Berlin . Alte Debatte, neu belebt: De Maizière stellt einen Zehn-Punkteplan zur deutschen Leitkultur auf – und erntet Kritik und Augenrollen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist mit seinem Zehn-Punktekatalog für eine deutsche Leitkultur auf massive Kritik gestoßen. FDP-Chef Christian Lindner sagte der dpa am Sonntag, de Maizière wolle damit lediglich Wahlkampf machen: „Der Beitrag von Herrn de Maizière ist ein Ablenkungsmanöver. Die CDU bringt eine moderne Einwanderungspolitik mit gesetzlicher Grundlage nicht zustande. Stattdessen werden jetzt alte Debatten aufgewärmt.“
Auch aus den Reihen von SPD und Grünen kam Widerspruch: SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel nannte de Maizières Vorstoß auf Twitter „eine peinliche Inszenierung“. Ralf Stegner, ebenfalls SPD-Vize, schrieb, De Maizière sei „mit verschwurbelter Leitkulturdebatte im Wettbewerb mit CSU+Rechtspopulisten“.
Grüne Peter fordert „neue Innenpolitik“
Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) warf dem Minister „pure rechte Stimmungsmache“ vor. Aus Sicht von Grünen-Chefin Simone Peter braucht Deutschland keine Debatte über eine Leitkultur, sondern „eine neue Innenpolitik, die Integration voranbringt, rechte Netzwerke prüft und islamistische Gefährder im Auge hat“, wie sie auf Twitter schrieb.
Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry ging den Innenminister über Twitter persönlich an: „Modell #deMaizière: Deutsche #Leitkultur während der Legislatur torpedieren, zwei Wochen vor der Wahl den großen Kulturverteidiger spielen“.
De Maizière hatte zehn Kriterien genannt
De Maizière hatte in der „Bild am Sonntag“ unter anderem geschrieben: „Ich will mit einigen Thesen zu einer Diskussion einladen über eine Leitkultur für Deutschland.“ Er führte zehn Eigenschaften auf, die Teil einer deutschen Leitkultur seien. Etwa soziale Gewohnheiten wie die, dass man sich in Deutschland zur Begrüßung die Hand gebe, man zeige sein Gesicht und nenne seinen Namen. „Wir sind nicht Burka“, schrieb de Maizière. Nicht nur dieser Satz löste bei vielen Empörung und Augenrollen aus.
Deutschland „Religionen freundlich zugewandter Staat“
Zur Leitkultur gehörten Allgemeinbildung, der Leistungsgedanke, das Erbe der deutschen Geschichte mit dem besonderen Verhältnis zu Israel und der kulturelle Reichtum. Deutschland sei ein christlich geprägter, Religionen freundlich zugewandter aber weltanschaulich neutraler Staat, so de Maizière. Kritik am Begriff Leitkultur wies er zurück. Stärke und innere Sicherheit der eigenen Kultur führe zu Toleranz gegenüber anderen.
Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz kritisierte in einem Beitrag für die „Huffington Post“, dass de Maizière in seiner Liste nicht zwischen verpflichtendem Recht und unverbindlicher Tradition unterscheide. Für eine verpflichtende Leitkultur gebe es in der deutschen Verfassung keine Rechtsgrundlage, so Polenz.
Lindner fragt nach Einwanderungsgesetz
FDP-Chef Lindner hielt dem Innenminister weiter entgegen, er sollte besser eine Vorlage für ein Einwanderungsgesetz erarbeiten, das zwischen Flüchtlingen einerseits und dauerhaftem Aufenthalt andererseits unterscheide. Bereits Anfang des Jahres habe der Innenminister aus Wahlkampfgründen Vorschläge zur Sicherheitsarchitektur gemacht, die folgenlos geblieben seien. „Wir brauchen keinen Innenminister, der folgenlose Debatten anstößt, sondern einen, der real existierende Probleme löst.“ (dpa)