Kairo. Ein Boot mit Hunderten Migranten an Bord kentert vor der ägyptischen Küste. Von Tag zu Tag ziehen die Helfer immer mehr Ertrunkene aus dem Wasser. Wird Ägypten zu einem neuen Hotspot in der Flüchtlingskrise? EU-Parlamentspräsident Schulz schlägt ein Abkommen mit Ägypten vor.

Mindestens 162 Menschen sind beim Untergang eines voll besetzten Flüchtlingsbootes vor der ägyptischen Küste ums Leben gekommen. Das teilte der Gouverneur der ägyptischen Provinz Beheira, Mohamed Sultan, mit. 164 Menschen seien gerettet worden.

Das Boot war am Mittwoch nahe der Stadt Alexandria gekentert. Über die Zahl der Passagiere gab es widersprüchliche Angaben. Die staatliche Nachrichtenagentur Mena berichtete von etwa 600. Andere Medien sprachen von 300 bis 400 Menschen an Bord. Außer Ägyptern, seien das Syrer, Sudanesen, Somalier und Eritreer gewesen, berichtete die Zeitung "Al-Shourouk".

Helfer hätten am Freitag Dutzende weitere Leichen geborgen, berichtete das ägyptische Staatsfernsehen unter Berufung auf Behördenangaben. Viele Schiffbrüchige würden noch vermisst. Die Rettungsaktion im Mittelmeer dauert an.

Der Überlebende Ahmed Darwisch sagte der privaten Zeitung "Al-Masry al-Youm": "Das Boot kippte über und sank, kurz nachdem wir losgefahren waren". Der 25 Jahre alte Ägypter, der nach neun Stunden aus dem Wasser gerettet worden war, gab schwierige Lebensumstände und die schlechte Situation auf dem Arbeitsmarkt als Grund für die gefährliche Reise an.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz plädierte für ein Flüchtlingsabkommen mit Ägypten, das so ähnlich aussehen könnte wie der EU-Deal mit der Türkei. "Diesen Weg müssen wir einschlagen", sagte Schulz der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag). Der Schutz der Flüchtlinge und die Bekämpfung des Schlepperwesens müssten im Vordergrund stehen.

Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner warnte die EU angesichts der schlechten Menschenrechtssituation in Ägypten davor, Milliarden an die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi zu überweisen. Das Militär sei in Ägypten tonangebend und entscheide, wohin das Geld fließe. "Es kann nicht im europäischen Interesse sein, dass unsere Hilfsgelder im ägyptischen Militärapparat versickern", sagte Brantner, die im Bundestag den Unterausschuss für Zivile Krisenprävention leitet.

Bei der Fahrt über das Mittelmeer Richtung Europa sterben immer wieder Flüchtlinge, weil die Boote überfüllt und schrottreif sind. Die meisten Migranten, überwiegend Afrikaner, starten die Überfahrt vom Bürgerkriegsland Libyen aus.

Doch Ägypten entwickelt sich nach Angaben der europäischen Grenzschutzagentur Frontex zu einem immer wichtigeren Startpunkt für Schlepperboote nach Europa. Die Odyssee, oft mit alten Fischkuttern, von dort sei besonders gefährlich und dauere oft länger als zehn Tage. Als Fluchtgründe werden vor allem Konflikte im Heimatland und eine hohe Arbeitslosenquote gesehen.

In diesem Jahr kamen der internationalen Organisation für Migration zufolge bereits mehr als 300 000 Bootsflüchtlinge in Italien oder Griechenland an. Mehr als 3000 seien auf der sogenannten mittleren und östlichen Mittelmeerroute ums Leben gekommen.