Kairo/Teheran. EU-Politiker gratulierten Hassan Ruhani zum Wahlsieg. Irans Präsident muss nun alles tun, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen.

Im Wahlkampf hatten sie für Hassan Ruhani gekämpft und gezittert, am Samstag kannte die Euphorie dann keine Grenzen. Hunderte feierten mit Hupkonzerten und Autokorsos in Teheran den spektakulären Sieg des moderaten Präsidenten über seinen konservativen Widersacher Ebrahim Raeissi. Der Erfolg Ruhanis gilt als neuerliches Mandat der Bevölkerung an ihren Regierungschef, den politischen Kurs der Entspannung nach außen und der Liberalisierung nach innen fortzusetzen.

Am Samstagabend wollte sich der 68-jährige Kleriker per Fernsehansprache an die Bürger des Landes wenden. Es wurde erwartet, dass er die Bevölkerung nach dem harten Wahlkampf zur inneren Versöhnung aufruft und ihr verspricht, in seiner zweiten Amtszeit alles zu tun, die restlichen Sanktionen zu beenden und die Wirtschaft besser in Schwung zu bringen.

Nach Angaben des Innenministeriums erhielt Hassan Ruhani mit 57,1 Prozent der Stimmen auf Anhieb die absolute Mehrheit. Sein Gegenspieler Ebrahim Raeissi kam auf 38,3 Prozent, die beiden übrigen Kandidaten landeten abgeschlagen bei einigen Bruchteilen von Prozenten. Wahlberechtigt waren 56 der 81 Millionen Iraner. Zu dem Sieg Ruhanis trug auch die relativ hohe Wahlbeteiligung von etwa 73 Prozent bei, ähnlich hoch wie 2003, als 76,2 Prozent zu den Urnen gingen. Wegen des großen Andrangs ließen die Behörden am Freitag die Wahllokale bis Mitternacht geöffnet, fünf Stunden länger als ursprünglich geplant.

Sigmar Gabriel gratulierte Ruhani

Als erste ausländische Politikerin gratulierte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini dem Sieger zu seinem „kräftigen Mandat“. Die Iraner hätten sich leidenschaftlich am politischen Leben ihres Landes beteiligt, twitterte Mogherini und erklärte, die Europäische Union sei bereit, mit dem Iran weiter zu kooperieren bei der Umsetzung des Atomvertrags, bei bilateralen Initiativen sowie beim Frieden in der Region.

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Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel gratulierte: Sein Sieg sei ein Zeichen für die breite Unterstützung in der Bevölkerung für den Weg der wirtschaftlichen und politischen Öffnung.

Russland Präsident Wladimir Putin, der zusammen mit dem Iran das Assad-Regime in Syrien unterstützt, äußerte die Erwartung, dass sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern weiter vertiefen. Man wolle zusammenarbeiten, „um Stabilität und Sicherheit im Nahen Osten und in der Welt insgesamt“ zu gewährleisten, hieß es in dem Telegramm des Kremlchefs. Der Oberste Revolutionsführer Ali Khamenei pries die hohe Wahlbeteiligung und nannte die Abstimmung „einen Erfolg des iranischen Volkes“, ohne Ruhani zu gratulieren.

Entscheidung zwischen Konflikt und Frieden

Der Entscheidung am Freitag vorausgegangen war ein sehr kontrovers geführter Wahlkampf, in dem Ruhani das Votum als Entscheidung zwischen Konflikt oder Frieden, zwischen globaler Isolation oder „ehrenhaftem Kontakt mit der Welt“ charakterisierte.

Als innenpolitische Themen dominierten vor allem die hohe Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftsmisere, auch weil der Atomvertrag mit den fünf UN-Vetomächten plus Deutschland bisher keinen Boom bei ausländischen Investitionen ausgelöst hat. Die westlichen Firmen zögern, vor allem, weil sie nicht wissen, welche Iran-Politik die Vereinigten Staaten unter ihrem unberechenbaren Präsidenten Donald Trump einschlagen werden.

Ruhani warf seinem konservativen Kontrahenten vor, die Menschen mit unbezahlbaren Sozialversprechen zu ködern. Scharfe Kritik übte er am
staatlichen Fernsehen und bezichtigte die Verantwortlichen, als Propaganda­instrument seines erzkonservativen Gegenspielers Ebrahim Raeissi zu agieren. Raeissi wiederum hielt Ruhani vor, bei dem Atomvertrag zu nachgiebig verhandelt zu haben und für die fortdauernde Misswirtschaft verantwortlich zu sein.

Der 56 Jahre alte Karrierejurist, der seine Abstammung auf den Propheten Mohammed zurückführt, gehörte als junger Kleriker einer vierköpfigen „Todes-Kommission“ an, die 1988 die Massenexekution von rund 4000 Regimegegnern organisierte.

Ruhani könnte iranische Gesellschaft öffnen

Wie groß der Spielraum des Wahlsiegers ist, die iranische Gesellschaft weiter zu öffnen und das kulturelle Leben zu liberalisieren, werden die nächsten Monate und Jahre zeigen. Zu einem wichtigen Test für Ruhanis Reformkraft dürfte das weitere Schicksal der „grünen Idole“ von 2009 sein: Ex-Premier Mir Hossein Mussawi, seine Frau Zahra Rahnavard sowie Ex-Parlamentspräsident Mehdi Karroubi stehen seit sechs Jahren unter Hausarrest.

Bei zahlreichen Großkundgebungen Ruhanis hatte die Menge minutenlang die Namen der verbannten Politiker skandiert und ihre Freilassung gefordert. Bereits 2013 versprach Ruhani, den entwürdigenden Zustand zu beenden. „Ich habe keine meiner Versprechungen vergessen“, rief er im Wahlkampf den Menschen zu und beschwor sie, ihm für die nächste Amtszeit ein neues noch kräftigeres Mandat zu geben. Nur dann sei er in der Lage, „diese verehrten Persönlichkeiten“ zurück in die Gesellschaft zu bringen.