Washington. Die USA beschießen einen syrischen Stützpunkt in Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz. Außenminister Gabriel zeigt Verständnis.

US-Präsident Donald Trump hat als Vergeltung für den mutmaßlichen Giftgas-Angriff auf Zivilisten einen Luftstützpunkt des syrischen Diktators Baschar-al-Assad bombardieren lassen. Amerika schaltete sich damit erstmals aktiv in den seit über sechs Jahren andauernden Bürgerkrieg ein.

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    Wie das Verteidigungsministerium in Washington bestätigte, wurden am Donnerstagabend gegen 20.45 Uhr US-Ostküstenzeit (2.45 MESZ) 59 Tomahawk-Marschflugkörper (Cruise Missiles) von zwei im Mittelmeer kreuzenden US-Kriegsschiffen abgefeuert.

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    Ziel war die Luftwaffenbasis Schayrat nördlich von Damaskus. Dort wurden Flugzeuge, Tanklager, Ersatzteile und die Landebahn beschossen. Nach offiziellen syrischen Angaben sind mindestens fünf Menschen getötet worden. Der Gouverneur der Provinz Homs, Talal Barasi, sagte am Freitag dem regierungsnahen Kanal Al-Mayadeen, es habe zudem sieben Verletzte gegeben. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von vier getöteten syrischen Armeeangehörigen, darunter ein General.

    Botschaft an Assad: Nie wieder chemische Waffen

    Laut US-Regierung sollen von Schayrat aus jene Flugzeuge der syrischen Luftwaffe gestartet sein, die am Dienstag Bomben mit dem Nervengift Sarin über der Stadt Khan Scheichun abgeworfen haben sollen. Dabei kamen mindestens 86 Menschen ums Leben, darunter viele Kinder.

    Die von Trump persönlich angeordneten Militärschläge, die ersten seiner Präsidentschaft, sollten als Botschaft an Assad verstanden werden, nie wieder chemische Waffen einzusetzen, hieß es in Regierungskreisen.

    Trump holt nicht Zustimmung des Kongresses ein

    Die Luftwaffenbasis Schayrat in Homs war das Ziel der US-Raketen: Nach Angaben des Pentagon sollen von dort die Flugzeuge der syrischen Luftwaffe gestartet sein, die am Dienstag Bomben mit dem Nervengift Sarin über der Stadt Khan Scheichun abgeworfen haben sollen.
    Die Luftwaffenbasis Schayrat in Homs war das Ziel der US-Raketen: Nach Angaben des Pentagon sollen von dort die Flugzeuge der syrischen Luftwaffe gestartet sein, die am Dienstag Bomben mit dem Nervengift Sarin über der Stadt Khan Scheichun abgeworfen haben sollen. © DigitalGlobe | HANDOUT

    Trump holte vor dem Einsatzbefehl nicht die Zustimmung des Kongresses in Washington ein; ein Kontrast zum Vorgehen seines Vorgängers Barack Obama. Die russische Seite, die neben dem Iran Assads wichtigste Schutzmacht stellt, wurde laut Regierung vorab informiert, um Opferzahlen gering zu halten.

    Wie Regierungskreise bestätigten, wurden die Luftschläge kurz nach dem Staatsdinner durchgeführt, das Trump am Abend für Chinas Präsident Xi Jinping und dessen Frau Peng Liyuan in Trumps Privat-Domizil Mar-a-Largo in Florida gab.

    Trump: Luftschlag „grundlegend für nationale Sicherheit“

    Um 22 Uhr Ortszeit (4 Uhr MESZ) strahlten die US-TV-Sender eine dreiminütige Ansprache Trumps aus. Darin machte der amerikanische Präsident Assad direkt für den „langsamen und brutalen Tod unschuldiger Männer, Frauen und Kinder“ verantwortlich. „Sogar wunderschöne Babys wurden bei dieser barbarischen Attacke getötet“, sagte Trump und warf Assad vor, seine Verpflichtungen gebrochen und UN-Vorgaben missachtet zu haben, die ihm den Einsatz von Chemiewaffen verbieten.

