Berlin. Frauen bekommen mehr Kinder. Doch noch ist der Rückstand nicht aufgeholt: Deutschland steht im europäischen Vergleich nicht gut da.

Der Trend zur Kinderlosigkeit in Deutschland ist gestoppt, freuen sich die Statistiker. Heißt übersetzt: Mehr Menschen in diesem Land entscheiden sich wieder dafür, Nachwuchs zu bekommen. Das ist eine schöne Nachricht für eine schon jetzt überalterte Gesellschaft.

Vor allem bei beruflich gut ausgebildeten Frauen nimmt die Kinderlosigkeit ab. Das ist überraschend, galt doch in Deutschland lange die Faustformel: Je höher die Bildung, desto weniger Nachwuchs. Wer viel Zeit und Geld in seine Ausbildung, in Schule und Studium gesteckt habe, der wolle dann Karriere machen, nicht Mutter oder Hausfrau sein, hieß es. Heute schieben zwar viele Akademikerinnen ihren Babywunsch lange vor sich her, setzen ihn dann aber ab Mitte dreißig doch noch um.

Gut so. Dass Kinder nun offenbar nicht mehr per se als Karrierehemmnis gelten, macht Mut und ist auch ein Erfolg einer Familienpolitik, die vor allem auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zielt. Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz und der damit verbundene Ausbau an Betreuungsplätzen war der richtige Schritt. Der einklagbare Anspruch auf einen Ganztagsschulplatz muss in der nächsten Legislatur zwingend folgen.

Die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz wäre nötig

Denn auch wenn der neueste Mi­krozensus eine Trendwende zeigt, steht Deutschland im europäischen Vergleich nach wie vor nicht gut da. Frankreich und die skandinavischen Länder zeigen, dass konsequente Maßnahmen zur Frauenförderung im Berufsleben und zur Gleichstellung dazu beitragen, dass Frauen und Männer ihren Kinderwunsch auch tatsächlich realisieren.

Auch eine kinderfreundlichere Gesellschaft fördert die Geburtenrate. Die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz, also etwa das Recht auf Bildung und Beteiligung, der Schutz vor Gewalt, wäre ein starkes Signal. Es würde die Verantwortung des Staats unterstreichen, sich stärker am Kindeswohl zu orientieren. Ganz konkret etwa bei der Planung von Wohnvierteln oder der Ausgestaltung von Lehrplänen. Wenn Erwachsene – ob Kanzler, Bürgermeister oder Eltern – eine Entscheidung fällen, die Kinder betreffen, müssten diese ihrem Alter und ihrer Reife entsprechend angehört werden.

Lediglich durch die Zuwanderung in der Statistik gedämpft

Kinder wären dann keine reine Privatangelegenheit mehr; ein Signal für eine Gesellschaft, die ihre Kinder als Bereicherung empfindet. Und zwar Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten. Denn die Statistik zeigt auch, dass die Kinderlosigkeit der weniger gut ausgebildeten Frauen in Deutschland nicht gestoppt und lediglich durch die Zuwanderung in der Statistik gedämpft wird.

Diese Frauen muss die Politik jetzt erreichen. Hier sind Betreuungsangebote, besonders auch für ältere Schulkinder, und eine finanzielle Entlastung der Haushalte oft Voraussetzung dafür, dass Frauen überhaupt Mütter werden können, ohne auf staatliche Transferzahlungen angewiesen zu sein.

Gesetzlich garantiertes Rückkehrrecht von einem Teilzeitjob wichtig

Auch die Arbeitgeber sind hier in der Pflicht. Gerade Frauen in nichtakademischen Berufen, etwa im Einzelhandel als Verkäuferin oder in der Pflege, brauchen dringend das gesetzlich garantierte Rückkehrrecht von einem Teilzeitjob zurück in eine volle Stelle. Wenn Mütter für eine gewisse Zeit der Betreuung ihrer meist noch kleinen Kinder mehr Raum geben wollen oder müssen und damit grundsätzlich ihren beruflichen Aufstieg verwirken – dann läuft was gründlich falsch.

Das Gesetz konnte in dieser Legislatur wegen grundsätzlicher Bedenken in der Union nicht verabschiedet werden. Die Wirtschaft erhob ebenfalls Einspruch. Ein neuer Anlauf nach der Bundestagswahl tut not.