Brüssel. Die EU-27 wollen erst eine saubere Trennung verhandeln, die Briten gleich ein Gesamtpaket. Ab dem 9. Juni starten die Brexit-Gespräche.

Großbritanniens EU-Partner (EU-27) haben sich in Brüssel auf ihren Kurs für die Brexit-Gespräche verständigt. Die Devise der „Leitlinien“ ist: Wir geben den Ton an und den Ablauf vor. Nun muss die EU-Kommission die Details festlegen. Ende Mai segnet der EU-Ministerrat das Mandat für die Kommission ab. Nach den Wahlen zum britischen Parlament am 8. Juni, also ab dem 9. Juni, geht es ans Eingemachte: Dann beginnen die Brexit-Verhandlungen.

Was wollen die EU-27?

Nach den vom EU-Sondergipfel verabschiedeten „Leitlinien“ hat dreierlei Vorrang: Zunächst der Schutz der Rechte und Ansprüche der 3,2 Millionen EU-Bürger mit Wohnsitz in Großbritannien. Dabei geht es um Renten, Absicherung bei Jobverlust, Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem. Zweiter Punkt ist die Schlussabrechnung aller Verpflichtungen, die das EU-Mitglied Großbritannien eingegangen ist. Wichtig ist auch ein möglichst verträgliches Grenzregime in Irland. Durch die Insel verläuft künftig eine EU-Außengrenze.

Welches sind die Knackpunkte?

Das Zwei-Phasen-Verfahren – erst Trennung, dann künftige Beziehungen – gefällt den Briten nicht. Sie würden lieber von Anfang an auch über Partnerschaft nach dem Brexit reden. Prinzipielles Einverständnis gibt es über die Notwendigkeit von Bürgerschutz – schließlich leben auch rund eine Million Briten auf dem Kontinent. Zum Beispiel geht es um die Rolle des EU-Gerichts oder der Regelungen für Familiennachzug.

Was kostet der Brexit?

Die Milliarden-Euro-Frage befindet sich derzeit noch im spekulativen Vorstadium. Die EU-27-Seite hat schon vor Wochen gestreut: Die Briten müssten insgesamt 60 Milliarden Euro für den EU-Ausstieg zahlen. Den „Leitlinien“ zufolge geht es um Verpflichtungen im Rahmen des EU-Finanzplans, aber auch durch Teilhaberschaft an Gemeinschaftsinstitutionen wie der Europäischen Zentralbank oder der Europäischen Investitionsbank. Außerdem drängt die EU auf Erstattung der Umzugskosten für die Verlegung von EU-Ämtern aus Großbritannien. Die Briten haben umgekehrt 20 Milliarden als Größenordnung für ihren Anteil am EU-Vermögen ins Spiel gebracht. Den definitiven Saldo müsse man sich „Schritt für Schritt erarbeiten“, meinte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Offen ist auch, ob und wie das Zehn-Milliarden-Loch gestopft werden solle, das der Verlust des Nettozahlers Großbritannien jedes Jahr in die bisherige Finanzausstattung der EU reißt.

Gibt es noch Alternativ-Szenarien?

Das Risiko, dass sich beide Seiten in der vorgegebenen Frist von zwei Jahren nicht auf einen Austrittsvertrag einigen („No Deal“), ist nach wie vor nicht ausgeschlossen. London bleibt bei der Linie, kein Abkommen sei besser als ein schlechtes. Nach Darstellung von EU-Offiziellen seien sich die Briten aber der gravierenden Nachteile dieses Szenarios bewusst. Als noch unwahrscheinlicher gilt, dass Großbritannien die Abmeldung rückgängig macht („No Brexit“). Der prominenteste Stoppt-den-Brexit-Aktivist, Ex-Premier Tony Blair, gibt die Sache aber noch nicht verloren. „Kennen die Leute erst einmal die Details, werden sie ins Grübeln kommen“, hofft der ehemalige Regierungschef. Er will sich künftig verstärkt in die Debatte einmischen.