Dschidda/Berlin. Deutschland setzt auf den schwierigen Partner im Nahen Osten. Angela Merkel setzt bei ihrem Besuch in Saudi-Arabien dezente Signale.

Die Frau im hellblauen Sakko ist umringt von saudischen Würdenträgern. Männer in hellen Gewändern und rot-weiß gemusterten Turbanen defilieren an ihr vorbei. Bundeskanzlerin Angela Merkel schüttelt jedem die Hand, schaut ihnen in die Augen und nickt zur Begrüßung leicht den Kopf. Im Saal hängen schwere Kristallleuchter, die Wände zieren graue Vorhänge mit goldenen Bordüren. König Mohammed Salman steht daneben und lächelt.

Es ist ein seltenes Bild im Palast der Hafenstadt Dschidda am Roten Meer. Frauen haben hier normalerweise keinen Zugang. Im streng muslimischen Königreich Saudi-Arabien gilt für sie zudem eine feste Kleiderordnung: schwarzer Umhang, die Abaya, schwarzes Kopftuch, viele tragen auch einen Schleier. Merkels lockerer Auftritt hat die Botschaft: Hier spricht eine moderne Frau aus dem Westen, eine Regierungschefin zumal, die sich wie selbstverständlich mitten in der saudi-arabischen Männergesellschaft bewegt.

Bekämpfung von Terrormilizen

Aber Merkel provoziert nicht. Sie setzt bei ihrem eintägigen Besuch eher dezente Signale. Zu wichtig ist die Öl- und Gasgroßmacht Saudi-Arabien in der Wirtschaft. Die Kanzlerin braucht zudem die Zustimmung der Saudis beim G20-Gipfel am 7. und 8. Juli in Hamburg. Etwa beim Klimaschutz, dem US-Präsident Donald Trump nicht viel Bedeutung beimisst. Ferner ist der Wüstenstaat als politischer Ordnungsfaktor im krisengeschüttelten Nahen Osten unverzichtbar.

Deshalb soll auch die militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern intensiviert werden. Die Kooperation der Geheimdienste bei der Bekämpfung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ist bereits sehr eng. So leiten die saudischen Geheimdienste ihre Erkenntnisse über Extremisten in Syrien und im Irak auch an Deutschland weiter. Darüber hinaus will die Bundesrepublik künftig verstärkt saudi-arabische Soldaten, Polizisten und Grenzschützer ausbilden. Bei der Merkel-Visite wurden entsprechende Abkommen unterzeichnet.

Militärintervention im Jemen

Das Verteidigungsministerium will saudischen Soldaten in Deutschland unter die Arme greifen. Das Innenministerium vereinbarte Trainingsprogramme für Grenzschützer, Bahnpolizisten und Experten für die Luftsicherheit. Die Kanzlerin sprach am Sonntagnachmittag nicht nur mit dem König, sondern auch mit Verteidigungsminister Mohammed bin Salman. Der 31-Jährige gilt als der neue starke Mann am Königshof. Der stellvertretende Kronprinz ist die treibende Kraft bei der saudischen Militärintervention im Jemen.

Die Bundesregierung hat mehrfach vor einer weiteren Eskalation gewarnt und Riad aufgefordert, auf eine politische Lösung in dem Land zu setzen. Auch am Sonntag dürfte die Kanzlerin das Thema aufs Tapet gebracht haben, hinter verschlossenen Türen. Im Jemen sind auch wegen des Bürgerkrieges zwischen der Regierung und vom Iran unterstützten schiitischen Huthi-Rebellen Millionen Menschen von einer Hungerkrise bedroht.

Hoffnungen auf Merkel

König, Verteidigigungsminister, Innenminister (hier im Bild, Kronprinz Mohammed Bin Nayef) – Merkel hat viele Gespräche in Sausi-Arabien.
König, Verteidigigungsminister, Innenminister (hier im Bild, Kronprinz Mohammed Bin Nayef) – Merkel hat viele Gespräche in Sausi-Arabien. © REUTERS | HANDOUT

Deutschland und Saudi-Arabien verabredeten zudem gemeinsame Entwicklungsprojekte wie den Aufbau einer Stromversorgung in Mali und Niger. Deutschland und die EU wollen die nordafrikanischen Regierungen unterstützen, weil beide Transitländer für afrikanische Migranten sind, die in die EU wollen. Am Nachmittag sprach Merkel auch mit Vertretern der saudischen Zivilgesellschaft. Die Menschenrechtslage in dem Land gilt wegen der Todesstrafe, öffentlichen Auspeitschungen und inhaftierter Journalisten als verheerend. Die Frau des inhaftierten Bloggers Raif Badawi setzte große Hoffnungen auf Merkel.

„Ich hoffe, dass die Kanzlerin die saudischen Führer direkt nach einer Begnadigung fragen wird“, sagte die in Kanada lebende Ensaf Haidar. Badawi wurde 2014 nach bereits mehrjähriger Haft wegen angeblicher Beleidigung des Islams zu zehn Jahren Gefängnis und 1000 Stockhieben verurteilt.

Abhängigkeit von Öl

In den Wirtschaftsbeziehungen gab es zuletzt einen Einbruch. Aufgrund des stark gesunkenen Ölpreises konnte Saudi-Arabien wesentlich weniger aus Deutschland importieren als in der Vergangenheit. Das Königreich arbeitet allerdings an einem ehrgeizigen Diversifizierungsprogramm. Unter der Überschrift „Vision 2030“ will das Land seine Abhängigkeit von Öl und Gas deutlich reduzieren.

Große Hoffnungen setzen die Scheichs zum Beispiel auf erneuerbare Energien – mit dem entsprechenden Know-how aus Deutschland. Am Sonntag gab es einen ersten Mini-Schritt in diese Richtung. Der Siemens-Konzern soll Saudi-Arabien bei der „digitalen industriellen Transformation“ helfen. Eine Absichtserklärung sieht zudem vor, einheimische Arbeitskräfte auszubilden.