Brüssel/Peking/Berlin. Nach den Auftritten von US-Präsident Trump hoffen viele auf Peking. Doch taugt China als strategischer Partner? Ein Realitäts-Check.

Rein äußerlich sieht alles nach einem harmonischen Treffen aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang lächeln sich am Donnerstag an, tauschen Höflichkeiten aus. „Unsere Worte zählen, und unsere Taten müssen Erfolge haben“, kündigt der Gast aus Peking an. Es folgt ein glühendes Bekenntnis zu Freihandel und Klimavertrag.

Am Freitag wird Li beim EU-China-Gipfel die gleichen Versprechungen in Brüssel machen. Taugt Peking nach den Extra-Touren von US-Präsident Donald Trump als neuer strategischer Partner? Ein Realitäts-Check.

Klimapolitik: Hier bietet China den größten Lichtpunkt. Ein flammendes Plädoyer für den gemeinsamen Klimaschutz, den die EU-Oberen und Li in einer Vereinbarung festschreiben wollen, soll Aufbruchssignal einer neuen Umwelt-Allianz sein. Dabei hat China durchaus Fortschritte vorzuweisen. Noch bläst das Riesenland die mit Abstand größte Menge von klimaschädlichem CO2 in die Atmosphäre. Nach einer Studie der Netherlands Environmental Assessment Agency war die Volksrepublik 2015 für rund 29 Prozent des weltweiten Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Die USA folgten auf Platz zwei mit rund 14 Prozent, die 28 EU-Länder kamen auf zehn Prozent.

Doch China steuert gegen. So ging der Kohleverbrauch in den vergangenen Jahren immer weiter zurück. Auch bei den erneuerbaren Energien setzt das Land auf „grüne“ Quellen. In den vergangenen Jahren sind bereits so viele Solar- und Windkraftanlagen errichtet worden wie im Rest der Welt zusammen. Im aktuellen Fünfjahresplan bis 2020 sind weitere Investitionen von umgerechnet rund 360 Milliarden Euro vorgesehen. Mehr als 3,5 Millionen Chinesen arbeiten bereits in der Erneuerbare-Energien-Industrie.

Chinas Ministerpräsident - Stehen zu Pariser Klimaschutzabkommen

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    Handelspolitik: China verkauft sich plötzlich als Weltmacht des Freihandels – in großen Teilen zu Unrecht. Nach dem angekündigten Ausstieg Amerikas aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP) ging Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in die Offensive: Auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos Ende Januar präsentierte er sich als neuer Vorreiter des unbeschränkten Handels.

    Doch Praktiker sind skeptisch. In einer Umfrage der EU-Handelskammer in Peking beklagte fast jedes zweite Unternehmen, dass sich im vergangenen Jahr das Geschäftsumfeld in China verschlechtert habe. Die europäischen Firmen rügen zum Beispiel, dass sie bei Umweltvorschriften sehr viel strengere Kriterien einhalten müssten als chinesische Betriebe. Bei der Vergabe von Staatsaufträgen hätten sie oft gar keine Chance. In Europa wiederum häufen sich die Klagen, dass Chinas Unternehmen mit einer massiven Überproduktion von Stahl, Kohle und Solarpanelen die Weltmärkte überschwemmen und mit Dumping-Preisen ausländische Konkurrenten aus dem Markt drängen.

    Die Chinesen wurmt wiederum, dass die EU die Volksrepublik bis heute nicht offiziell als Marktwirtschaft anerkennt. Solange China dieser Status verwehrt bleibt, ist es den EU-Ländern erlaubt, auf chinesische Importgüter Antidumping-Schutzzölle zu erheben. Beim Brüsseler Gipfel am Freitag wird man sich um eine diplomatische Lösung bemühen. Denkbar wäre, dass sich die EU künftig nur in Einzelfällen mit neuen Schutzmechanismen gegen Dumping-Praktiken wehren will.

    Menschenrechte: Wohl das dunkelste Kapitel in China. Von der westlichen Wertegemeinschaft vergangener Tage ist der autokratische Staatskapitalismus chinesischer Prägung Lichtjahre entfernt. In Menschenrechtsfragen gibt es keine Lockerung.

    Internationale Politik: Hier ist China kein verlässlicher Partner für den Westen. Wenn sich der UN-Sicherheitsrat mit dem Syrien-Konflikt beschäftigte, enthielt sich Peking regelmäßig. Weitere Kritik aus Washington, Brüssel und Berlin: Angesichts der nicht abreißenden Raketentests des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un tue Peking zu wenig, um den wirtschaftlich abhängigen Verbündeten an die Kandare zu nehmen.