    Für Amerika sei der Luftschlag „grundlegend für die nationale Sicherheit“ gewesen, sagte Trump. Es gehe darum, die Verbreitung tödlicher Chemiewaffen zu verhindern. Trump forderte alle „zivilisierten Nationen“ auf, das Blutvergießen in Syrien gemeinsam zu stoppen.

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    Assad-Regime nennt US-Luftschläge „Aggression“

    Nach Angaben von US-Außenminister Rex Tillerson gibt es „keinen Zweifel“, dass das Assad-Regime für die Tragödie von Khan Scheichun verantwortlich ist. Damaskus streitet die Vorwürfe ab und sprach nach den US-Luftschlägen von einer „Aggression“. Die syrische Opposition lobte den US-Angriff dagegen als „sehr wichtige Reaktion“.

    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat den Luftangriff verteidigt. „Es war kaum erträglich, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren“, erklärte Gabriel am Freitag am Rande seiner Mali-Reise in Bamako.

    Außenminister Gabriel nennt Angriff „nachvollziehbar“

    „Dass die Vereinigten Staaten jetzt mit einem Angriff gegen die militärischen Strukturen des Assad-Regimes reagiert haben, von denen dieses grausame Kriegsverbrechen ausging, ist nachvollziehbar“, so Gabriel weiter. Entscheidend sei jetzt aber, „zu gemeinsamen Friedensbemühungen unter dem Dach der UN zu kommen.“ Es müsse eine politische Lösung des Konflikts geben. „Nur ein neues und demokratisches Syrien wird dauerhaften Frieden bringen.“

    Russlands UN-Botschafter Wladimir Safronkow hatte kurz vor den ersten Bombeneinschlägen in New York vor einem US-Angriff gewarnt. Dies könne „negative Konsequenzen“ haben. Grund: Russlands Präsident Wladimir Putin hält die Urheberschaft des Giftgas-Angriffs nicht für erwiesen. Er fordert eine „sorgfältige unparteiische internationale Untersuchung“. Ob russische Kräfte, die sich zum Zeitpunkt des Angriffs auf der syrischen Luftwaffenbasis aufhielten, in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist bisher nicht bekannt.

    Putin: Luftangriffe verstoßen gegen Völkerrecht

    Der russische Präsident Wladimir Putin hat das US-Bombardement als Angriff auf die Souveränität Syriens verurteilt. „Präsident Putin hält die amerikanischen Angriffe für eine Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrecht, dazu noch mit einem erdachten Vorwand“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. Die syrische Armee habe keine Chemiewaffen mehr, das habe nach der Entwaffnung auch die zuständige UN-Organisation bestätigt. Zudem habe die Militäraktion die Verbindungen zwischen den USA und Russland ernsthaft beschädigt.

    Auch der Iran hat den US-Luftangriff auf einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien scharf verurteilt. „Diese militärischen Alleingänge sind gefährlich und schädlich“, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi am Freitag. In der derzeitigen Lage würden diese Operationen nur die Terroristen stärken, die Krise in Syrien noch weiter eskalieren lassen und Hoffnungen auf eine politische Lösung noch mehr erschweren, so der Sprecher laut Nachrichtenagentur ISNA.

    Israel und Türkei stellen sich hinter US-Angriff

    Israel hat den US-Luftangriff in Syrien begrüßt. „In Worten und Taten hat US-Präsident Trump eine starke und klare Botschaft ausgesandt, dass der Gebrauch chemischer Waffen nicht toleriert werden wird“, hieß es am Freitag in einer Mitteilung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Israel hoffe, „dass diese Botschaft der Entschlossenheit im Angesicht der schrecklichen Taten des Assad-Regimes nicht nur in Damaskus, sondern auch in Teheran, Pjöngjang und anderen Orten Widerhall finden wird“, hieß es in Netanjahus Mitteilung.

