Berlin. Immer wieder werden Schafe und Hühner von Wölfen gerissen. Der Landwirtschaftsminister will das unterbinden – und stößt auf Widerstand.

Guter Wolf? Böser Wolf? Aus der ersten Begeisterung über die Rückkehr des Wolfes in Deutschland hat sich ein handfester Streit entwickelt. Umweltschützer freuen sich nach wie vor über den neuen Mitspieler im Ökosystem, viele Landwirte dagegen fürchten um ihre Weidetiere. Der Umgang mit sogenannten Problemwölfen stellt das Land inzwischen vor die Frage: Sollen Wölfe abgeschossen werden?

Christian Schmidt (CSU), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft.
Christian Schmidt (CSU), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. © imago/Rüdiger Wölk | imago stock&people

Niemand weiß genau, wie viele Wölfe derzeit in Deutschland leben. Sie halten sich nicht an Grenzen, ihre Zahl lässt sich nur schätzen. Nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz wurden im vergangenen Jahr 120 bis 130 erwachsene Tiere nachgewiesen, das Landwirtschaftsministerium geht von rund 500 einzelnen Tieren und insgesamt 46 Rudeln aus.

Laut Umweltministerium gab es im Jahr 2015 insgesamt 199 Fälle, bei denen Wölfe Nutztiere angriffen – dabei wurden 714 Tiere verletzt oder getötet, die Zahlen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die allermeisten gerissenen Tiere waren Schafe, doch es gab Verluste auch in Geflügelbeständen und vereinzelt unter Ziegen, Rindern und Fohlen.

2015 gab es fast 200 Angriffe von Wölfen auf Nutztiere

Die Länder hätten die betroffenen Tierhalter mit Ausgleichszahlungen in Höhe von knapp 107.783 Euro entschädigt, heißt es im Umweltministerium. Ausgleichszahlungen wurden in Fällen geleistet, bei denen ein Wolf nachgewiesen werden konnte, als auch zum Teil bei Fällen, bei denen Wolf oder Hund infrage gekommen seien.

Rund 200 Angriffe von Wölfen? Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt will jetzt die Reißleine ziehen und Wölfe abschießen lassen, um der Ausbreitung der Rudel Grenzen zu setzen: „Ich halte eine begrenzte Abschussfreigabe für den richtigen Weg, damit der Wolf bei uns weiterhin ohne Konflikte existieren kann“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion.

Anlässlich der Umweltministerkonferenz im brandenburgischen Bad Saarow warb Schmidt für ein besseres „Wolfsmanagement“: Der Wolf sei in Deutschland heimisch, seine Rückkehr zeige, dass das Ökosystem funktioniere. Doch der Wolf habe keine natürlichen Feinde. Die Ausbreitung des Wolfes müsse deswegen eingeschränkt werden. „Vor allem in Regionen mit einem hohen Anteil an Weidehaltung“, so Schmidt.

Es soll eine festgelegte Abschussquote geben

Bei einer begrenzten Abschussfreigabe würden die Forst- und Jagdverwaltungen in den Ländern damit beauftragt, die Wölfe zu beobachten und Tiere abzuschießen, wenn die Bestände zu groß werden.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD.
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD. © dpa | Matthias Balk

Doch ob es dazu kommt, ist fraglich. Der Wolf steht unter Artenschutz – eine Abschussfreigabe müsste von der EU genehmigt werden. In Frankreich hat es funktioniert – dort allerdings rissen Wölfe allein 2014 fast 9000 Nutztiere, der Staat musste mehr als zwei Millionen Euro an Ausgleichszahlungen leisten. Inzwischen gibt es dort nun eine jährlich festgelegte Abschussquote zur Bestandsverringerung der Wolfspopulation.

In Deutschland dagegen müsste dafür erst einmal Einigkeit innerhalb der Regierung herrschen. Doch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sieht keinen Grund für einen Schießbefehl zum Schutz von Schafen und anderen Weidetieren: Bereits jetzt biete das Artenschutzrecht zwei Möglichkeiten, Wölfe im Ernstfall zu töten.

Landwirtschaftsminister gegen Umweltministerin

Erstens: Zum Schutz von Menschen. Verhält sich ein Wolf auffällig, kommt er Siedlungen zu nah, darf er abgeschossen werden. Der „Problemwolf“ namens Kurti war so ein Fall. Der offiziell unter dem Namen „MT6“ geführte Rüde war der erste Wolf, der wegen seines auffälligen Verhaltens auf Anweisung des Niedersächsischen Umweltministeriums vor rund einem Jahr getötet wurde.

Zweitens: Überwindet ein Wolf zumutbare Schutzmaßnahmen für Herdentiere, wie zum Beispiel Elektrozäune, müssen die zuständigen Behörden prüfen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. „Dazu kann nach geltendem Artenschutzrecht im Extremfall auch der Abschuss gehören“, sagte ein Sprecher der Umweltministerin unserer Redaktion. Aber: „Einen solchen Fall gab es in Deutschland noch nie.“ Entscheidend sei, dass der Wolf durch gute Schutzmaßnahmen von vornherein lerne, dass er Nutztiere nicht erreichen kann. In Gebieten mit längerer Wolfsanwesenheit gingen die Schäden häufig zurück, heißt es im Umweltministerium.

Mit anderen Worten: Der Landwirtschaftsminister will den Wolf zurückdrängen, die Umweltministerin will, dass sich Deutschland an ein Leben mit dem Wolf gewöhnt. „Der Wolf kann nicht zur Jagd freigegeben werden“, sagte Hendricks bei der Umweltministerkonferenz an diesem Freitag.

Bisher wurde noch kein Wolf gezielt getötet

Hendricks Lösung: Tierhalter sollen ihre Weidetiere mit Zäunen oder Hunden schützen – so wie in früheren Jahrhunderten. Doch was heißt eigentlich „zumutbare Herdenschutzmaßnahmen“? Das dürfte im Einzelfall schwer zu entscheiden sein. Kosten verursacht der Wolf den Tierhaltern in jedem Fall: Selbst wenn sie in einigen Bundesländern Fördergelder etwa für Schutzzäune bekommen – die Hauptlast bleibt bei den Landwirten.

Ein Wolf bei Hameln (Niedersachsen) mit einem gerissenen Waschbär.
Ein Wolf bei Hameln (Niedersachsen) mit einem gerissenen Waschbär. © dpa | Thomas Fietzek

In Brandenburg sucht man nun einen Weg, um im Einklang mit dem Artenschutzrecht Problemwölfe loszuwerden: „Es wird aber immer eine konkrete Einzelfallentscheidung sein“, betont Umweltstaatssekretärin Carolin Schilde. Das streng geschützte Raubtier werde nicht zum Abschuss freigegeben. Es sei natürlich, wenn Wölfe Schafe oder Kälber rissen, heißt es dort, würden aber wiederholt Schutzmaßnahmen überwunden, dann müsse der Wolf abgeschossen werden. Denn: Er sei ein intelligentes Tier und gebe sein Wissen an den Nachwuchs weiter. „Wir wollen keine Rudel, die diese Verhaltensweisen entwickelt haben“, heißt es im Brandenburgischen Umweltministerium.

Bislang wurde nach Ministeriumsangaben noch kein Wolf gezielt getötet. Zehn Jahre nach der Wiederansiedlung leben in Brandenburg nach neuesten Angaben heute 25 Rudel und insgesamt rund 200 Wölfe.