Düsseldorf/Frankfurt. Ein festgenommener Schweizer soll deutsche Steuerfahnder ausgeforscht haben. NRW-Ministerpräsidentin Kraft findet deutliche Worte.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat die mutmaßliche Ausforschung deutscher Steuerfahnder durch einen mutmaßlichen Schweizer Spion scharf verurteilt. „Wenn das stimmt, ist das ein echter Skandal“, sagte die SPD-Politikerin am Montag bei einer DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit in Köln. „Das ist eine Sauerei.“ Die NRW-Landesregierung werde sich nicht davon abbringen lassen, den Weg der Steuergerechtigkeit weiterzugehen.

Die Bundesanwaltschaft hatte den 54 Jahre alten Schweizer Daniel M. in Frankfurt festnehmen lassen, weil er dringend verdächtig sei, seit Anfang 2012 für den Geheimdienst einer fremden Macht tätig gewesen zu sein, hieß es am Freitag ohne Nennung weiterer Einzelheiten zu den Vorwürfen. In Frankfurt und im Wetteraukreis wurden zudem mehrere Wohn- und Geschäftsräume durchsucht.

Wie genau liefen die Käufe der Steuer-CDs ab?

Die Zeitung „Blick“ meldete am Sonntag unter Berufung auf den deutschen Anwalt des Verdächtigen, sein Mandant werde beschuldigt, er habe den Auftrag gehabt, deutsche Steuerfahnder zu identifizieren, die am Ankauf von Bankdaten beteiligt waren.

Sein Mandant solle demnach entsandt worden sein, „um hier herauszufinden, welche Steuerfahnder die Steuer-CDs kauften und wie diese Käufe genau abliefen“, sagte der Anwalt weiter. Nach Informationen der „Welt“ soll der festgenommene Schweizer jahrelang als Spion des Schweizer Geheimdienstes NDB in Deutschland tätig gewesen sein.

Offenbar auch in der Schweiz Ermittlungen gegen M.

Nach Informationen des Schweizer Radios wird auch in der Schweiz gegen Daniel M. ermittelt. Ihm werde vorgeworfen, vermeintliche Schweizer Bankdaten an Deutsche verkauft zu haben, sagte sein Schweizer Anwalt Valentin Landmann am Montag dem Schweizer Fernsehen SRF.

„Daniel M. wurde damals in einer Agent-Provocateur-Aktion von Deutschen angesprochen und ist bis zu einem gewissen Grad auf diese Angebote eingegangen“, sagte der Anwalt dem Sender. Sein Mandant habe aber keinerlei gültige Bankdaten aus der Schweiz geliefert. Als Agent Provokateur wird jemand bezeichnet, der – meist im Auftrag eines Staates – Dritte zu rechtswidrigen Handlungen animieren soll.

Steuerfahnder, die illegal in der Schweiz tätig waren

Zu den Vorwürfen in Deutschland sagte der Anwalt: „Daniel M. wird beschuldigt, für den schweizerischen Nachrichtendienst deutsche Steuerfahnder ermittelt zu haben, die illegal in der Schweiz tätig waren. Und zwar im Zusammenhang mit der Affäre um CDs mit Schweizer Bankdaten, die an deutsche Steuerbehörden verkauft worden sein sollen.“

Ob der Schweizer Nachrichtendienst NDB tatsächlich der Auftraggeber war, sagte der Anwalt nicht, aber: „Daniel M. hat solche Ermittlungen mit Sicherheit nicht aus Hobbygründen getätigt.“ Sein Mandant sei als Sicherheitsberater vor allem im Finanzbereich tätig.

NRW schließt Ankauf weiterer CDs nicht aus

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans betonte in der „Rheinischen Post“, die Landesregierung werde sich nicht einschüchtern lassen. Die NRW-Finanzverwaltung erwerbe Steuer-CDs, „weil sie Steuerhinterziehung nicht anders aufklären kann“. Nordrhein-Westfalen schließt den Ankauf weiterer Steuer-CDs als letztes Mittel im Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht aus, hieß es aus seinem Ministerium.

Im Kampf gegen die grenzüberschreitende Steuerflucht hatten die EU und die Schweiz im Mai 2015 ein Abkommen über den automatischen Austausch von Bankdaten ab 2018 besiegelt. Bei Inkrafttreten des Abkommens werden die 28 EU-Staaten künftig von der Schweiz jährlich Daten zu allen Steuerpflichtigen erhalten, die dort ein Konto haben. Die gleichen Verpflichtungen haben dann auch die EU-Staaten gegenüber der Schweiz.

Gerichte haben Kauf von Steuer-CDs anerkannt

Seit 2006 hatten mehrere Bundesländer sogenannte Steuersünder-CDs mit gestohlenen Kundendaten aus der Schweiz und Liechtenstein angekauft. Das von der Schweiz kritisierte Vorgehen war politisch lange hoch umstritten, wurde von höchsten deutschen und europäischen Gerichten jedoch als juristisch zulässig anerkannt. (dpa)