Berlin/Wien. Die Vereinten Nationen verzeichnen mehr Drogennutzer und eine erhöhte Produktion. Auch die Anbauflächen haben sich stark vergrößert.
Das Abwasser einer Stadt kann viel über ihre Bewohner verraten – auch über die Drogen, die sie nehmen. Seit einiger Zeit schon wird die trübe Brühe von 60 europäischen Städten regelmäßig auf Überreste von verbotenen Substanzen untersucht. Das Ergebnis: Im Jahr 2016 wurden 30 Prozent mehr Kokain nachgewiesen als noch 2011. In den USA, dem anderen großen Absatzmarkt für Drogen, wird ebenfalls wieder mehr Kokain genommen als in den vergangenen Jahren.
Auch andere Drogen wie Opium, Heroin oder synthetische Stoffe werden weltweit wieder in zunehmender Menge konsumiert, oft sind es 20 oder 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist ein Hauptergebnis des Weltdrogenreports der Vereinten Nationen (UN). Das UN-Büro zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung legt diesen Bericht seit 20 Jahren vor, aber das Ergebnis ist nach wie vor ernüchternd: „Es gibt noch viel zu tun, um die großen Schäden zu beseitigen, die Drogen für die Gesundheit, die Entwicklung, den Frieden und die Sicherheit bedeuten“, schreibt der Direktor der UN-Behörde, der Russe Juri Fedotow, im Vorwort des Berichts.
190.000 Menschen sterben jedes Jahr wegen ihrer Drogensucht
Aktuell greifen weltweit 250 Millionen Menschen zu illegalen Rauschgiften. Etwa jeder zehnte von ihnen leidet an schweren Krankheiten wie Hepatitis C oder Tuberkulose oder ist mit dem HI-Virus infiziert. Nur jeder sechste Kranke werde angemessen behandelt, heißt es in dem Bericht. Mindestens 190.000 Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig wegen ihrer Drogensucht. „Das darf niemanden kaltlassen“, sagt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und fordert, die internationalen Anstrengungen im Kampf gegen Drogen „kraftvoll voranzutreiben“. Dass in Deutschland der Erwerb, der Besitz und der Handel mit neuen psychoaktiven Stoffen inzwischen verboten seien und damit die Strafverfolgung möglich sei, „ist ein wichtiger Schritt“, sagte Gröhe dieser Redaktion.
Das ist das aktuelle Bundeskabinett
In diesem Sinne legt der UN-Bericht den Blick nicht nur auf die unmittelbaren gesundheitlichen Folgen der Drogensucht. Untersucht wird auch der Zusammenhang zwischen dem Drogenhandel, der organisierten Kriminalität, illegalen Finanzströmen, Korruption und Terrorismus. „Es ist bekannt, dass Terroristen und bewaffnete Gruppen vom Drogenhandel profitieren“, schreibt UN-Direktor Fedotow und zitiert Schätzungen, denen zufolge bis zu 85 Prozent des Mohnanbaus für die Opiumproduktion in Afghanistan in Gebieten stattfinden, die unter Einfluss der Taliban stehen. Produktion und Handel mit Drogen lieferten den Taliban etwa die Hälfte ihres Jahreseinkommens, heißt es in dem UN-Bericht: „Ohne diese Einnahmen wäre ihr Einfluss nicht so groß, wie er aktuell ist.“
Anbaufläche der Koka-Pflanze hat sich stark vergrößert
Dass die Produktion von Opium – das selbst eine Droge ist, aber eben auch Ausgangsstoff für Heroin – im Jahr 2016 weltweit um ein Drittel angestiegen ist, liegt vor allem an den großen Mengen an Mohn, die aus Afghanistan kommen. Auch in anderen Teilen der Welt ist die Drogenproduktion ein Wirtschaftsfaktor. So hat sich die Anbaufläche für die Koka-Pflanze in Südamerika in den vergangenen Jahren zuletzt um ebenfalls 30 Prozent vergrößert. Dies sei vor allem auf die Entwicklung in Kolumbien zurückzuführen, so die UN-Experten.
Schwieriger einzuschätzen ist die Situation bei synthetischen Drogen, die sich überall auf der Welt produzieren lassen. Weil aber immer mehr solcher Stoffe sichergestellt werden, gehen die Experten davon aus, dass auch dieser Markt expandiert und immer mehr synthetische Drogen angeboten werden.
Im Balkan wurden viele Drogen von der Polizei sichergestellt
Die wichtigste Handelsroute für opiumhaltige Drogen läuft über den Balkan. Dort fand fast die Hälfte der weltweiten Sicherstellungen dieser Drogenart statt. Größere Bedeutung gewinnt inzwischen aber der Transportweg über den Kaukasus. Die Türkei liege nicht auf diesen Routen, weil die Kriminellen dort, so vermutet der UN-Bericht, mehr Geld mit dem Schleusen von Flüchtlingen verdienen könnten als mit dem Drogentransport. Insgesamt würden international tätige kriminelle Banden schätzungsweise zwischen 20 und 30 Prozent ihrer Einnahmen mit Drogenhandel machen. Eine immer größere Rolle beim Verkauf der Drogen spielt das Internet. Die Zahl der Transaktionen im schwer zu kontrollierenden und anonymen Darknet sei zwar noch immer relativ klein, die Steigerungsraten seien mit rund 50 Prozent pro Jahr aber sehr groß.
Ein besonderes Augenmerk richtet der UN-Bericht auf den Markt für Cannabis. In immer mehr Ländern, bald auch in Deutschland, darf die Droge für medizinische Zwecke angebaut werden. In den USA ist dies in zwölf Bundesstaaten der Fall. In acht Staaten ist die Droge sogar als Genussmittel erlaubt. Inzwischen dürfen auch profitorientierte Firmen in die Herstellung und den Verkauf von Cannabis einsteigen. Die Folge: Der Konsum von Cannabis hat in den USA spürbar zugenommen.
Erwachsene mit niedrigem sozialen und ökonomischen Status
Wie Experten festgestellt haben, nutzen vor allem Erwachsene mit niedrigem sozialen und ökonomischen Status diese Droge. Auch in Uruguay ist der Konsum der Droge seit Kurzem weitgehend legalisiert worden. Über die Folgen dort ist noch nichts bekannt. Gerade deshalb verlangt das UN-Drogenbüro nun eine genaue Beobachtung dieser Entwicklung: Die langfristigen Folgen einer Zulassung von Cannabis auf Gesundheit, Sicherheit und Justiz seien von großem Interesse auch in anderen Ländern.