Paris. Der Franzose Emmanuel Macron scheint sich auf die Präsidentenwahl zu konzentrieren. Als Minister steht er nicht mehr zur Verfügung.

Verlassen die Ratten das sinkende Schiff Hollande? Acht Monate vor den französischen Präsidentschaftswahlen, bei denen das Staatsoberhaupt laut Umfragen so gut wie keine Chancen auf einen Sieg hat, ist Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron zurückgetreten. Damit verliert die Pariser Regierung nicht nur ihren populärsten Minister, sondern auch einen Querdenker, der immer wieder für beträchtlichen Wirbel zu sorgen wusste.

Als François Hollande vor zwei Jahren den damals erst 36-Jährigen zum Nachfolger des von ihm gefeuerten, ebenso aufsässigen wie euroskeptischen und germanophoben Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg ernannte, war sein Name kaum jemandem bekannt.

Vom Nobody zum Politik-Star

Doch innerhalb weniger Monate verstand es das junge Regierungsmitglied, sich zu einem regelrechten Politik-Star zu mausern. Smart, unkonventionell im Auftritt und gut aussehend machte er vor allem mit der Unerschrockenheit Schlagzeilen, mit der er regelmäßig linke Errungenschaften wie die 35-Stunden-Woche, den Status der Beamten, die Rente ab 62 oder die Reichensteuer in Frage stellte.

Macron, der sich selber als linksliberal einordnet, ist kein Mitglied der Sozialistischen Partei (PS). Umso mehr fiel sein kometenhafter Aufstieg aus dem Rahmen. Aber aus dem Rahmen fällt auch sein Werdegang.

Macron ist Philosoph, Beamter und Investmentbanker

Nach einem Studium der Philosophie absolvierte der Arztsohn auch noch erfolgreich die Verwaltungs-Elitehochschule ENA und arbeitete im Wirtschaftsministerium, bevor er als Investmentbanker reich wurde. Erst Hollande, dem der talentierte Überflieger ins Auge stach, holte ihn nach seinem Wahlsieg 2012 als persönlichen Berater in die Politik.

Den Franzosen jedenfalls gefiel das unerschütterliche Selbstvertrauen Macrons ebenso wie seine respektlose Behandlung sensibler Themen, mit der er das linke Lager in helle Aufregung versetzte. Obwohl Hollande und Regierungschef Manuel Valls versuchten, ihn an der kurzen Leine zu halten, erwarb sich der Minister rasch den Ruf eines unerschrockenen Reformers.

Sein Handeln provozierte Diskussionen

Und da er zudem schon bald ungleich beliebter wurde als seine beiden Vorgesetzten, begann die Presse bereits zu Beginn des Jahres über Macrons Ambitionen auf das höchste Amt im Staat zu spekulieren.

Spekulationen, die für viele zur Gewissheit wurden, als der forsche Wirtschaftsminister Anfang April seine eigene Partei mit dem bezeichnenden Namen „En marche“ (In Bewegung) gründete. Obwohl Macron standhaft die Bestätigung verweigerte, dass er an eine eigene Präsidentschaftskandidatur denke, war damit nicht nur für die Illustrierte „Paris-Match“ klar, wohin die Fahrt geht. „Brigitte und Emmanuel Macron – zusammen auf dem Weg zur Macht“, verkündete das Blatt umgehend auf seiner Titelseite, die ein Hochglanzfoto des Ministers und seiner 20 Jahre älteren Frau zierte.

Noch ist Kandidatur Macrons offen

Die politischen Spielregeln in Frankreich verbieten es einem Regierungsmitglied, als Präsidentschaftskandidat gegen den Amtsinhaber anzutreten. Diese Hypothek hat Macron mit seinem Rücktritt nun zwar behoben. Aber ob er in den kommenden Tagen oder Wochen tatsächlich seinen Hut in den Ring werfen wird, scheint noch nicht ausgemacht.

Zwar bestätigte eine Umfrage, dass 38 Prozent der Franzosen der Meinung sind, dass er einen guten Staatschef abgeben würde (während nur 11 Prozent Hollande für einen guten Präsidenten halten), doch vor einem parteilosen politischen Seiteneinsteiger, der sich noch nie einer Wahl gestellt hat, würden sich bei einer Präsidentschaftskandidatur gewaltige organisatorische und finanzielle Hindernisse auftürmen.

Macron könnte profitieren, wenn Hollande nicht mehr antritt

„Gegen Hollande wird er niemals antreten, ebenso wenig übrigens wie Manuel Valls“, äußerte am Dienstag ein Vertrauter des Staatschefs. Eine Meinung, die von einer ganzen Reihe Pariser Beobachter geteilt wird, die um die persönliche Nähe des Ex-Ministers und seines politischen Mentors Hollande wissen.

Doch was, wenn der amtierende Präsident am Ende auf die Bewerbung um ein zweites Mandat verzichtet? Schließlich lässt Hollande bisher offen, ob er eine Wiederwahl anstrebt. Offiziell will er seine Entscheidung erst im Dezember publik machen.

Reichte Macron Rücktritt in Absprache mit Hollande ein?

In der Tat steht die Frage im Raum, wie leidensfähig der beispiellos unpopuläre Staatschef ist. Würden die Wahlen heute und nicht in acht Monaten stattfinden, käme der Präsident nicht einmal in den Stichwahlgang. Und die Zweifel mehren sich, dass Hollande bereit wäre, sehenden Auges in ein solch demütigendes Debakel zu steuern. Ein Verzicht des Präsidenten aber würde die Karten im linken Lager völlig neu mischen. So gilt für diesen Fall auch eine Kandidatur von Premier Valls für die im Januar geplanten Vorwahlen der Sozialistischen Partei als sicher, bei der bislang nur Montebourg und Ex-Erziehungsminister Benoit Hanon gegen Hollande antreten wollen.

Macron jedoch wird an diesen Vorwahlen als Nicht-Parteimitglied unter gar keinen Umständen teilnehmen können. Umgekehrt gilt, dass er an keine Parteidisziplin gebunden ist. Gut möglich außerdem, dass er seinen Rücktritt nicht im Streit sondern in Absprache mit Hollande einreichte. Ganz Paris fragt sich daher, ob er die Entscheidung seines Mentors schon kennt. Und ob der Umfrageliebling sich anschickt, in die Wahlkampfarena zu klettern. Fest steht allein, dass er seine neue Freiheit nutzen will, um schon in den kommenden Tagen ein Buch mit dem Titel „En marche vers l’Elysée“ (Auf den Weg in den Elysée-Palast) vorzustellen. Sehr viel deutlicher kann ein Wink mit dem Zaunpfahl eigentlich nicht ausfallen.