Rom/Berlin. Kardinal Müller, Nummer zwei im Vatikan, muss nach fünf Jahren Amtszeit gehen. Sein Verhältnis zu Papst Franziskus war nie das beste.

Nur zwei Tage nach der vorübergehenden Beurlaubung seines Finanzchefs, Kardinal George Pell, dem sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen wird, hat sich Papst Franziskus von einem noch wichtigeren führenden Mitarbeiter im Vatikan getrennt: Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

Müller, oberster Glaubenshüter der katholischen Kirche und damit Nummer zwei in der Hierarchie des Vatikans, muss nach fünf Jahren an der Spitze der Glaubenskongregation sein Amt niederlegen. Die Glaubenskongregation ist die Nachfolgerin der Inquisition. Sie soll die Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche fördern und schützen.

Müller gehörte nie zum engeren Kreis

Die Beziehung zwischen den beiden mächtigsten Männern im Vatikan galt seit jeher als unterkühlt. Zum engeren Kreis gehörte Müller, der bereits vom deutschen Papst Benedikt XVI. ernannte wurde, nie. Von Positionen Franziskus’ hatte sich der 69-Jährige wiederholt distanziert. Er gilt als konservativer Hardliner, der grundlegende Reformen der katholischen Kirche ablehnt.

Müller gilt etwa als führender Kritiker des Schreibens über Familie und Liebe, „Amoris Laetitia“, von Papst Franziskus. Darin hatte der Pontifex 2016 angeregt, dass es geschiedenen und wiederverheirateten Menschen unter gewissen Umständen erlaubt sein solle, an der Kommunion teilzunehmen. Zugespitzt haben sich die Differenzen, als der Papst vor einigen Monaten drei enge Mitarbeiter Müllers fristlos entlassen hatte. Direkte Kritik am Kirchenoberhaupt übte der Kardinal aber nicht.

Papst will Amtszeiten auf fünf Jahre begrenzen

Müller hat überrascht auf seine Ablösung reagiert. „Differenzen zwischen mir und Papst Franziskus gab es nicht“, sagte Müller am Samstag der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“. Der Papst habe aber beschlossen, ab sofort nur noch Amtszeiten von fünf Jahren zuzulassen.

„Ich war der Erste, bei dem er das umgesetzt hat.“ Franziskus habe ihm die Entscheidung persönlich mitgeteilt. Der Vatikan hatte am Sonnabend bekannt gegeben, dass Müller vom bisherigen Sekretär der Kongregation, dem spanischen Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer, abgelöst wird.

Müller feierte am Wochenende 50-jähriges Abiturjubiläum

Müller will trotzdem auch künftig in Rom bleiben: „Ich bleibe Kardinal, werde wissenschaftlich arbeiten, ich habe genug zu tun.“ Der 69-Jährige, der aus Mainz-Finthen stammt, hält sich an diesem Wochenende in seiner Heimatstadt auf, weil er mit früheren Klassenkameraden sein 50-jähriges Abiturjubiläum feiert.

Für die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ bedeutet ein Wechsel in der Glaubenskongregation „die wertvolle Möglichkeit einer Neuorientierung“. „Kardinal Müller hat sich immer wieder durch seine Belehrungen und Interpretationen des Papstamtes, zuletzt in seinem Buch ‚Der Papst‘, zum Lehrmeister über den Papst erhoben“, hieß es in einer in München verbreiteten Mitteilung.

Missbrauchsopfer hatte scharfe Kritik an Müller geäußert

Doch auch die theologischen Auffassungen seien zu unterschiedlich gewesen. Als wichtigen Aufgabenbereich, für den der Glaubenspräfekt zuständig ist, nannte die Bewegung die Verfolgung sexueller Gewalt durch Priester.

Im März hatte eines der Missbrauchsopfer, Marie Collins, Müllers Kongregation beschuldigt, sich der Arbeit der päpstlichen Kommission zum Schutz von Kindern zu widersetzen. Dieses „beschämende“ Verhalten sei der Grund, warum sie die Kommission verlassen habe, sagte die Irin damals dem Jesuiten-Magazin „America“

Kindesmissbrauch über Jahrzehnte vertuscht

Müller hatte Ende Februar den Vorwurf systematischer Vertuschung von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche zurückgewiesen. Dem Vatikan und der katholischen Kirche wird vorgeworfen, nicht hart genug gegen Kindesmissbrauch vorzugehen und pädophile Geistliche zu decken.

Zur Amtszeit von Papst Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. war herausgekommen, dass Geistliche weltweit über Jahrzehnte Kinder missbraucht oder misshandelt hatten und die Fälle unter den Teppich gekehrt wurden. (mit dpa)

Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: „Erdbeben“ im Vatikan