Brüssel. Die EU und Großbritannien haben mit den Verhandlungen über den Brexit begonnen. Am ersten Tag spielten selbst Akzente eine große Rolle.

Am Anfang der Trennung stehen Worte der Gemeinsamkeit, auf Englisch. Er empfinde „tiefes Mitgefühl mit dem britischen Volk, das sich tragischen Ereignissen gegenübersieht“, sagt Michel Barnier mit Blick auf die Anschläge in Großbritannien und den Londoner Hochhausbrand. Der Franzose leitet für die EU die Trennungsverhandlungen mit der Regierung des Königreichs. Sein Londoner Gegenüber ist David Davis, Staatssekretär für den EU-Austritt. Es ist der Auftakt eines Scheidungsprozesses, wie es ihn noch nicht gegeben hat.

Noch nie hat ein Land die EU verlassen. Eine Blaupause für das Verfahren gibt es nicht, und der EU-Vertrag liefert nur ein paar grobe Vorgaben. Keiner weiß, wie es im Einzelnen zugehen soll. Nur so viel ist sicher: Die Sache eilt, wegen der Verzögerung durch die britischen Unterhauswahlen noch mehr. „Es ist schon wieder viel Zeit verloren worden“, bedauert Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD). Am 29. März 2019 läuft die Frist ab für den Vollzug der Trennung. „Uns bleiben noch gerade 18 Monate, um fast 44 Jahre Zusammenarbeit rückabzuwickeln“, klagt der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen.

„Es gibt mehr, das uns eint, als uns trennt“

An diesem ersten Tag des schmerzlichen Unternehmens geht man verbindlich miteinander um. „David“ und „Michel“, zwei silberhaarige, hochgewachsene Herren, sehen aus, als kämen sie vom selben Schneider und machen nicht den Eindruck, als ob sie partout auseinanderstrebten. „Es gibt mehr, das uns eint, als uns trennt“, meint Davis. Und doch sind die gegenläufigen Interessen erkennbar. „Wir müssen zunächst die Unsicherheiten anpacken, die durch den Brexit entstanden sind“, erklärt Barnier. Davis hingegen betont, es gehe um eine „besondere Partnerschaft“, die „tief und stark“ sein solle.

Das sind keine rhetorischen Beliebigkeiten. Der unterschiedliche Akzent entspringt unterschiedlichen Prioritäten. Die 27 Länder der Rest-EU wollen vorrangig sicherstellen, dass der Brexit möglichst glimpflich abläuft, auch finanziell. Bei all dem sitzt die Regierung der Premierministerin Theresa May automatisch auf der Sünderbank – verantwortlich für den Schlamassel, der nun erst einmal beseitigt werden muss. May möchte hingegen möglichst schnell weg von den Altlasten, hin zur angestrebten starken Beziehung mit einem Britannien, das angeblich „seine Unabhängigkeit wiedergewonnen“ hat.

Gibt es doch Exit vom Brexit?

Das ist eine Lieblingsformel Boris Johnsons, des britischen Außenministers. Er fordert in Luxemburg, „an die Zukunft zu denken, und an die tiefe und besondere Partnerschaft, die wir mit unseren Freunden aufbauen wollen“. Dass die 27 Partner erst die Schlussrechnung – bis zu 100 Milliarden Euro sind im Gespräch – beglichen sehen wollen, ficht Johnson nicht an.

Gabriel mag die Wende um 180 Grad, den Exit vom Brexit, nicht verloren geben. „Die Tür ist immer offen – aber das ist eine Entscheidung der britischen Bevölkerung.“