    Auch der türkische Präsident Erdogan hat den US-Angriff gelobt. „Wir betrachten die Luftangriffe der Vereinigten Staaten gegen die Schairat-Luftwaffenbasis an diesem Morgen als eine positive Antwort auf die Kriegsverbrechen des Assad-Regimes“, teilte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin am Freitag mit. „Die Zerstörung der Schairat-Luftwaffenbasis ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass chemische und konventionelle Angriffe gegen die Zivilbevölkerung nicht ungestraft bleiben.“ Erdogan ist einer der größten Widersacher Assads und fordert seit langem dessen Ablösung.

    Großbritannien und Frankreich unterstützen US-Luftschlag

    Die britische Regierung unterstützt den US-Angriff in Syrien. Das Vorgehen sei eine angemessene Antwort auf den „barbarischen Chemiewaffenangriff“ der syrischen Regierung, sagt ein Sprecher von Premierministerin Theresa May. Auch Saudi-Arabien stellt sich auf die Seite der USA. Das Außenministerium habe den USA die volle Unterstützung zugesichert, teilte die Regierung in Riad mit. Es sei eine „mutige Entscheidung“ Trumps.

    US-Militärschlag gegen syrische Armee

    Das US-Militär hat in der Nacht zu Freitag einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Armee angegriffen. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden 59 „Tomahawk“-Raketen von zwei Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer abgefeuert. Die USA begründeten ihr Vorgehen als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien, bei dem am Dienstag mindestens 70 Menschen getötet wurden.
    Das US-Militär hat in der Nacht zu Freitag einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Armee angegriffen. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden 59 „Tomahawk“-Raketen von zwei Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer abgefeuert. Die USA begründeten ihr Vorgehen als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien, bei dem am Dienstag mindestens 70 Menschen getötet wurden. © dpa | Robert S. Price
    Bei dem US-Angriff auf den Militärflugplatz in Syrien sind mehrere Menschen getötet worden. Es habe zudem Verletzte und großen materiellen Schaden gegeben, heißt es in einer Erklärung der Militärführung in Damaskus.
    Bei dem US-Angriff auf den Militärflugplatz in Syrien sind mehrere Menschen getötet worden. Es habe zudem Verletzte und großen materiellen Schaden gegeben, heißt es in einer Erklärung der Militärführung in Damaskus. © REUTERS | HANDOUT
    Trump sagte am späten Donnerstagabend (Ortszeit), er habe den Luftschlag angeordnet in einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen.
    Trump sagte am späten Donnerstagabend (Ortszeit), er habe den Luftschlag angeordnet in einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen. © dpa | Ford Williams
    Mit dem Giftgasangriff am Dienstag, bei dem zahlreiche Menschen getötet wurden, habe Syrien seine internationalen Verpflichtungen sowie UN-Resolutionen verletzt.
    Mit dem Giftgasangriff am Dienstag, bei dem zahlreiche Menschen getötet wurden, habe Syrien seine internationalen Verpflichtungen sowie UN-Resolutionen verletzt. © dpa | Ford Williams
    Die Satellitenaufnahme zeigt das al-Shayrat Flugfeld in Syrien. Der angegriffene Flugplatz in der Nähe des Ortes Al-Schairat ist nach staatlichen syrischen Angaben stark zerstört worden.
    Die Satellitenaufnahme zeigt das al-Shayrat Flugfeld in Syrien. Der angegriffene Flugplatz in der Nähe des Ortes Al-Schairat ist nach staatlichen syrischen Angaben stark zerstört worden. © dpa | ---
    Die „Tomahawk“ ist der bekannteste Marschflugkörper der USA. Die Waffe gibt es in verschiedenen Versionen mit Reichweiten bis zu 2.500 Kilometern. Sie sind auf Schiffen und U-Booten stationiert.
    Die „Tomahawk“ ist der bekannteste Marschflugkörper der USA. Die Waffe gibt es in verschiedenen Versionen mit Reichweiten bis zu 2.500 Kilometern. Sie sind auf Schiffen und U-Booten stationiert. © REUTERS | HANDOUT
    „Tomahawks“ wurden unter anderem im Golfkrieg 1991 und im Irakkrieg 2003 massiv eingesetzt.
    „Tomahawks“ wurden unter anderem im Golfkrieg 1991 und im Irakkrieg 2003 massiv eingesetzt. © dpa | Ford Williams
    Technische Daten und schematische Darstellung der Flugbahn eines Marschflugkörpers.
    Technische Daten und schematische Darstellung der Flugbahn eines Marschflugkörpers. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat den US-Luftangriff verteidigt. „Es war kaum erträglich, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren“, erklärte Gabriel am Freitag am Rande seiner Mali-Reise in Bamako.
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat den US-Luftangriff verteidigt. „Es war kaum erträglich, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren“, erklärte Gabriel am Freitag am Rande seiner Mali-Reise in Bamako. © dpa | Robert S. Price
    Entscheidend sei jetzt aber, „zu gemeinsamen Friedensbemühungen unter dem Dach der UN zu kommen“, sagte Gabriel weiter. Es müsse eine politische Lösung des Konflikts geben. „Nur ein neues und demokratisches Syrien wird dauerhaften Frieden bringen.
    Entscheidend sei jetzt aber, „zu gemeinsamen Friedensbemühungen unter dem Dach der UN zu kommen“, sagte Gabriel weiter. Es müsse eine politische Lösung des Konflikts geben. „Nur ein neues und demokratisches Syrien wird dauerhaften Frieden bringen. © dpa | Ford Williams
    Dieses Videostandbild des von der syrischen Regierung kontrollierten Fernsehsenders „Syrian official TV“ zeigt beschädigte und ausgebrannte Flugzeughangars auf dem syrischen Luftwaffenstützpunkt al-Shayrat südöstlich der Stadt Homs.
    Dieses Videostandbild des von der syrischen Regierung kontrollierten Fernsehsenders „Syrian official TV“ zeigt beschädigte und ausgebrannte Flugzeughangars auf dem syrischen Luftwaffenstützpunkt al-Shayrat südöstlich der Stadt Homs. © dpa | ---
    Auch auf diesem Bild ist die Zerstörung durch den Angriff zu sehen.
    Auch auf diesem Bild ist die Zerstörung durch den Angriff zu sehen. © REUTERS | REUTERS TV
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    Nach den Worten von Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault ist der Luftangriff eine Warnung an ein „kriminelles Regime“. Die Zukunft Syriens sei nicht mit dem Präsidenten Baschar al-Assad verbunden. Die Amerikaner starteten damit, ihre Position klarzustellen.

