Paris. Der sozialistische Präsidentschaftskandidat Benoît Hamon hat wenig Chancen. Und die anderen haben schon mit Skandalen zu kämpfen.

Drei Monate vor der französischen Präsidentenwahl herrscht Unsicherheit über deren Ausgang. Das Bewerberfeld wird jedoch deutlich. Frankreich steht am Scheideweg. Es geht um die Frage: Welcher Politiker kann Marine Le Pen als Präsidentin verhindern? In den vergangenen Jahren ist der Front National immer stärker geworden, bei der Wahl im Frühling hat die rechte Partei nun zum ersten Mal die realistische Chance auf einen Sieg.

Die Vorwahlen der Sozialisten (PS) waren am Sonntag ein Wettstreit um die Krone des künftigen Verlierers: Der frühere Bildungsminister Benoît Hamon hat zwar mit beinahe 60 Prozent der Stimmen einen deutlichen Sieg errungen. Noch vor zehn Tagen konnte sich selbst in der PS-Zentrale kaum jemand vorstellen, dass der „Utopist“ Hamon den ursprünglich hoch favorisierten „Realo“ Manuel Valls aus dem Rennen werfen würde.

Hamon schlägt viel Spott entgegen

Von vornherein ist es bei diesen Vorwahlen aber nicht um die Frage gegangen, ob nun Hamon oder Ex-Regierungschef Valls die besseren Aussichten im Kampf um den Elysée-Palast haben. Kein Repräsentant der abgewirtschafteten Noch-Regierungspartei darf hoffen, bei den französischen Präsidentenwahlen im Frühjahr mehr als einen Blumentopf zu gewinnen. Es sei denn man hofft, dass sich die Demoskopen ähnlich wie beim britischen Brexit-Referendum oder der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten irren.

Der Utopist Hamon wird von Parteigegnern wegen seiner Vergangenheit in der radikalen PS-Jugendorganisation MJS als „Plakatkleber“ verspottet. Als einer der „Frondeurs“ (Aufrührer) liefert er sich seit drei Jahren einen erbitterten Kampf gegen Noch-Präsident François Hollande und dessen sozialdemokratischen Kurs.

Geheimfavorit Macron ist in eine Finanzaffäre verwickelt

Valls hat den Unterschied zwischen seinem „glaubwürdigen und verantwortlichen“ Reformprogramm sowie den „unrealistischen und nicht finanzierbaren“ Versprechen Hamons hervorgehoben, zu denen die Einführung der 32-Stunden-Woche und eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle in Höhe von 750 Euro gehören. „Heute Abend erhebt die Linke wieder das Haupt“, sagte Hamon nach seinem Sieg.

Der Partei zuliebe präsentieren sich Manuel Valls (links) Benoît Hamon als Partner.
Der Partei zuliebe präsentieren sich Manuel Valls (links) Benoît Hamon als Partner. © REUTERS | PHILIPPE WOJAZER

Auch wenn sich Hamon und Valls der Partei zuliebe gegenseitige Unterstützung im Präsidentschaftswahlkampf versprochen haben, drohen der PS eine Spaltung oder zumindest eine beträchtliche Auszehrung. So haben zahlreiche Parteimitglieder, ja sogar mehrere Minister durchblicken lassen, dass sie sich im Falle eines Sieges von Hamon dem parteilosen Präsidentschaftsbewerber Emmanuel Macron anschließen könnten.

Es geht um Zusammenhalt in der Partei

Den sozialliberalen Vorstellungen von Hollandes früherem Wirtschaftsminister fühlen sich viele ungleich näher als den sozialistischen Visionen Hamons. Hamons Aufmerksamkeit wird zwangsläufig erst einmal der Herkulesaufgabe gelten, seinen Laden halbwegs zusammenzuhalten.

Der ohnehin verloren scheinende Präsidentschaftswahlkampf kommt da erst an zweiter Stelle. Zumal die Erneuerung, die Macron verspricht, einen großen Teil der Linkswähler offenbar ungleich attraktiver erscheint als der Abmarsch in die ganz linke Ecke, der Hamon vorschwebt. In den Umfragen jedenfalls liegt Macron ellenweit vor dem sozialistischen Spitzenkandidaten.

