Berlin. Füllige Körper allein sind kein zuverlässiges Indiz für gefährliche Polster. Überschüssiges Fett kann sich auch in Organen einlagern.

Übergewicht macht krank – und ob jemand übergewichtig ist, verrät der Body-Mass-Index (BMI). Einfache Zusammenhänge wie dieser erfreuen sich einer hartnäckigen Prominenz: Sie sind leicht zu merken und weiterzutragen. Dass die Sache mit dem Übergewicht etwas komplizierter ist, sickert daher umso langsamer ins öffentliche Bewusstsein.

Unter Experten jedoch steht der BMI schon seit Jahren in der Kritik: Ohne die Betrachtung weiterer Daten könne man anhand dieses Wertes keine zuverlässigen gesundheitsbezogenen Aussagen treffen. Denn neben der Menge des Fettgewebes spielt auch dessen Verteilung eine wesentliche Rolle für die Gesundheit.

Bei einem normalgewichtigen Erwachsenen macht das Fettgewebe, das aus den sogenannten Adipozyten, den weißen und braunen Fettzellen, besteht, etwa zwölf Prozent des Körpergewichtes aus. Während Neugeborene noch besonders viel braunes Fettgewebe besitzen, das sie zur Temperaturregulierung benötigen, überwiegen bei Erwachsenen die weißen Fettzellen, die verschiedene Funktionen erfüllen. Die offensichtlichste: Sie lagern überschüssige Energie in Fettpölsterchen ein.

Fett sucht sich neue Speicherorte

„Diese Fettdepots entstehen vorwiegend subkutan, also unter der Haut“, erklärt PD Dr. med. Susanne Reger-Tan, Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie am Uniklinikum Essen. Wird jedoch dauerhaft mehr Energie zugeführt, als der Körper verbrauchen und im Unterhautfettgewebe unterbringen kann, weicht er auf andere Speicherorte aus. „Stellen Sie sich das subkutane Fettgewebe als eine Badewanne vor: Fließt mehr hinein, als durch den Abfluss ablaufen kann, füllt sich die Badewanne langsam und läuft irgendwann über.“

Das überschüssige Wasser flutet den Badezimmerfußboden – das überschüssige Fett sammelt sich etwa in der Leber, am Herzen, in der Skelettmuskulatur oder an der Bauchspeicheldrüse. Die dort gestrandeten Fettzellen werden als viszerales oder allgemeiner als ektopes Fett bezeichnet. Wann der Körper beginnt, überschüssige Energie nicht mehr nur unter der Haut, sondern zusätzlich an anderen Orten einzulagern, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Rauchen ist ein Risikofaktor

Ein wichtiger Faktor ist die Effektivität des Stoffwechsels, die im Alter nachlässt. Auch Rauchen begünstigt die Entwicklung ektoper Fettansammlungen. Außerdem spielt das Geschlecht eine wesentliche Rolle: „Das weibliche Hormon Östrogen fördert offenbar subkutanes Fett und vermindert ektopes Fett“, sagt die Endokrinologin. So lässt sich erklären, warum die meisten Frauen zu Fettpölsterchen an Oberschenkeln und Gesäß neigen, im Fachjargon als gluteofemorale Fettverteilung bezeichnet, während Männer eher einen stattlichen Bauch entwickeln.

Diese sogenannte abdominale Fettverteilung, oft ist die Rede vom „Apfeltyp“, kann sowohl von subkutanem als auch von ektopem Fettgewebe herrühren. Die gluteofemorale Verteilung, der „Birnentyp“, ist hingegen ausschließlich durch subkutanes Fettgewebe bedingt. Nicht der BMI, sondern der Taillenumfang, gemessen in der Mitte zwischen Rippenbogen und Beckenkamm, liefert also ein Indiz dafür, ob der Körper eine abdominale Fettverteilung aufweist, die möglicherweise auf ektope Fettdepots hinweist.

Der Grenzwert beträgt bei Männern 94 Zentimeter, bei Frauen 80 Zentimeter. Ab 102 Zentimetern (Männer) bzw. 88 Zentimetern (Frauen) besteht ein stark erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen wie Insulinresistenz, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und nicht alkoholbedingte Lebererkrankungen. Das Sterblichkeitsrisiko steigt ebenfalls.

Auch Normalgewichtige können Probleme kriegen

Die Einteilung anhand des Taillenumfangs ist zwar aussagekräftiger als der BMI, bedarf für Aussagen über das individuelle Gesundheitsrisiko aber zusätzlicher Untersuchungen – denn in bestimmten Fällen kann eine genetische Veranlagung dazu führen, dass ektopisches Fett selbst bei normalgewichtigen Menschen zum Problem wird.

Die gute Nachricht: Ektopes Fett lässt sich vergleichsweise schnell wieder abtrainieren. Die Expertin empfiehlt dazu eine gesunde Ernährungsweise, den Verzicht auf Nikotin und Alkohol, außerdem eine Steigerung der körperlichen Aktivität. „Aus internistisch-metabolischer Sicht müssen Adipositas-Patienten gar nicht ihr komplettes Übergewicht loswerden, um etwa die Insulinresistenz positiv zu beeinflussen“, sagt Susanne Reger-Tan. Andere gesundheitliche Probleme etwa orthopädischer Art könnten natürlich nach einer deutlicheren Gewichtsreduktion verlangen, doch um das ektope Fett zu verringern, genüge es bereits, fünf bis zehn Prozent des Körpergewichtes zu verlieren.