Merkel nimmt bei G20 offene Konfrontation mit Trump in Kauf
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Von Miguel Sanches
Berlin. Beim G20-Gipfel wird die Kanzlerin die Differenzen mit den USA nicht übertünchen: Wird Trump in der Klima-und Handelspolitik isoliert?
Angela Merkel (CDU) zeigt ihr zweites Gesicht. Für den G20-Gipfel nimmt die Konsenspolitikerin eine Auszeit. Unverhohlen nimmt die Kanzlerin am 7. und 8. Juli in Hamburg eine offene Konfrontation mit den USA in Kauf. Der Dissens beim Klimaschutz sei offenkundig, „es wäre nur unaufrichtig, wenn wir ihn übertünchen würden“, erklärte die Kanzlerin am Donnerstag im Bundestag.
Interessenkonflikte gibt es auch auf anderen Feldern, etwa in der Handelspolitik. Absolut kompromisslos gab sie sich in ihrer Rede in der Klimafrage. „Das Pariser Abkommen ist unumkehrbar, und es ist nicht verhandelbar“, wies die Kanzlerin die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach Neuverhandlungen zurück. Da geht es um Merkels politischen Markenkern, weltweit hat sie sich als „Klimakanzlerin“ einen Namen gemacht.
Merkel sagt „schwierige Diskussionen“ voraus
Sie stimmte die Öffentlichkeit auf Differenzen ein: „Ich sage schwierige Diskussionen in Hamburg voraus.“ Die SPD unterstützte sie dabei. Ihr Fraktionschef Thomas Oppermann legte listig die Messlatte für die Gastgeberin hoch. In Hamburg müsse gezeigt werden, dass Trump in der Klimafrage allein stehe, notfalls müsse Merkel eine 19:1-Erklärung der G20-Staaten erzwingen. Oppermann weiß natürlich, dass beim Gipfel das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Man kann die USA nicht überstimmen.
„Es führt zu nichts, wenn wir einen Staat isolieren“, mahnte der französische Präsident Emmanuel Macron, der sich am Nachmittag zusammen mit weiteren westeuropäischen G20-Mitgliedern mit Merkel in Berlin beriet. Man solle eine „gemeinsame Erklärung anstreben“, forderte er. Auch Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni warb für „diplomatische Bemühungen“. Auch die Regierungschefs aus Spanien, Großbritannien, Italien und – einmalig in Hamburg – den Niederlanden und Norwegen gehören zur Runde, für die Europäische Union zudem Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
Macron hat den US-Präsidenten eingeladen
Trump hat sich isoliert, nachdem er das Pariser Klimaschutzabkommen aufgekündigt hat; und weil er unverdrossen Pläne für Importhürden verfolgt. „Ich bin überzeugt, dass Protektionismus keine Lösung ist“, sagte Merkel. Das passt zum doppeldeutigen Motto des Hamburger Treffens: „vernetzte Welt“. Das kann man bei der Digitalisierung wörtlich nehmen, aber auch im übertragenen Sinne, weil man den Welthandel, den Klimaschutz, die Flüchtlingskrise, aber auch Pandemien wie die Ebola-Seuche am besten gemeinsam angehen sollte.
Von Hamburg soll ein klares Signal für offene Märkte und gegen Protektionismus ausgehen. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström ist derzeit in Japan. Das ehrgeizige Ziel ist, eine Einigung über ein Handelsabkommen noch vor Hamburg zu erzielen. Auch bei der Umsetzung des Ceta-Abkommens mit Kanada sollen bis dahin die letzten strittigen Fragen geklärt werden.
Die wichtigen Köpfe des G20-Gipfels
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Europa übernimmt mehr Verantwortung in der Welt
Faktisch übernimmt Europa mehr Verantwortung in der Welt. Tusk frohlockte, „Europa wird zu einem Bezugspunkt“. Merkel beteuerte, „seit der Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika, das Klimaabkommen von Paris zu verlassen, sind wir entschlossener denn je, es zum Erfolg zu bringen“. Die norwegische Regierungschefin Erna Solberg sprach vom „europäischen Fußabdruck, den wir hinterlassen“. Paradoxerweise werden die USA isoliert, obwohl die Europäer eine Hauptforderung Trumps erfüllen. Er hatte stets verlangt, dass sie mehr Verantwortung übernehmen.
Noch vor wenigen Tagen schien es, als wollte Merkel in Hamburg eine Frontstellung vermeiden. Im Bundestag erweckte sie den gegenteiligen Eindruck, nämlich ihre Entschlossenheit, eine harte Linie zu fahren und die Trennlinie zu markieren. Wer glaube, die Probleme der Welt mit Abschottung lösen zu können, unterliege „einem gewaltigen Irrtum“, sagte sie, ohne Trump zu erwähnen. Die Frage ist nur, wer noch hinter ihr steht, wenn es tatsächlich zum Konflikt kommen sollte, zumal noch mehr Spieler am Tisch sitzen, Russland, China oder die Türkei.
Erste Haarrisse im europäischen Block
Auch im europäischen Block zeigen sich erste Haarrisse. Die Britin Theresa May verließ das Treffen in Berlin vorzeitig, angeblich wegen innenpolitischer Verpflichtungen. Macron hat den US-Präsidenten demonstrativ zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli nach Paris eingeladen. An einem politischen Klimasturz im Verhältnis zu den Amerikanern kann er kaum interessiert sein. Man brauche sie militärisch wie auch im Kampf gegen den Terrorismus. Er warb für eine gemeinsame Erklärung und hofft, „dass wir den einen oder anderen noch zur Vernunft bringen“.
Eine Einigung hänge vom (Verhandlungs-)Talent der Kanzlerin ab, so Macron. Der Italiener Gentiloni ergänzte mit Blick auf Merkel, „wir wissen, dass wir uns in guten Händen befinden“. Wird der Konflikt am Ende doch übertüncht? „Das werde ich jedenfalls nicht tun“, beteuerte die Kanzlerin. Aber andere?
Angela Merkels erstes Treffen mit Trump
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Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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