Berlin. Nach dem Fall Franco A. ist die Bundeswehr in Aufruhr. Ministerin von der Leyen erklärte den Stand der Ermittlungen. Ein Überblick.

Wer zum Sitzungssaal 2.700 will, folgt an diesem Morgen im Paul-Löbe-Haus den Kameraleuten und Uniformträgern. Es gibt keinen besseren Wegweiser zu Ursula von der Leyen (CDU). Wo die Verteidigungsministerin ist, da ist Kampf, da ist Aufsehen. Ihr Boxring ist der Verteidigungsausschuss: Eine neue Runde im Fall Franco A., der nächste politische Schlagabtausch.

Ein Einzelfall? Kann die Bundeswehr wie bisher weitermachen? „Das wäre grundfalsch“, weiß von der Leyen. Seit gegen den rechtsextremen Offizier Franco A. wegen des Verdachts ermittelt wird, einen Anschlag geplant zu haben, ist die Truppe in Aufruhr, aufgescheucht von der eigenen Ministerin. Von der Leyen brachte den Ausschuss am Mittwoch auf den neusten Stand der Ermittlungen. Ein Überblick über die Fakten – und die Folgen:

Die Suche nach Schuldigen

Intern laufen Disziplinarverfahren gegen einen Rechtsberater und den Chef des Streitkräfteamtes. Beide kannten eine Masterarbeit von Franco A., die er 2014 an der französischen Militärakademie Saint-Cyr vorlegte und die damals als rassistisch und rechtsextremistisch eingestuft wurde. Aber statt Alarm zu schlagen, haben sie Franco A. gedeckt.

Verteidigungsausschuss fordert Aufklärung von Ministerin

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    Das Meldeaufkommen

    Längst schlägt das Pendel in die andere Richtung. Seit Wochen steigt das Meldeaufkommen in der Bundeswehr. Im Klartext: Es sinkt die Hemmschwelle, Kameraden anzuschwärzen, die gegen Prinzipien der inneren Führung verstoßen. Es geht nicht nur um rechtsextreme Verdachtsfälle, sondern auch um Schikane, Missbrauch, Führungsversagen.

    Antreten zur Entrümpelung

    Nachdem im elsässischen Illkirch, am Standort von Franco A., ein Aufenthaltsraum mit Wehrmachtsdevotionalien entdeckt wurde, ordnete Generalinspekteur Volker Wieker an, alle Kasernen zu überprüfen. Das Ergebnis liegt seit Mittwoch dem Bundestag vor: Außer in Donaueschingen ist nichts Vergleichbares entdeckt worden, wohl aber wurden 41 „Vorfälle“ gemeldet. Zum Beispiel wollte ein Logistikbataillon eine Gedenkmünze prägen lassen, auf der eindeutig ein Wehrmachtssoldat zu erkennen war.

    Die neue Sensibilität

    Dass die Überprüfung der Kasernen vergleichsweise wenig Vorfälle aufdeckte, könnte auch daran liegen, dass manche Gegenstände vorsorglich entfernt wurden und dass mancher aufgeschreckte Kommandeur zum ersten Mal seine Kaserne auf die vermeintliche Traditionspflege überprüft hat. Im Umfeld der Ministerin ist jedenfalls von einer „neuen Sensibilität“ die Rede. Sie führte zum Beispiel dazu, dass an der Bundeswehr-Universität in Hamburg ein Bild abgehängt wurde, das – kommentarlos, ohne jede Einordnung – Altkanzler Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform zeigte.

    Alte und neue Traditionen

    Es gibt zwar einen sogenannten Traditionserlass, aber der ist schon 35 Jahre alt. Die Ministerin ist der Ansicht, dass die Truppe sich nicht auf die Wehrmacht berufen, sondern lieber ihre 60-jährige Geschichte in den Mittelpunkt stellen sollte: „Wir können so viel schöpfen.“ Sie will eine „Nulllinie“ ziehen, ab der Wehrmachtsgegenstände nicht mehr ohne historischen Kontext stehen dürfen, schlicht: Klarheit und Handlungssicherheit schaffen.

    Sie will es nicht damit bewenden lassen, Wehrmachtshelme aus den Stuben zu entfernen, während Kasernen immer noch Namen von damaligen „Helden“ wie Hans-Joachim Marseille oder Helmut Lent tragen. „Beide Namensgeber sind nicht mehr sinnstiftend für die heutige Bundeswehr. Sie gehören zu einer Zeit, die für uns nicht vorbildgebend sein kann“, sagte von der Leyen.

    Von der Leyen kündigt umfassende Reformen nach Bundeswehr-Affäre an

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      Das Problem mit den Kasernennamen ist so alt wie die Bundeswehr. Gewöhnlich hat sie sich bei Umbenennungen vor Ort um einen Konsens mit den Kommunalpolitikern bemüht. Im Konfliktfall will die Ministerin künftig keine Rücksichten nehmen und von Berlin aus eine Umbenennung anordnen.

      Aufklärung steckt in den Anfängen

      Neben Franco. A sind zwei weitere Verdächtige verhaftet worden. Zwei heiße Spuren der Ermittler haben die Militärs elektrisiert. Zum einen geht es um mögliche Kontakte zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“. Im Verteidigungsausschuss heißt es, es würden unter anderem vier Studenten der Universität der Bundeswehr in München in den Blick genommen. Sie werden gerade vom Militärischen Abschirmdienst überprüft.

      Die zweite brisante Spur betrifft den Weg der Waffen und der Munition, die sich Franco A. beschafft hatte. „Wir haben heute erstmalig ganz explizit gehört, dass es auch Bezüge gibt in das Umfeld der Identitären Bewegung rein“, sagte Christine Buchholz von der Linksfraktion.

      Ministerin unter Generalverdacht

      Ihre Parteifreundin Ulla Jelpke spottete im Bundestag, sie fühle sich angesichts der SPD-Angriffe fast schon verpflichtet, von der Leyen in Schutz zunehmen. Tatsächlich gehört der Koalitionspartner zu den schärfsten Kritikern der CDU-Ministerin. Der Wehrexperte Rainer Arnold sprach von einer „Misstrauenskultur“ in der Bundeswehr, für die sie verantwortlich sei.

      SPD-Chef Schulz nimmt von der Leyen aufs Korn

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        SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz analysierte, von der Leyens Strategie laufe darauf hinaus, alle Verantwortung für Missstände den Soldaten zuzuschieben. Der Generalverdacht der SPD lautet, dass sich von der Leyen dreieinhalb Jahre lang nicht um innere Führung gekümmert hat. Die Ministerin sei für den Imageverlust der Armee verantwortlich.

        Von der Leyens offene Flanke

        Auf die CDU-Politikerin fällt vor allem der Vorwurf zurück, die Bundeswehr habe ein „Haltungsproblem“. Diese Kritik war dann doch zu undifferenziert und ist ihre offene Flanke im politischen Streit. „Ich habe nochmals sehr deutlich gemacht, dass es mir niemals um einen Generalverdacht ging, sondern um Aufklärung“, beteuerte sie vor dem Ausschuss.

        Auch tue es ihr leid, dass sie nicht von vornherein gesagt habe, dass die große Mehrheit der Soldaten hervorragenden Dienst leiste. Der Satz komme „aus der Tiefe meines Herzens“.