Berlin. Nach einem Jobverlust muss jeder Zehnte mit Hartz IV aufstocken, um über die Runden zu kommen. Quote im Osten höher als im Westen.

Wer in Deutschland seinen Job verliert und Arbeitslosengeld bezieht, ist immer öfter ergänzend auch auf Hartz IV angewiesen: Im vergangenen Jahr bezog nach Informationen unserer Redaktion bereits gut jeder zehnte Arbeitslosengeld-Empfänger parallel auch die Leistungen der staatlichen Grundsicherung.

Das geht aus neuen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervor, die die Vizechefin der Linke-Bundestagsfraktion, Sabine Zimmermann, bei der Behörde angefordert hatte. Danach stieg die Aufstockerquote 2015 auf 10,2 Prozent, nachdem sie 2011 noch bei 9,1 Prozent gelegen hatte. Bereits 2012 erhöhte sich der Anteil auf 9,7 Prozent, 2014 und 2013 kletterte er weiter auf 10,1 Prozent. Dabei lag die Quote der Parallelbezieher im vergangenen Jahr in Ostdeutschland mit 14,2 Prozent deutlich höher als im Westen der Bundesrepublik (9,0 Prozent).

Linke-Expertin fordert Mindestarbeitslosengeld

Die Linke-Arbeitsmarktexpertin Zimmermann sagte unserer Redaktion: „Das Arbeitslosengeld als Versicherungsleistung, für das man oft viele Jahre eingezahlt hat, ist für immer mehr Erwerbslose keine Garantie mehr, im Falle der Erwerbslosigkeit einigermaßen finanziell über die Runden zu kommen.“ Dass viele Erwerbslose beim Jobcenter ergänzend Hartz IV beantragen müssten, sei vor allem Folge von Niedriglöhnen und der wachsenden Teilzeitbeschäftigung. „Der Niedriglohnbereich muss endlich effektiv bekämpft werden“, forderte Zimmermann. Der Mindestlohn von derzeit 8,50 Euro müsse auf zwölf Euro in der Stunde angehoben werden. Bis Ende Juni soll eine unabhängige Kommission aus Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeitgeber über eine Anhebung zum Januar 2017 entscheiden. Gerechnet wird mit einer Erhöhung um 30 Cent.

Zimmermann forderte zudem, das System der Arbeitslosenversicherung zu stärken und ein Mindestarbeitslosengeld auf Grundsicherungsniveau auch mit Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt einzuführen. So könne ein ergänzender Hartz-IV-Bezug, der erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringe, vermieden werden. Arbeitslosengeld erhält, wer innerhalb der vergangenen beiden Jahre vor Verlust seines Arbeitsplatzes mindestens ein Jahr in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Es wird in der Regel zwölf Monate ausbezahlt, Langzeitarbeitslose erhalten danach Hartz IV.

Allerdings fallen viele Beschäftigte bei Jobverlust gleich in Hartz IV, da sie innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren wegen zu kurzer Beschäftigungszeit keine Ansprüche auf das Arbeitslosengeld ansammeln konnten. Zimmermann forderte deshalb auch, diese Rahmenfrist von 24 auf 36 Monate zu erhöhen.