Berlin. Bundeswehrsoldat, Deutscher und anerkannter Asylbewerber aus Syrien: Der seltsame Fall des Terrorverdächtigen Franco A. im Überblick.

Der Fall des am Mittwoch unter Terrorverdacht festgenommenen Bundeswehrsoldaten Franco A. gibt viele Rätsel auf. Er schweigt nach Angaben der Staatsanwaltschaft Frankfurt. Eine Übersicht zum Stand der Dinge.

Was bislang über den Fall Franco A. bekannt ist

Der Deutsche Franco A. (28) lässt sich Ende Dezember 2015 unter dem Namen David Benjamin in Gießen als Flüchtling registrieren. Laut „Bild“-Zeitung erzählt er dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), er sei syrischer Christ mit französischen Wurzeln. Er spricht kein Arabisch, ist aber bei einer deutsch-französischen Brigade in Frankreich stationiert. Daraufhin erhält der Offenbacher eine Unterkunft in einem Flüchtlingsheim und bezieht als Asylbewerber neben seinem Sold weiteres Geld unter seinem falschen Namen.

Er deponierte eine Pistole am Wiener Flughafen, sie ist nicht aus Bundeswehrbeständen. Im Januar 2017 wird die Waffe entdeckt, das Versteck fortan überwacht. Als A. die Waffe am 3. Februar 2017 zurückholen will, nehmen ihn österreichische Ermittler mit und verhören ihn. Sie nehmen auch Fingerabdrücke. Für einen Haftbefehl reicht der illegale Waffenbesitz offenbar nicht aus. Doch nun ist A. auf dem Schirm von Bundeskriminalamt (BKA) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr.

Die Behörden wissen jetzt von A.s Doppelleben als Soldat und Asylbewerber. Am 19. April vernimmt ihn der MAD. An diesem Mittwoch, den 26. April, rücken 90 Polizisten aus, durchsuchen 16 Objekte, Diensträume der Bundeswehr, die Wohnungen von Franco A. und seines mutmaßlichen Komplizen Mathias F. in Offenbach.

Der 24-jährige Student wird festgenommen, bei ihm finden die Ermittler weitere Waffen sowie laut Staatsanwaltschaft „Gegenstände“, die unter das Sprengstoffgesetz fallen. Es werden Handys, Laptops und schriftliche Unterlagen gesichert. Er hat nach Angaben der Frankfurter Oberstaatsanwältin Nadja Niesen ausgesagt, Patronen von dem Soldaten bekommen zu haben.

In welche Richtungen ermitteln die Sicherheitsbehörden?

Der in Frankreich stationierte Franco A. sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Ob sich er und sein mutmaßliche Komplize inzwischen geäußert haben, ist nicht bekannt.

Die Ermittlungen konzentrieren sich auf einen rechtsextremen Hintergrund. Franco A. war nach Informationen dieser Redaktion in entsprechenden Internetforen unterwegs und äußerte sich rassistisch in Chats mit seinem mutmaßlichen Komplizen. Eine Theorie lautet, A. wollte einen Anschlag verüben, um Flüchtlinge zu diskreditieren.

Laut einem „Spiegel“-Bericht war A. ein „eifriger Schüler, der gut Französisch gelernt habe“. Dies habe die Mutter eines früheren Sportkameraden erzählt. Eigentlich habe er Journalist werden wollen.

Wie wurde der Asylantrag überprüft?

Das ist peinlich für die Behörden: Er hatte sich Ende 2015 in der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen als syrischer Flüchtling ausgeben – in einer Zeit, als es durch den Flüchtlingsansturm in den Behörden teilweise chaotisch zuging. Angehört wurde der angebliche Flüchtling aber erst im November 2016 beim Bundesamt – nach der Phase der großen Belastung in der Behörde, wie ein Sprecher einräumte. Es handelte sich also nicht um ein schriftliches Asylverfahren, das zwischenzeitlich zur Beschleunigung der Bearbeitung angewendet wurde. Der Mann, der sich als syrischer Christ mit französischen Wurzeln ausgibt, spricht kein Arabisch.

Wie reagieren Politik und Behörden jetzt?

Die Bundesregierung hat Fehler eingeräumt. Das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) „werden jetzt jeden Stein umdrehen“, um herauszufinden, wie es zu einer solchen Fehlentscheidung kommen konnte, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Freitag in Berlin.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, der jetzt aufgedeckte Fall sei auch „ein makabrer Beleg, dass seit 2015/2016 zeitweise Asylbewerber ohne ernsthafte Prüfung ihrer Identität anerkannt wurden“. Deshalb seien schon vor Wochen sukzessive nachträgliche Sicherheitsüberprüfungen vereinbart worden. „Das wird bei 99 Prozent Ok sein, aber wir müssen es uns noch einmal anschauen.“ Konkret gehe es dabei um jene Flüchtlinge, deren Identitäten etwa wegen fehlender Papiere bis heute unsicher seien. Wie viele Flüchtlinge davon betroffen sein könnten, sagte er nicht. Der Sprecher von de Maizière sagte, für eine „anlasslose Überprüfung aller Asylbescheide“ gebe es keine rechtliche Grundlage.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt und das Regierungspräsidium (RP) Gießen äußerten sich zunächst nicht dazu, wie sich der 28-Jährige ohne Arabisch-Kenntnisse im Asylverfahren glaubhaft als Syrer ausgeben konnte. Das hessische Sozialministerium habe das RP bereits am Donnerstag beauftragt, „den Sachverhalt zu recherchieren und gründlich zu prüfen“, sagte Ministeriumssprecherin Esther Walter am Freitag. „Das RP ist mit Hochdruck dabei, und es muss auch eine Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft erfolgen.“

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, mahnte in der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Es muss dringend geklärt werden, ob in der rechten Szene gezielt Anschläge geplant werden, um sie Geflüchteten in die Schuhe zu schieben.“

Welche Fragen noch offen sind?

Es gibt eine Reihe von Fragen, die bisher nicht geklärt sind.

• Welchen Plan verfolgte Franco A.? Was hatte Franco A. mit der geladenen Waffe vom Kaliber 7,65 Millimeter vor?

• Warum betrieb er den Aufwand eines Doppellebens und riskierte, entdeckt zu werden?

• Wie konnte Franco A. als deutscher Staatsbürger Asyl beantragen – und erhalten?

• Welche Rolle spielt der 24-jährige Student aus Offenbach?

• Woher stammen die gefundenen Waffen und die anderen „Gegenstände“?

• Welches Motiv hatte Franco A.? (küp/epd/dpa)