Berlin/Köln. Muslime werden am Sonnabend in Köln auf die Straße gehen und gegen islamistische Gewalt protestieren. Daran entzündet sich ein Streit.

  • Immer wieder waren Forderungen nach einer Kundgebung von Muslimen gegen Terrorismus laut geworden
  • Nun wollen Muslime bei einem Friedensmarsch auf die Straße gehen
  • Der Islam-Dachverband Ditib macht allerdings nicht mit – und erntet viel Kritik

„Nicht mit uns“ heißt das Motto der Demonstration. Muslime wollen am Sonnabend in Köln gegen islamistischen Terror und Gewalt auf die Straße gehen. Die Demonstration wird vom Zentralrat der Muslime in Deutschland und der Türkischen Gemeinde, zudem von christlichen Gruppen und deutschen Parteien unterstützt. Zu den Einzelunterzeichnern des Demonstrationsaufrufs gehören Spitzenpolitiker von CDU, SPD, Grünen, Linken und FDP.

Unterschrieben haben auch die TV-Moderatorin Nazan Eckes und der in Köln lebende Schriftsteller Navid Kermani, der vergangenes Jahr als Bundespräsident im Gespräch war. 10.000 Menschen werden am Sonnabend in Köln erwartet. Doch ein großer Islamverband stellt sich quer – und sagt auf seine Weise „nicht mit uns“: Ditib. In der Erklärung der Türkisch-Islamischen Union heißt es: „Das ist der falsche Weg und das falsche Zeichen, denn diese Form der Schuldzuweisung spaltet die Gesellschaft.“

Verspielt Ditib seine Glaubwürdigkeit?

Forderungen nach muslimischen Anti-Terror-Demos griffen zu kurz. Diese stigmatisierten die Muslime und verengten den internationalen Terrorismus auf sie. Ditib kritisierte auch die fehlenden gemeinsamen Vorgespräche. Zudem sei fastenden Muslimen nicht zumutbar, „stundenlang in der prallen Mittagssonne bei 25 Grad zu marschieren und demonstrieren“, heißt es in dem Schreiben. Der Sonnabend fällt in die Zeit des Ramadan, an dem gläubige Muslime tagsüber nichts essen und trinken.

Diese Zeilen stoßen auf Kritik – auch aus der Bundesregierung. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz sagte dieser Zeitung: „Ich finde es sehr bedauerlich, dass sich Ditib vom Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration distanziert.“ Der Verband stelle sich selbst mit dieser Haltung noch weiter ins Abseits und drohe vollends, seine Glaubwürdigkeit zu verspielen, sagte die SPD-Politikerin. Bei der Kundgebung gehe es um ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt und Terror. „Ich würde mich deshalb über einen größtmöglichen Zusammenschluss freuen“, sagte die Staatsministerin.

Spionagevorwürfe gegen Ditib

„Der Verband schadet mit seiner Kritik am meisten sich selbst und den eigenen Mitgliedern, die sich für gesellschaftliche Geschlossenheit einsetzen.“ Der Zentralrat der Muslime in Deutschland bekräftigte, an der Demonstration teilnehmen zu wollen. Die Kritik an Ditib überrascht nicht. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) ist umstritten, denn sie ist ein Instrument der Regierung in Ankara. Ditib schickt Imame aus der Türkei nach Deutschland, und sie predigen hier den Islam, wie ihr Staat ihn interpretiert.

Seit Anfang des Jahres ermittelt zudem die Bundesanwaltschaft wegen Spionagevorwürfen gegen Ditib: Imame sollen Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen ausspioniert haben. Der türkische Präsident Recep Tayyib Erdogan macht Gülen für den Putschversuch im Sommer 2016 verantwortlich. Der Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion, Franz-Josef Jung (CDU), verwies auf diese Spionagevorwürfe.

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    Widerstand gegen Terroristen

    Das Vertrauensverhältnis zu Ditib werde nun einmal mehr erschüttert, sagte der ehemalige Verteidigungsminister. „Mit der Nichtteilnahme an der Demonstration stellt sich Ditib ins politische Abseits.“ In dem Aufruf zu der Demonstration heißt es: „Die Anschläge von Menschen, die sich zur Rechtfertigung ungefragt auf den Islam berufen, häufen sich.“ Der Widerstand gegen Terroristen und Fanatiker sei besondere Pflicht der Muslime: „Es ist unser Glaube, der hier missbraucht wird, der hier beschmutzt, beleidigt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt wird.“

    Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, schrieb auf Facebook: „Ich bin dankbar für dieses klare Zeichen von Muslimen gegen eine Instrumentalisierung von Religion für die Rechtfertigung von Gewalt.“ Islamistische Anschläge gab es zuletzt in London und Manchester. Im Dezember 2016 kam es am Breitscheidplatz in Berlin zur bisher größten Terrorattacke in Deutschland, bei dem zwölf Menschen starben.