Um Gewalt von Extremisten zu bekämpfen, reicht Geld nicht aus. Gegen Radikalisierung hilft vor allem die Stärkung unserer Demokratie.

Die Annahme wäre naiv: Man richtet eine Hotline für betroffene Eltern ein, und aus dem Haushalt fließen etliche Millionen Euro in neue Präventionsprojekte – und bald schon, so der fromme Wunsch, verstummt politischer Extremismus von rechts über links bis islamistisch. Jeder weiß es besser: Der Kampf gegen Neonazis oder Salafisten wird nur langsam Fortschritte zeigen.

Dass dieser Kampf gegen Gewalt von Radikalen trotz etlicher Initiativen von Bund, Ländern und Kommunen heute so mühsam ist, liegt vor allem an einer Tatsache: Zu lange wurde das Problem ignoriert, verdrängt, verschlafen. Das gilt vor allem für religiös begründeten Extremismus.

Rassismus in der Gesellschaft

Die Auseinandersetzung mit dem Islamismus in Deutschland lässt sich fast genauso erzählen wie die Geschichte des Islam und der Deutschen: Lange herrschte Unwissen und Desinteresse, etwa als die Gastarbeiter aus der Türkei ab 1961 zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands hier ankamen. Dann begegneten sich Nichtmuslime und Muslime oft mit Misstrauen. Menschen aus türkischen oder arabischen Familien spüren bis heute Rassismus in der Gesellschaft. Zugleich zeigen manche auch nach Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland kaum Willen zur Integration.

Es wachsen mittlerweile viele Beziehungen zwischen beiden Gruppen im Alltag – in Teilen beider Lager aber auch Wut. Islamismusprävention ist in Deutschland auch Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte. Doch trotz der weiter wachsenden Zahl der Salafisten gibt es Fortschritte. Fortschritt eins: Mehr Geld steht für neue Projekte bereit. Das war bis zum Terror durch den „Islamischen Staat“ nicht so, eine bittere Lehre der Vergangenheit.

Teil der Prävention

Noch immer reicht das Budget in vielen Städten für die Ausbildung von Lehrern, Fußballtrainern oder Sozialpädagoginnen nicht aus. Der Etat für Polizei und Verfassungsschutz bestimmt die Haushaltsdebatten. Eine starke Sicherheitsarchitektur ist Teil der Prävention. Aber eben nur ein Teil. Fortschritt zwei: Unser Blick auf die Extremisten ist differenzierter geworden. Das ist wichtig, denn es gibt genauso wenig „den radikalen Muslim“ wie es „den radikalen Rechten“ gibt. Eltern, Familie, Lebensbrüche – all das spielt eine Rolle.

Prävention ist immer eine Einzelfallentscheidung. Jede einzelne Therapie eines Menschen muss aus einem Guss sein – aber Prävention darf nicht nach dem Gießkannenprinzip über Deutschlands radikale Ränder ausgeschüttet werden. Im Kampf gegen Rechtsextreme haben Lehrerinnen oder Jugendgruppenleiter viele Jahre Erfahrung gesammelt. Sie besitzen das pädagogische Rüstzeug, sich Neonazi-Parolen souverän entgegenzustellen.

Strategie gegen Hetze

Sie brauchen es in Zeiten vieler Angriffe auf Flüchtlinge heute umso mehr. Tönt ein Jugendlicher aber mit salafistischer Propaganda, fehlt in deutschen Klassenzimmern das Wissen über Islamisten – und eine Strategie gegen deren Hetze. Die größte Gefahr geht jedoch nicht von Klassenzimmern aus – sondern vom Internet. Die Propaganda von Salafisten wirkt durch Videos im Netz und über Chats in sozialen Medien. Hier passiert zu wenig.

Deutlich stärker müssen Unternehmen wie Facebook oder Youtube gegen Propaganda vorgehen, mehr muss die Regierung in Projekte investieren, die sich online dem Hass entgegenstellen. Dabei reicht Geld, Know-how und Pädagogik nicht aus. Deutschland sollte auch seinen demokratischen Überbau gegen Radikalisierung stärker pflegen, die Gegengeschichte zum Hass lauter erzählen. Sie muss von Toleranz, Gemeinschaft und Freiheit handeln. So ist gute Prävention auch eine Stärkung all der Menschen, Institutionen und Vereine, die für diese Werte stehen.