Berlin. Ab September gibt es ein neues gelbes Heft für die ärztlichen Regeluntersuchungen für Kinder. Darauf müssen Eltern künftig achten.

Wer Kinder hat, hat auch das gelbe Heft: Direkt nach der Geburt bekommen Eltern in Deutschland das kleine Untersuchungsheft in die Hand, bis zur Einschulung ist es für Mütter und Väter ein ständiger Begleiter. Die Ergebnisse der ärztlichen Regeluntersuchungen (U1 bis U9) werden hier eingetragen, Wachstum und Entwicklung gemessen, Hör- und Sehfähigkeit getestet. Seit Jahren überarbeiten Experten das ursprünglich aus den 70er-Jahren stammende Untersuchungsprogramm der Kinderärzte – jetzt liegt das neue gelbe Heft vor, zum 1. September treten die Regelungen in Kraft. Was ändert sich für heutige und künftige Eltern von Kleinkindern?

Wer bekommt das neue gelbe Heft?

Eltern von Neugeborenen bekommen ab September direkt nach der Geburt das neue gelbe Heft von der Hebamme oder der Geburtsklinik. Eltern von Kleinkindern, die bereits die ersten Untersuchungen absolviert haben, bekommen (bis zur U6) das neue Heft zusätzlich zu ihrem alten; Befunde aus dem bisher verwendeten Untersuchungsheft dürfen aber nicht übertragen werden. Für Eltern, deren Kinder schon die meisten Untersuchungen hinter sich haben, gibt es (ab der U7) für die Dokumentation der restlichen Befunde kein neues Heft, sondern nur neu gestaltete Einlegeblätter für ihr altes Heft. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) rechnet damit, dass die meisten Kinderärzte das neue gelbe Heft direkt vom 1. September an einführen werden. Ärgerlich sei allerdings, dass die Honorarfrage für die neuen Leistungen noch nicht endgültig geklärt sei, sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach dieser Redaktion.

Was ändert sich bei den Untersuchungen?

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe rechnet mit einer deutlichen Verbesserung der kinderärztlichen Vorsorge: „Das gelbe Kinderuntersuchungsheft gehört in Deutschland mittlerweile wie der erste Zahn und die ersten Gehversuche zur Kindheit dazu“, sagte der CDU-Politiker dieser Redaktion. „Mit dem neuen Kinderuntersuchungsprogramm gehen wir einen wichtigen Schritt zur weiteren Verbesserung der Gesundheit unserer Kinder. Der BVKJ begrüßte die Neureglung ebenfalls als „wichtigen Schritt“ zur besseren Beurteilung der Gesundheit der Kinder. Verbesserungen gibt es nach Angaben des BVKJ vor allem bei den Untersuchungen zur Entwicklung der Sprache, der Fein- und Grobmotorik sowie der Sehleistung.

Neu eingeführt wird das Mukoviszidose-Screening für Neugeborene: Die angeborene Drüsenerkrankung schädigt die Lungen- und Darmfunktion und führt zum frühzeitigen Tod. Durch rechtzeitige Diagnose lässt sich die Lebenserwartung der Betroffenen jedoch deutlich verlängern. Beim Screening soll nun den Neugeborenen ein Blutstropfen abgenommen und untersucht werden. Stärker als bisher sollen die Kinderärzte auch auf die Zahngesundheit achten und Eltern rechtzeitig zum Besuch eines Zahnarztes auffordern.

Was sagen die Kinderärzte?

Den Kinderärzten geht die Reform jedoch nicht weit genug: „Wir sind enttäuscht, dass die Kassen nicht bereit waren, auch die psychosoziale Entwicklung und die Früherkennung von Verhaltensauffälligkeiten in das Heft zu übernehmen“, sagt BVKJ-Präsident Fischbach. Gerade bei den letzten Untersuchungen vor der Einschulung wäre es wichtig gewesen, etwa gezielt die Konzentrationsfähigkeit zu testen, um späteren Problemen vorbeugen zu können.

Welche praktischen Vorteile bringt das neue gelbe Heft?

Mit einer herausnehmbaren Teilnahmekarte können Mütter und Väter künftig gegenüber Kindergärten und anderen Einrichtungen nachweisen, dass sie die Früherkennungsuntersuchungen gemacht haben, ohne dabei die vertraulichen Informationen zum Entwicklungsstand und zu ärztlichen Befunden des Kindes weitergeben zu müssen. Beispiel Impfschutz: Wer sein Kind in der Kita anmeldet, kann mit der Teilnahmekarte zeigen, dass er die nötigen ärztlichen Beratungen zum Impfschutz bekommen hat. Für Gesundheitsminister Hermann Gröhe ist die verbindliche Impfberatung bei den U-Untersuchungen ein wichtiger Schritt zu einer höheren Impfquote – etwa zum Schutz gegen Ausbrüche der Masern. „Damit wollen wir dazu beitragen, dass wichtige Schutzimpfungen rechtzeitig und vollständig vorgenommen werden“, sagt der Minister.

Was ist mit den Untersuchungen für Schulkinder und Teenager?

Im Vorschulalter sind alle Früherkennungsmaßnahmen von der U1 bis zur U9 reguläre Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie sind grundsätzlich freiwillig – in vielen Bundesländern gibt es aber mittlerweile sogar ein staatliches Einladungssystem, um die Teilnahmequoten zu erhöhen. Zusätzlich bezahlen die Kassen gesetzlich Versicherten die Jugenduntersuchung J1 für 12- bis 14-Jährige. Im Grundschulalter und im späteren Teenageralter klafft dagegen eine Lücke: Zwar übernehmen immer mehr Kassen freiwillig die Kosten für die U10, die U11 und die J2 – doch einen gesetzlichen Anspruch gibt es nach wie vor nicht.

Im Auftrag der Bundesregierung prüft der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Kassen (GBA) aktuell eine Ausweitung der Leistungen: Grundschüler und Teenager sollen nach dem Willen von Gesundheitsminister Gröhe künftig regelmäßig zur Vorsorge zum Kinderarzt gehen: Dazu sollen bis zu drei neue Vorsorgeuntersuchungen zu Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen werden – die U10 und die U11 für Grundschüler sowie die J2 für Jugendliche. Die Stärkung der Kinder- und Jugenduntersuchungen ist Teil des jüngsten Präventionsgesetzes der großen Koalition.