Athen/Berlin. Die Griechenland-Krise kehrt zurück. Schon in vier Wochen könnte dem Land wieder Geld ausgehen. Muss jetzt wieder die EU einspringen?

Hinter vorgehaltener Hand warnen Fachleute schon lange: Die Griechenlandkrise kehrt zurück. Die Verhandlungen zwischen Athen und den Gläubigern über ein neues Sparpaket sind am Nullpunkt. Die griechische Regierung macht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und den Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Schwierigkeiten verantwortlich und fordert einen Sondergipfel der Euro-Regierungschefs. Sollten die Gespräche nicht schnell abgeschlossen werden, könnte Athen schon in vier Wochen das Geld ausgehen. Damit stellt sich die Frage: Muss die EU bald zusätzliches Kapital nach Athen überweisen, um dem Land aus der Patsche zu helfen?

Eigentlich wollten die Finanzminister der Euro-Staaten am gestrigen Donnerstag zusammenkommen, um das Verhandlungsergebnis mit Griechenland abzusegnen und grünes Licht für die Auszahlung einer weiteren Kreditrate zu geben. Aber das Treffen fand nicht statt.

Streit um zweites Kürzungsprogramm

Während Griechenland und die Vertreter der Geldgeber nach wochenlangem Ringen bereits weitgehende Einigung über ein Sparpaket im Volumen von 5,4 Milliarden Euro erzielt hatten, gibt es jetzt Streit um ein zweites Kürzungsprogramm von rund 3,6 Milliarden Euro. Vor allem der IWF macht sich dafür stark. Dieses Programm soll auf Vorrat beschlossen werden. Es soll in Kraft treten, wenn Griechenland die gesetzten Haushaltsziele in den kommenden Jahren verfehlt. Griechenland hatte im vergangenen Sommer von den internationalen Geldgebern ein Rettungspaket über 86 Milliarden Euro erhalten. Im Gegenzug hatte sich die Regierung zu schmerzhaften Einschnitten wie Rentenkürzungen und Steuererhöhungen verpflichtet.

Athen sträubt sich nun gegen das zweite Kürzungspaket. Premierminister Alexis Tsipras könnte Probleme bekommen, eine weitere Sparrunde durchs Parlament zu bringen. Schon die bevorstehende Abstimmung über das erste Maßnahmenbündel, das Steuererhöhungen und Rentenkürzungen vorsieht, dürfte eine Zitterpartie werden.

Alternative zu Rentenkürzungen

Statt des geforderten zweiten Notfallpakets schlägt die griechische Regierung einen „fiskalischen Stabilitätsmechanismus“ vor. Der soll in Kraft treten, sobald der Haushalt aus dem Ruder läuft. In diesem Fall sollen die Staatsausgaben automatisch um zehn Prozent gekürzt werden. Eine solche Regelung wäre politisch im Parlament leichter durchsetzbar, weil sie zunächst keine konkreten Einschnitte wie weitere Rentenkürzungen enthält. Die Gläubigervertreter wiesen den griechischen Vorschlag aber zurück.

Muss jetzt die EU wieder Feuerwehr spielen? In Brüssel wächst der Widerstand gegen neue Leistungen an Athen. So warnte der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, davor, Griechenland in der Schuldenkrise zu weit entgegenzukommen. Premier Tsipras versuche, sich „wieder um notwendige Reformen zu drücken“, sagte Weber dieser Zeitung. „Der Zocker, den wir aus dem vergangenen Sommer kennen, ist zurück.“ Ein Schuldenschnitt für Griechenland sei „jetzt absolut nicht denkbar“, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende. „Dies würde einen Freibrief dafür bedeuten, dass die griechische Regierung ihre Reformbemühungen ad acta legen könnte.“

Die Zeit wird jedenfalls knapp. Premier Tsipras beantragte telefonisch bei EU-Ratspräsident Donald Tusk einen Sondergipfel der Euro-Regierungschefs, um einen Ausweg zu finden. Griechenland bestehe darauf, dass die Bedingungen des im Sommer vereinbarten Hilfspakets respektiert würden, hieß es in der Umgebung des Premiers. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass Tsipras’ Wunsch erfüllt wird.

In Athen wird wieder über Neuwahlen spekuliert

Die griechische Regierung braucht eine schnelle Einigung. Erst wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind, kann die nächste Rate der Hilfskredite ausgezahlt werden. Der Staat braucht jeden Monat rund 1,5 Milliarden Euro, um Gehälter und Renten auszahlen zu können. Aber die Kassen sind leer. Die flüssigen Mittel reichen nur noch bis Ende Mai, schätzen Insider. Ohne neue Finanzinfusionen droht Griechenland bald auch ein Zahlungsausfall gegenüber den ausländischen Gläubigern: Im Juli muss der Finanzminister für Zinsen und Tilgung fälliger Anleihen fast 3,67 Milliarden Euro aufbringen.

Angesichts der Notlage wird nun in Athen spekuliert, Tsipras könnte einen Befreiungsschlag versuchen und Neuwahlen herbeiführen, wie er es bereits im vergangenen September tat. Diesmal kann sich der Premier aber nicht sicher sein, ein solches politisches Pokerspiel zu gewinnen: In allen Umfragen liegt seit Wochen die konservative Opposition bei der Sonntagsfrage deutlich vorn.

Während in Athen und Brüssel hinter den Kulissen weiter um eine Lösung gerungen wird, meldete sich am Donnerstag der frühere griechische Finanzminister Gikas Hardouvelis mit einer Warnung zu Wort: Die Gefahr eines Grexits, eines Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone, sei „heute leider viel größer als im vergangenen Juni“, sagte Hardouvelis im Rundfunksender „Skai“.