Berlin. Die Türkei hat deutschen Politikern den Besuch bei Soldaten in Incirlik untersagt. Kanzlerin Merkel fordert nun eine Umkehr Ankaras.

  • Deutsche Abgeordnete dürfen den Luftwaffenstützpunkt Incirlik nicht besuchen
  • Grund soll das Asyl für türkische Offiziere in Deutschland sein
  • Die Krise in den deutsch-türkischen Beziehungen verschärft sich damit weiter

Die Türkei hat mehreren Bundestagsabgeordneten einen Besuch bei den deutschen Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik untersagt. Darüber informierte das Auswärtige Amt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur die Obleute des Verteidigungsausschusses. Die Bundesregierung erwägt nun nach Angaben aus dem Ausschuss den Abzug der deutschen Soldaten. Die Krise in den deutsch-türkischen Beziehungen verschärft sich damit weiter.

„Das ist misslich“, kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag die Entscheidung aus Ankara. Dies habe ihre Regierung auch „auf verschiedenen Kanälen klargemacht“. Die Bundeswehr sei eine Parlamentsarmee, deshalb sei es „absolut notwendig“, dass Abgeordnete die Soldaten in Incirlik besuchen könnten. Auch Merkel erklärte, man sehe sich nach Alternativen für Incirlik als Stützpunkt um. Als Beispiel nannte sie Jordanien.

Der Besuch der Obleute des Verteidigungsausschusses war für Dienstag geplant und bereits vor Wochen angekündigt worden. Die türkische Seite hatte sich lange Zeit gar nicht gerührt. Am Samstag wurde die Absage dem Auswärtigen Amt auf Arbeitsebene mitgeteilt. Als ein Grund soll die Gewährung von Asyl für türkische Offiziere in Deutschland angegeben worden sein.

Etwa 260 deutsche Soldaten in Incirlik

Die Bundeswehr beteiligt sich von Incirlik aus mit „Tornado“-Aufklärungsjets und einem Tankflugzeug an den Luftangriffen gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien und im Irak. Auf der Luftwaffenbasis sind etwa 260 deutsche Soldaten stationiert.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Türkei Bundestagsabgeordneten über Monate hinweg den Besuch bei den deutschen Soldaten in Incirlik verweigert. Im Oktober durften sie dann doch noch einreisen. Grund für die Verstimmung war damals, dass der Bundestag in einer Entschließung die im Osmanischen Reich an den Armeniern begangenen Verbrechen als Völkermord anerkannt hatte.

Regierung sieht sich nach Alternativen um

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Später führte der Wahlkampf vor dem Referendum zur türkischen Verfassungsreform zu neuen Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis, die sich nun weiter verschärfen dürften.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, sagte, für die Bundesregierung sei es „absolut inakzeptabel“, dass der schon vor Wochen angekündigte Besuch von Mitgliedern des Verteidigungsausschusses nun nicht möglich sein werde. Und Regierungssprecher Steffen Seibert teilte mit, die Bundesregierung werde Alternativstandorte ins Auge fassen.

Darum geht es beim Streit um den Stützpunkt Incirlik

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    Abzug jetzt vorbereiten, fordert SPD

    Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, fordert den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Incirlik. „Die Sache ist eindeutig: Das Besuchsrecht ist zwingend für eine Parlamentsarmee“, sagte er unserer Redaktion. „Wir sind nicht Erdogan zur Liebe dort. Deshalb gibt es nur eins: schnellstmöglich raus aus Incirlik.“

    Ähnlich formuliertes es auch der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verteidigung, Wolfgang Hellmich. „Wir lassen uns nicht erpressen“, sagte der SPD-Politiker. Das Besuchsrecht der Abgeordneten bei den Soldaten müsse jederzeit gewährleistet sein. „Deswegen ist die Einleitung eines Abzuges und Verlegung an den bestmöglichen Standort absolut richtig. Das muss jetzt geschehen.“

    Der CDU-Obmann Henning Otte äußerte sich etwas vorsichtiger: „Vor dem Hintergrund der fortgesetzten politischen Hindernisse, die mit der Stationierung in Incirlik verbunden sind, bitte ich die Verteidigungsministerin, mit höherer Dringlichkeit alternative Stationierungsorte in Betracht zu ziehen.“ Erpressen lassen wolle man sich nicht, sagte auch Otte.

    Alternativstandorte wären Jordanien, Kuwait und Zypern

    Die Linke forderte ebenfalls den Abzug aus Incirlik. Das wäre ein erster Schritt hin zu einer anderen Politik gegenüber der Türkei, sagte Obmann Alexander Neu. „Das würdelose Agieren der Bundesregierung ist der Preis für die geopolitisch geprägte deutsche Machtpolitik.“

    Das Verteidigungsministerium hat bereits Alternativ-Standorte in Jordanien, Kuwait und auf Zypern geprüft. Die Entscheidung soll nach Angaben aus dem Ausschuss in den nächsten Wochen fallen. Jordanien wird als Standort favorisiert. (dpa)

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