Stuttgart. Mit ihren Positionen zu Islam und Europa gibt sich die AfD ein deutschnationales Grundsatzprogramm. Extremistische Töne vermeidet sie.

Alles wirkt ziemlich entspannt am Morgen des 1. Mai in Leinfelden-Echterdingen, dem Vorort von Stuttgart, an dessen Rand Flughafen und Messegelände in Beton gegossen sind. Die Polizisten langweilen sich in ihren Bereitschaftswagen und in den zwei riesenhaften Wasserwerfern, während sich die mehr als 2000 Teilnehmer des AfD-Bundesparteitages in die Schlangen vor den Sicherheitsschleusen einreihen. Sie werden an diesem Tag das Kapitel „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ als Teil ihres Grundsatzprogramms beschlossen haben und für den Abzug ausländischer Truppen und Atomwaffen aus Deutschland gestimmt haben.

Am Sonntagmorgen springt nur ein einzelner Demonstrant, der sich als Mischung aus Burka-Frau und Klu-Klux-Klan-Mann verkleidet hat, vor den Stahlzäunen herum, mit denen der Platz vor dem Messegebäude abgesperrt ist. Am Samstag hatte die Polizei noch 500 Linksautonome vorübergehend verhaftet. Sie hatten versucht, Zufahrtsstraßen zu besetzen.

Teilnehmer nehmen Datenleak diszipliniert hin

Die Delegierten haben das Wort. In Stuttgart setzen sich die radikalen Kräfte innerhalb der Partei selten durch.
Die Delegierten haben das Wort. In Stuttgart setzen sich die radikalen Kräfte innerhalb der Partei selten durch. © Getty Images | Thomas Lohnes

Auch im Saal geht alles ruhig zu, nachdem am Vortag die Debatte über das Grundsatzprogramm einigermaßen in Gang gekommen war. In den ersten Kapiteln, die verabschiedet wurden, lehnte die Partei Zuwanderung pauschal ab und forderte eine Rückabwicklung der EU zu einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft. Falls dies nicht möglich sei, sollte Deutschland aus der Union austreten.

Am Sonntag wird die Debatte nach einer peinlicher Mitteilung von Parteichef Jörg Meuthen fortgesetzt. Eine linksradikale Internetseite, sagt er, hat die Liste der Teilnehmer des Bundesparteitages veröffentlicht. Tatsächlich finden sich dort mehr als 2000 Namen und Adressen. „Das ist kein Spielchen, das da stattfindet“, sagt Meuthen und kündigt rechtliche Schritte an. „Das dürfen wir nicht tolerieren.“

Hier zeigt sich jedoch, wie diszipliniert inzwischen die Partei im Vergleich zu den teils chaotischen Versammlungen der Vergangenheit geworden ist. Ein Antrag, den Parteitag zu unterbrechen und über das Datenleck zu diskutieren, findet nicht einmal ansatzweise eine Mehrheit.

Und: Die am Samstagabend beschlossene Formulierung, dass „Einwanderung, insbesondere aus fremden Kulturbereichen“ abzulehnen sei, wird per Änderungsantrag ergänzt. Nun heißt es: „Für den Arbeitsmarkt qualifizierte Einwanderer mit hoher Integrationsbereitschaft sind uns willkommen.“

Wenig Sympathie für Dialog mit dem Islam

Am Sonntag wird dann als erstes über das Kapitel abgestimmt, das zuletzt für die größte Aufregung sorgte. Im Programm steht nun die Negation jenes Satzes, den einst Bundespräsident Christian Wulff als erstes prägte: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Die Partei sieht in der „Ausbreitung und Präsenz einer ständig wachsenden Zahl von Muslimen“ eine „große Herausforderung“.

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland
„Der Islam gehört nicht zu Deutschland": AfD-Chefin Frau Petry spricht beim Bundesparteitag, der den programmatischen Kurs der Partei festlegen soll. © dpa | Marijan Murat

Deshalb will die AfD die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit verbieten. Islamischen Organisationen soll nicht mehr der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen werden. Zudem möchte die Partei Imame, die aus dem Ausland entsandt wurden, nicht mehr zulassen. Nur noch jene, die in Deutschland und in deutscher Sprache ausgebildet wurden, sollten predigen dürfen.