    Trumps Vorgehen ist scharfe Kehrtwende von früheren Aussagen

    Trumps Vorgehen in Syrien steht im krassen Gegensatz zu offiziellen Erklärungen, die nur wenige Tage alt sind. Außenminister Rex Tillerson hatte noch am Wochenende betont, die Zukunft Assads sei ausschließlich von den Syrern zu entscheiden, Amerika konzentriere sich auf die Bekämpfung des Terrornetzwerks „Islamischer Staat“.

    Nach der Veröffentlichung von Bildern des mutmaßlichen Giftgasangriffs änderte sich die Rhetorik der US-Regierung komplett. Trump sprach plötzlich von einer „Schande für die Menschheit“. Die Tragödie habe seine Haltung zu Assad und zum Syrienkrieg „stark verändert“. Mit Assad müsse „etwas geschehen“.

    Trump hatte Obama vor Militär-Einsatz in Syrien gewarnt

    Außenminister Tillerson ging noch einen Schritt weiter. Assad müsse im Zuge eines international politisch begleiteten Prozesses aus der Regierungsverantwortung gedrängt werden. Die ersten Schritte dazu seien bereits „auf den Weg gebracht“, erklärte Tillerson am Donnerstag (Ortszeit). Assad werde keine „Rolle“ mehr spielen bei der Führung des syrischen Volkes.

    Wie das Ziel erreicht werden soll, ließ die Regierung offen. Trump hatte noch 2013 seinen Vorgänger Obama vor einem Militär-Einsatz in Syrien gewarnt. Im Wahlkampf bekräftigte Trump mehrfach, dass er im Falle eines Sieges sicherstellen werde, dass die USA nicht mehr in Konflikte hineingezogen werden, die nicht unmittelbar die Unversehrtheit der Vereinigten Staaten betreffen. (mit dpa und rtr)

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