Auch der konservative Kandidat Fillon befindet sich im Sinkflug

Doch das könnte sich nun ändern – denn der Gründer der Bewegung „En marche!“ (Auf geht’s!) hat seit letzter Woche mit seiner ersten Herausforderung im Präsidentschaftsrennen zu kämpfen. So deckten zwei renommierte Journalisten in einem vorige Woche erschienenen Buch auf, dass Macron vor seinem Rücktritt als Wirtschaftsminister im vergangenen August bereits 80 Prozent seines jährlichen Repräsentationsbudgets ausgegeben hatte. Angeblich soll ein Teil der „En marche!“ zugeflossen sein. Mit seinem Programm, einer Mischung aus linken und rechten Positionen, galt Macron bis zuletzt als Geheimfavorit abseits des Parteien-Establishments.

Auch François Fillon, seines Zeichens Kandidat der Konservativen und zuletzt haushoher Favorit in den Umfragen, schwimmen seit letzter Woche die Felle davon. Eine Pariser Wochenzeitschrift hatte enthüllt, dass Fillon seine Ehefrau Penelope acht Jahre lang als parlamentarische Assistentin beschäftigte. Es besteht der Verdacht der Scheintätigkeit.

Die Konsequenz: Fillons Umfragewerte treten den Sinkflug an, denn die Enttäuschung ist groß über die sich als Seifenblase entpuppende Ausnahme des einzig integren Gentleman Fillon, von dem sich so viele Franzosen energische Reformen und eine moralische Wende versprachen.

Marine Le Pens Front National muss der EU 300 000 Euro zurückzahlen

Normalerweise wären Fillons und Macrons Nöte wohl ein Geschenk des Himmels für die Rechtsextremistin Marine Le Pen – also der Frau, deren Kür zur ersten französischen Präsidentin womöglich erst im zweiten Wahlgang zu stoppen sein wird. Doch auch Le Pen, die für Frankreichs Souveränität von der EU und Nato wirbt, ist in eine höchst peinliche Affäre verwickelt.

Die EU hatte Le Pen ultimativ dazu aufgefordert, noch in den nächsten Tagen 300.000 Euro zurückzuzahlen, die von 2010 bis 2016 als Gehalt für eine ihrer Mitarbeiterinnen im Europaparlament gezahlt wurden. Ganz offenbar arbeitete die Assistentin in Wirklichkeit ausschließlich für die Parteizentrale des Front National in Paris.

Innerhalb von 72 Stunden sind somit gleich alle drei die Umfragen anführenden Präsidentschaftsbewerber ins Zwielicht geraten. Besteht also für Benoît Hamon doch noch Hoffnung? Kurz nach der Wahl hatte der ein Bündnis mit dem Kandidat der Grünen, Yannick Jadot, und Jean-Luc Mélenchon der eigens gegründeten „La France insoumise“ (Widerspenstiges Frankreich) ins Gespräch gebracht. Letzterer freute sich zwar über die programmatische Annäherung der PS an seine Bewegung, hatte aber in der Vergangenheit ähnlichen Gedankenspielen wiederholt eine Absage erteilt.

Mélenchon trat immer wieder aggressiv auf

Mélenchon, der in seinem Programm unter anderem einen Mindestlohn von 1300 Euro netto und den Übergang zu erneuerbaren Energien fordert, ist bis jetzt auch noch ohne größeren Skandal in diesem Wahlkampf. In Vergangenheit trat Mélenchon jedoch immer wieder als aggressiver Redner auf – und als scharfer Kritiker Deutschlands. 2014 machte er mit dem Twitter-Beitrag „Maul halten, Frau Merkel! Frankreich ist frei“ nachhaltig auf sich aufmerksam.

Innerhalb von 72 Stunden sind somit gleich alle drei die Umfragen anführenden Präsidentschaftsbewerber ins Zwielicht geraten. Besteht also für Benoît Hamon doch noch Hoffnung? Kurz nach der Wahl hatte der ein Bündnis mit dem Kandidat der Grünen, Yannick Jadot, und Jean-Luc Mélenchon der „La France insoumise“ (Widerspenstiges Frankreich) ins Gespräch gebracht. Letzterer freute sich zwar über die programmatische Annäherung der PS an seiner Partei, hatte aber in der Vergangenheit ähnlichen Gedankenspielen wiederholt eine Absage erteilt.

Mélenchon, der in seinem Programm unter anderem einen Mindestlohn von 1300 Euro netto und den Übergang zu erneuerbaren Energien fordert, ist bis jetzt auch noch ohne größeren Skandal in diesem Wahlkampf. In Vergangenheit trat Mélenchon jedoch immer wieder als aggressiver Redner auf – und als scharfer Kritiker Deutschlands. 2014 machte er mit dem Twitter-Beitrag „Maul halten, Frau Merkel! Frankreich ist frei.“ nachhaltig auf sich aufmerksam. Zurzeit liegt er mit zehn Prozent fünf Punkte hinter Benoît Hamon.