Moskau. Prorussische Separatisten versuchen, die ukrainischen Positionen zu stürmen. Poroschenko und Merkel sprechen über den Friedensvertrag.

Vor einer der ukrainischen Stellungen im Industriegebiet von Awdejewka hat ein Soldat mit Humor ein Schild aufgehängt: „Tagesordnung: Mittagspause von 13 bis 15 Uhr. Empfang von Journalisten und Kontrollpersonen bis 16 Uhr. Ab 16 Uhr Beschuss.“

Der Krieg setzt diese Ordnung seit Tagen außer Kraft. Geschossen wird jetzt rund um die Uhr. Gestern Morgen meldeten die Ukrainer zwei Tote, am Vortag waren es fünf Gefallene. Zwei 30-köpfige Stoßtrupps des Feindes, der prorussischen Separatisten der sogenannten Donezker Volksrepublik (kurz DNR), hätten am Wochenende versucht, die ukrainischen Positionen zu stürmen. Der Angriff sei abgewehrt worden. Im Gegenstoß habe man einen gegnerischen Vorposten erobert, seitdem feuere der Feind erbittert aus Panzern und Geschützen.

Treffen zwischen Poroschenko und Kanzlerin Merkel

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko traf sich am Montag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, um die Erfolgsaussichten des im Februar 2015 ausgehandelten Minsker Friedensprozesses zu besprechen. Währenddessen gerät der Minsker Waffenstillstand immer mehr ins Rutschen. Ende der vergangenen Woche wurden bei Donezk und Mariupol zum ersten Mal seit Monaten wieder Grat-Raketensalvenwerfer eingesetzt, die als die verheerendsten Waffen im Donbass-Krieg gelten.

Die russische Internetzeitung „gazeta.ru“ titelte unlängst: „Die Ukraine kriecht ins Donbass.“ Die Regierungstruppen nutzten eine neue Taktik nächtlicher „Froschsprünge“, mit denen kleine Einheiten 200 bis 500 Meter Gelände gewännen. So sollen die Ukrainer sich bis auf 1,6 Kilometer an Debalzewe herangearbeitet haben.

Ukraine geht militärisch in die Offensive

Expräsident Leonid Kutschma, der die ukrainische Delegation in der Minsker Kontaktgruppe leitet, erklärte bereits im September, die einzige Demarkationslinie, auf die sich alle Seiten geeinigt hätten, sei im ersten Minsker Abkommen am 19. September 2014 fixiert worden. Die 1500 Quadratkilometer, die die Rebellen danach erobert hätten, gehörten wieder unter ukrainische Kontrolle.

Oder wie es der Kiewer Politologe Wadim Karasjew formuliert: „Die Ukraine geht militärisch in die Offensive, weil sie die Minsker Vereinbarungen komplett erfüllen will. Dazu gehört die Wiederherstellung der Frontlinie vom September 2014, als Debalzewe und Dokutschajewsk unter ukrainischer Kon­trolle waren.“