London. Nach der Wahlschlappe der Premierministerin May, bereiten laut Berichten Parteikollegen eine Ablösung vor. Doch das könnte dauern.

Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bei der Parlamentswahl ist die politische Zukunft von Premierministerin Theresa May ungewiss. Wie der „Telegraph“ am Samstag berichtete, loten führende Vertreter von Mays Tories wie Außenminister Boris Johnson, Innenministerin Amber Rudd und Brexit-Minister David Davis aus, ob May als Regierungschefin ersetzt werden sollte.

Zusätzlich unter Druck gerät May durch den Rücktritt ihrer beiden wichtigsten Vertrauten, Nick Timothy und Fiona Hill. Timothy erklärte, er übernehme seinen Teil „der Verantwortung für diesen Wahlkampf“. Seit der Wahl hatten viele Tories die Berater heftig kritisiert und ihren Rückzug gefordert.

Ablösung soll erst in einigen Monaten erfolgen

Nach einem Bericht der „Sun“ wollen hochrangige Mitglieder der Tories definitiv einen anderen Premier. Ein Sturz Mays solle jedoch erst frühestens in sechs Monaten herbeigeführt werden, da sonst Labour-Chef Jeremy Corbyn an die Macht kommen könnte. Öffentlich wollten sich führende konservative Politiker nicht auf die Zukunft Mays festlegen lassen. Es sei unmöglich zu sagen, ob sie Ende des Jahres noch Regierungschefin sein werde, sagte etwa der Abgeordnete David Jones der BBC. „Theresa May ist sicherlich die stärkste Anführerin, die wir im Moment haben.“

Die britische Presse sieht May am „Abgrund“ („Times“). In der „Daily Mail“ heißt es: „Die Tories wenden sich gegen Theresa.“ Laut einer Umfrage des bei Tories beliebten Politik-Blogs „ConservativeHome“ fordern 60 Prozent, dass May zurücktreten soll, nur 37 Prozent halten noch zu ihr. Bei den Buchmachern werden die meisten Wetten darauf gesetzt, dass May bald aus dem Amt scheidet. Favorit für ihre Nachfolge ist Boris Johnson. Seine ständigen Patzer als Außenminister haben dem Wortführer der Brexit-Kampagne und Scherzbold nichts anhaben können.

Regierung als eine Art Notlösung für May

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    Statt über Johnson lachen die Briten darüber, wie sich Mays Wahlparolen ins Gegenteil verkehrt haben. Sie wollte eine „starke und stabile Regierung“ und warnte vor einer „Koalition des Chaos“, falls sie nicht den erwarteten Erdrutschsieg erreichen sollte. Nun hat sie die Mehrheit der Konservativen verspielt und muss ihre Minderheitsregierung durch die zehn Abgeordneten der Demokratischen Unionisten Partei (DUP) Nordirlands stützen. Diese erzkonservative protestantische Partei sorgte dafür, dass Schwangerschaftsabbruch und gleichgeschlechtliche Ehe in Nordirland im Gegensatz zur britischen Hauptinsel immer noch verboten sind.

    Mays Notlösung geht zudem nur auf, da die sieben Abgeordneten der katholisch-republikanischen Sinn Féin aus historischen Gründen nicht ihren Sitz im Unterhaus einnehmen, weil sie den Eid auf die Königin verweigern.

    Koalitionspartner sind gegen harten Brexit

    Wie DUP-Chefin Arlene Foster rettet eine andere Frau vorerst die Haut der Premierministerin. Dank der resoluten Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, bekam der einsame einzige Abgeordnete der schottischen Tories elf neue Kollegen. Ohne diese wäre May nicht in der Lage, selbst eine Minderheitsregierung zu bilden. Der Aufwärtstrend der Konservativen in Schottland stützt sich dabei auf übergelaufene Wähler der schottischen Nationalpartei, SNP, die indirekt gegen ein neues Referendum zur völligen Unabhängigkeit des Landesteils stimmten.

    Die Unterstützung durch die nordirischen und schottischen Abgeordneten hat für May freilich einen hohen Preis. In den beiden Landesteilen ist man entschieden gegen einen „harten Brexit“ mit Austritt aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion, den May anstrebt. Sie muss nun eine Lösung suchen, die allen Seiten akzeptabel erscheint. (mit Material von Reuters und dpa)