Kardinal Meisner ist tot – Er war streitbar bis zum Schluss
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Von Walter Bau
Berlin. Er war ein unbequemer Kardinal und sah sich als Bollwerk gegen den Verfall des Glaubens. Nun ist Joachim Meisner tot. Ein Nachruf.
Der frühere Erzbischof von Köln ist am Mittwoch während seines Urlaubs in Bayern gestorben.
Der 83-Jährige galt als einer der umstrittensten deutschen Kirchenführer der vergangenen Jahrzehnte.
Viele kritisierten ihn für seine harte Linie – andere feierten ihn als Bewahrer des Glaubens.
In den letzten Wochen hatte Joachim Meisner noch einmal für Schlagzeilen gesorgt. Gemeinsam mit drei Kardinalskollegen verfasste er einen Brief an Papst Franziskus. Das Quartett forderte eine Klarstellung des Pontifex über den Umgang der Kirche mit wieder verheirateten Geschiedenen – ein heikles Thema bei den Katholiken.
Das Schreiben, das an die Öffentlichkeit gelangte, wurde von vielen als Ungehörigkeit, ja als Respektlosigkeit gegenüber dem Papst empfunden. Doch um solche Anwürfe hatte sich Kardinal Joachim Meisner, der am Mittwoch im Alter von 83 Jahren gestorben ist, nie gekümmert. Er ging keiner Konfrontation aus dem Weg.
„Katholiban“ und „Krawall-Kardinal“
Gut drei Jahre nach Meisners Abschied als Erzbischof von Köln – da war er noch einmal, der „Gotteskrieger vom Rhein“, der „Katholiban“ und „Krawall-Kardinal“. Das ist nur eine kleine Auswahl der Beinamen, auf den die Medien den polarisierenden Oberhirten tauften. Meisner trug sie wie Orden. Kein deutscher Bischof war gleichzeitig so streitlustig und so umstritten wie Meisner. 25 Jahre lang regierte er mit harter Hand Deutschlands größtes, einflussreichstes und mit jährlichen Kirchensteuereinnahmen von mehr als 750 Millionen Euro auch finanzstärkstes Bistum.
Er versetzte missliebige Pfarrer und boykottierte die katholische Herder-Buchhandlung, weil dort auch kirchenkritische Autoren lesen durften. Unfähig zum Kompromiss und sturköpfig in seiner Haltung verschreckte der „Fundamentalist“ („Spiegel“) mit seiner unnachgiebigen – und in den Augen vieler: unbarmherzigen – Haltung bei Themen wie dem Umgang mit Homosexualität oder der „Pille danach“ die Gläubigen in Scharen. Vielen Katholiken, nicht nur rund um den Kölner Dom, blieb der Kardinal auch nach einem Vierteljahrhundert im Amt ein Fremdkörper. Meisner und Köln – das hatte nie gepasst.
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Johannes Paul II. schickte ihn nach Köln
Joachim Meisner, zuvor seit 1980 Bischof von Berlin, wurde 1989 von Papst Johannes Paul II. auf den Chefposten am Rhein versetzt – gegen den erklärten Willen des Kölner Domkapitels. Und schon bald stellte sich heraus, dass die Skepsis berechtigt war. Der knorrige Asket Meisner wollte so gar nicht zum lebensfrohen, liberalen rheinischen und speziell zum kölschen Katholizismus passen.
Meisner dachte nicht daran, sich seiner neuen Umgebung anzupassen, stattdessen förderte er obskure rechtskatholische Gruppen. Und auch die Gläubigen in Köln blieben auf Distanz. Die Auswirkungen sind auch an der Statistik abzulesen: Seit Meisners Amtsantritt traten im Erzbistum Köln rund 300.000 Gläubige aus der katholischen Kirche aus – mehr als in jeder anderen deutschen Diözese.
Er wollte keine Wohlfühl-Religion
Doch Joachim Meisner hatte auch viele Anhänger. Für sie war er der Bewahrer der Tradition gegen die Beliebigkeit einer immer glaubensferneren Gesellschaft. Ihm war der Glaube die Richtschnur des Lebens und er litt darunter, dass der Einfluss der Kirche in der Gesellschaft immer mehr schwand. Er wollte keine bequeme Kirche, keine Wohlfühl-Religion, keine lauen Kompromisse. Der Glaube, so Meisners Credo, ist kompromisslos.
Was trieb Joachim Meisner? Ähnlich wie der Bayer Joseph Ratzinger war der in Schlesien aufgewachsene Meisner, der früh den Vater verlor, tief verwurzelt in der Volksfrömmigkeit seiner Heimat, an die er sich bis zuletzt mit aller Kraft klammerte. Später, als junger Priester und Weihbischof im katholischen Eichsfeld, erlebte er zu DDR-Zeiten seine Kirche als Refugium vor dem real existierenden, kirchenfeindlichen Sozialismus. Eine heile Welt mit Wallfahrt und Kirchweih, Pilgerkreuzen und Prozessionen. Und sonntags war die Kirche voll. Der Glaube als Bollwerk inmitten von Feinden. Das prägte Meisner.
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Er kämpfte gegen den Zeitgeist
Doch entwickelte er daraus auch eine Art Wagenburgmentalität. Sie wurde zu seinem selbst gemachten Gefängnis, außen vor blieb die Moderne. Denn die Moderne – auch das eine Parallele zu Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt – war für Meisner der „Zeitgeist“, den es zu bekämpfen galt: Relativismus und Individualisierung waren die erklärten Feinde.
Da darf man nicht weichen, nachgeben bedeutet Schwäche. Bei einer Veranstaltung veranschaulichte er einmal seine Haltung so: „Sehen Sie, was passiert, wenn ich hier das Tischtuch nur an einer Stelle ziehe? Am Ende fällt das ganze schöne Geschirr herunter. So ist das auch in unserer Kirche.“
Joachim Meisner, der Rastlose, starb während seines Urlaubs in Bad Füssing. Eine Sprecherin des Erzbistums Köln sagte, er sei friedlich eingeschlafen.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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