Ein Redner, der trotz allem einen Dialog mit den lokalen muslimischen Gemeinden fordert, wird ausgebuht. Zudem spricht sich der Parteitag dafür aus, dass ein Passus im Entwurf des Vorstandes gestrichen wird, laut dem Bemühungen um Reformen des Islams unterstützt werden sollten. Es sei „lächerlich“, dem Islam Aufklärung „einimpfen“ zu wollen, sagt der Islamwissenschaftler Hans-Thomas Tillschneider, der seit März im Magdeburger Landtag sitzt. „Der Islam ist bei uns fremd, und deshalb kann er sich nicht im gleichen Umfang auf die Religionsfreiheit berufen wie das Christentum.“

Nein zu Minaretten – aber nicht zu Moscheen

Auf der anderen Seite lehnt aber der Parteitag auch Anträge ab, die eine noch stärkere Ausgrenzung fordern. So sollen, wie vom Vorstand vorgeschlagen, zwar Minarette verboten werden – aber nicht Moscheen, wie es auch gefordert wurde. Ihren Neubau will die Partei allerdings nur zulassen, wenn er nicht aus dem Ausland finanziert wird.

Den restlichen Sonntag müht sich die AfD durch ihr Programm: Begrenzung der Mandatsperioden von Abgeordneten, Direktwahl des Bundespräsidenten, Volksentscheide wie in der Schweiz, Strafmündigkeit ab 12 Jahren . . . Anträge, die den Austritt aus der Nato fordern, gelangen hingegen gar nicht erst zur Abstimmung. Parteivize Alexander Gauland wirbt zwischenzeitlich für eine stärkere soziale Ausrichtung der Partei: „In Mannheim und Pforzheim, da sind wir gewählt worden von den Menschen, die am unteren Ende der gesellschaftlichen Pyramide stehen, jetzt müssen wir denen auch etwas bieten.“

Nebenher illustriert der Parteitag eine Verschiebung der Macht von der Bundesvorsitzenden Frauke Petry zu ihrem Co-Chef Meuthen, der für seine Rede am Samstag deutlich mehr Applaus erhalten hatte. Während Petry sich darauf beschränkte, die Presse zu beschimpfen, definierte er die inhaltliche Position der Partei zwischen Konservatismus, Freiheitlichkeit und Patriotismus. Petrys Stolpern, als sie einen Schuh verliert, ist fast sinnbildlich.

Meuthen zieht mehr als Petry

Wer lacht am besten? Die AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry, die stellvertretende Vorsitzende Beatrix von Storch und der Parteivorsitzende Jörg Meuthen unterhalten sich .
Wer lacht am besten? Die AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry, die stellvertretende Vorsitzende Beatrix von Storch und der Parteivorsitzende Jörg Meuthen unterhalten sich . © dpa | Marijan Murat

Die Berichterstattung der Presse, klagte Petry, sei geprägt durch „Verteufelungen und Dämonisierungen“ der AfD. Es bereite ihre „Schmerzen“, mit Journalisten zu sprechen, sagte sie und fügte eine Drohung hinzu: „Im Übrigen können sich Mehrheiten schnell ändern.“

Meuthen bezeichnete diese Äußerungen danach als „nicht hilfreich“. „Ich selbst halte es da anders und pflege einen entspannteren Umgang mit der Presse“, sagte Meuthen, der auch Landeschef in Baden-Württemberg ist, unserer Redaktion.

Meuthen äußerte sich gegenüber der Zeitung auch zu einer möglichen Bewerbung Petrys um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl im nächsten Jahr. Er vermute, dass sie antreten werde – was aus ihrer Funktion heraus „völlig legitim“ sei. Auch mit Blick auf die Ambitionen des Erfurter Landtagsfraktionschefs Björn Höcke sagte er: „Manchem wird offensichtlich Sachsen oder Thüringen zu klein.“

Für sich jedoch schloss Meuthen eine Spitzenkandidatur im Bund aus – zumindest „einstweilen“.