Brasilia. Ein Koffer mit Geld, abgehörte Gespräche – in Brasilien bahnt sich ein neuer Skandal an. Mittendrin: Staatspräsident Michel Temer.

Ein politisches Erdbeben droht Brasilien zu erschüttern – und lässt den Ruf nach einem Rücktritt von Präsident Michel Temer (76) immer lauter werden. Temer soll aktiv geholfen haben, mit Hilfe von Geldzahlungen einen Mitwisser in einem Korruptionsskandal zum Schweigen zu bringen.

In der Hauptstadt Brasilia war nach dem Bekanntwerden von angeblich schwer belastenden Tonaufnahmen von einer „Bombe“ die Rede. Temer sagte am Donnerstag alle Termine ab.Von allen Seiten kamen Forderungen nach Rücktritt und Neuwahlen. Der konservative Politiker hatte erst vor einem Jahr die suspendierte und später des Amtes enthobene linke Präsidentin Dilma Rousseff abgelöst.

Doch Temer lehnte einen Rücktritt ab. „Ich werde nicht zurücktreten“, sagte er am Donnerstag nach stundenlangen internen Beratungen in einer kämpferischen Ansprache in Brasilia. „Ich habe das Schweigen von niemandem erkauft“, sagt er. Der konservative Politiker forderte eine rasche Untersuchung und kritisierte, dass er illegal abgehört worden sei.

Ein Koffer voller Schweigegeld

Der Leitindex Ibovespa fiel an der Börse in São Paulo um mehr als zehn Prozent, der Handel musste zeitweilig ausgesetzt werden. Der Dollar wurde im Vergleich zum Real so stark wie seit Monaten nicht mehr notiert.

Massendemonstrationen in Brasilien

weitere Videos

    Und darum geht es in dem Polit-Krimi: Dem Internet-Portal „O Globo“ zufolge gab es ein Treffen Temers mit Joesley und Wesley Batista – den Brüdern gehört der größte Fleischkonzern der Welt, JBS. Auch gegen das Unternehmen wird wegen diverser Unregelmäßigkeiten ermittelt. Temer soll dabei grünes Licht gegeben haben, den inhaftierten Ex-Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha mit einer Geldzahlung zum Schweigen zu bringen.

    Kam der Auftrag vom Präsidenten?

    Cunha gilt als einer der bestinformierten Politiker Brasiliens, wenn es um all die Verwicklungen eines Korruptionsskandals geht, der das Land seit drei Jahren in Atem hält und die ganze politische Klasse in Misskredit gebracht hat.

    Temer ließ mitteilen, dass er niemals Zahlungen für das Schweigen Cunhas vorgeschlagen habe. Das Treffen an sich wurde aber bestätigt, es fand Anfang März statt. Laut „O Globo“ soll anschließend der Abgeordnete Rodrigo Rocha Loures von Temers Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) dabei gefilmt worden sein, wie er einen Geldkoffer mit 500.000 Reais (146.000 Euro) entgegennahm – er soll von Temer mit dem Lösen der Sache beauftragt worden sein. Das Geld soll von Joesley Batista stammen, hieß es. Auch Cunha ist Mitglied der PMDB.

    Immunität aufgehoben

    Zudem soll der Senator und Ex-Präsidentschaftskandidat Aécio Neves zwei Millionen Reais (580.000 Euro) von dem Unternehmer Batista gefordert haben, um JBS beim Lösen der Probleme zu helfen – die ohne Rücksicht auf Namen ermittelnde Justiz gilt vielen Bürgern als letzte glaubwürdige Instanz. Der Oberste Gerichtshof ließ Neves’ Immunität aufheben, es kam am Donnerstag zu Razzien. Auch die Immunität des Geldüberbringers Loures wurde aufgehoben, beiden droht nun Gefängnis.

    Batista soll das Gespräch mit Temer aufgezeichnet haben; Temers Schicksal hängt nun von dem Richter am Obersten Gerichtshof, Edson Fachin, ab. Ihm gegenüber machten Joesley Batista und sein Bruder Wesley die brisanten Aussagen und ihm händigten sie auch das Beweismaterial aus – wohl, um von einer Kronzeugenregelung zu profitieren. (dpa)