sagt Petra Hegen von Zukunft Altbau. Auch Philipp Mahler von der Verbraucherzen­trale Nordrhein-Westfalen plädiert für dickere Dämmungen. Denn Probleme etwa mit Laibungen durch dicke Dämmstärken ließen sich durch Detailarbeiten vermeiden. Vor allem aber sei der Mehraufwand, den man mit einer dickeren Dämmstärke im Verhältnis zu den Gesamtkosten habe, minimal“, betont der Referent für Bautechnik. Die meisten Kosten gingen etwa für das Gerüst und die Handwerker drauf.

Fakt ist: Jeder Dämmstoff ist anders. Bei der Auswahl rät Heide daher, grundsätzlich auch auf den Lambda-Wert zur Wärmeleitfähigkeit zu achten. Je kleiner der Wert, desto besser die Wärmedämmung – und desto dünner kann sie auf der Fassade ausfallen.

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