Washington. Beim Training für ein Benefiz-Baseballspiel schießt ein Trump-Hasser auf Republikaner. Ein hochrangiger Politiker ringt mit dem Tod.

Eine der vielen „Facebook“-Gruppen, in denen James T. Hodgkinson bis zuletzt aktiv war, trug den aggressiven Titel „Der Weg zur Hölle ist mit Republikanern gepflastert.“ Eine andere: „Löst die Republikaner auf“. Am Mittwochmorgen, gegen 7 Uhr, wollte der 66-Jährige seinen Zielen auf erschreckende Weise Geltung verschaffen.

Mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr ging der aus Belleville im US-Bundesstaat Illinois stammende Inhaber einer Hausinspektionsfirma in Alexandria nahe Washington auf einen Baseball-Platz - und schoss. Dutzende Runden. Minutenlang. Sein Ziel: Kongress-Abgeordnete, die dort für ein seit 100 Jahren veranstaltetes Baseball-Spiel für wohltätige Zwecke trainierten.

Dabei wurde der für die Fraktionsdisziplin der Republikaner im Repräsentantenhaus zuständige „Einpeitscher“ (whip) Steve Scalise (51) angeschossen und vier weitere Menschen verletzt. Nur weil Scalise, die Nr. 3 im Parteigefüge der Konservativen und ein Vertrauter von Präsident Donald Trump, unter Personenschutz steht, war die „Capitol Police“ vor Ort.

Abgeordnete unter den Spielern und unter den Zuschauern

Senator Jeff Flake nahm an dem Training zu dem Benefiz-Spiel teil.
Senator Jeff Flake nahm an dem Training zu dem Benefiz-Spiel teil. © REUTERS | MIKE THEILER

„Mehrere Cops der Kongress-Polizei nahmen den Schützen sofort unter Feuer, der später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag und verhinderten so Schlimmeres. „Wenn die Polizei den Täter nicht unschädlich gemacht hätte, wären hier viele Menschen gestorben. Es hätte ein Massaker gegeben“, sagte der frühere Präsidentschaftskandidat Rand Paul.

Scalises Zustand wurde nach einer Sofort-Operation im Medstar-Krankenhaus zuletzt als kritisch beschrieben.

Täter war Anhänger von Bernie Sanders

Amerika fuhr der Schock in die Glieder, als es in den nonstop berichtenden Fernsehsendungen mitgeteilt bekam, wer da sein Heil in einer blutigen politisch-ideologischen Abrechnung gesucht hat.

James Hodgkinson war nach übereinstimmenden Medienberichten im vergangenen Präsidentschafts-Wahlkampf Anhänger und freiwilliger Helfer des demokratischen Präsidentschafts-Kandidaten Bernie Sanders. Er lobte dessen Vorstellungen von einem „demokratischen Sozialismus“, der die gesellschaftlichen Ungleichgewichte beseitigen könne. In Leserbriefen an seine Heimatzeitung in Belleville im Mittleren Westen griff Hodgkinson, der eine Historie von kleineren Gewalttätigkeiten im privaten Umfeld hatte, immer wieder die Republikaner und gesondert Präsident Donald Trump massiv an.

Blick auf das Baseball-Spielfeld nahe der Hauptstadt Washington, auf dem die Schießerei stattfand.
Blick auf das Baseball-Spielfeld nahe der Hauptstadt Washington, auf dem die Schießerei stattfand. © dpa | Alex Brandon

Auf Facebook nannte er den New Yorker Milliardär „das wahrhaft größte A…..loch, das jemals im Oval Office gesessen hat“. Trump habe die „Demokratie zerstört“. Nun sei es an der Zeit „Trump zu zerstören“. Michael Hodgkinson, der Bruder, bestätigte gegenüber der New York Times, dass „James mit dem Ausgang der Wahlen nicht einverstanden war“.

Umgehend meldete sich am Mittwochmittag ein blass aussehender Bernie Sanders im Parlament zu Wort, sprach von einer „verabscheuungswürdigen Tat“ und distanzierte sich von jedweder Form von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung.

Polizei hat viele Zeugen zu befragen

Unterdessen konnten Republikaner, die sich mit ihrem Kollegen Scalise morgens im Wurfballspiel übten, noch immer nicht wirklich glauben, was passiert war. „Steve stand an der 2. Base, als die Schüsse fielen“, berichtete Jeff Flake. Der Senator aus Arizona blieb wie die anderen zwei Dutzend Politiker, die auf dem nur wenige Kilometer vom Weißen Haus entfernten Sportplatz an der East Monroe Street standen, unverletzt.

Was sich wie genau zugetragen hat, wird sich laut Polizeichef Michael Brown erst ergeben, wenn die vielen Zeugen, Spaziergänger, Jogger etc. vernommen worden sind. Bis dahin will auch die Bundespolizei FBI, die die Ermittlungen federführend übernommen hat, nichts Definitives sagen.

Dagegen ist für den republikanischen Abgeordneten Ron DeSantis, der das Training eher verließ, im Nachhinein ziemlich klar, dass Hodgkinson nicht wahllos geschossen hat. „Auf dem Parkplatz hat mich ein Mann gefragt habe, ob da Demokraten oder Republikaner spielen.“

Beide Lager wollen Beruhigung

Vertreter beider großen Parteien begriffen die Tat als Zäsur. Im Parlament warben Spitzenvertreter wie Paul Ryan und Nancy Pelosi für Gemeinsamkeit, lobten die Courage der Sicherheitskräfte und warnten davor, den versuchten Massenmord für kurzfristige politische Punktgewinne auszuschlachten.

Den Ton hatte Präsident Donald Trump vorgeben, den viele Amerikaner mitverantwortlich machen für das militante, vergifte Klima im Land. „Wir sind am stärksten, wenn wir vereint sind, wenn wir gemeinsam für das öffentliche Wohl arbeiten“, sagte Trump an seinem 71. Geburtstag und erinnerte daran, dass alle Politiker in Washington „ihr Land lieben“.

Laxe Waffengesetze in Heimat des Schützen

Trump war es auch, der die Nachricht vom Tod des Schützen überbrachte und den Familien der Opfer Kraft und Beistand spendete. Das tat auch die frühere demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords, die 2011 von einem psychisch kranken Schützen lebensgefährlich verletzt worden war. Durch ihren Beitrag rückte ins Bewusstsein, was sonst gestern in Washington kaum eine Rolle spielte: Vertreter von Organistionen, die gegen Waffengewalt protestieren, die pro Jahr in den USA rund 30 000 Tote fordert, erinnerten daran, dass der Bundesstaat Virginia, zu dem Alexandria gehört, laxe Waffengesetze hat. Weder müssten Schnellfeuergewehre besonders registriert werden, noch hätten sich die Besitzer intensiven Hintergrund-Checks zu stellen, die ihre psychische Stabilität beleuchten.

Der Zwischenfall in Alexandria brachte die parlamentarische Tagesordnung in der Hauptstadt komplett durcheinander. Die Republikaner sagten eine Anhörung ab, in der Erleichterungen für den Gebrauch von Schalldämpfern für Waffen diskutiert werden sollten. Der federführende Abgeordnete Jeff Duncan war morgens beim Baseball-Training. Er entkam dem Schützen, weil er früher unter die Dusche gegangen war.