Caracas. In Venezuela droht die Situation zu eskalieren. Erneut gab es Tote bei Protesten. Jetzt will das Land auch aus dem Amerika-Bund raus.

Inmitten eines erbitterten Machtkampfs zwischen der sozialistischen Regierung und der Opposition tritt Venezuela aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aus. „Morgen werden wir der OAS das Austrittschreiben zustellen und den Prozess einleiten, der 24 Monate dauert“, sagte Außenministerin Delcy Rodríguez. Der Rückzug erfolgte auf Anweisung von Staatspräsident Nicolás Maduro.

Die Proteste waren nach der zeitweisen Entmachtung des von der Opposition dominierten Parlaments ausgebrochen. Venezuela wirft der OAS, der alle 35 Staaten Nord-, Mittel- und Südamerikas sowie der Karibik angehören, vor, ein Handlanger der USA zu sein. Es ist die älteste Regionalorganisation zur Zusammenarbeit von Staaten. Maduro wirft der OAS vor, sich mit der scharfen Kritik von über der Hälfte der Mitgliedsstaaten in innere Angelegenheiten einzumischen.

Repressionen gegen Opposition

Seit Anfang April kamen 32 Menschen ums Leben, auch der Mittwoch war mit zwei Toten wieder blutig. Der Bürgermeister des Stadtteils Chacao in Caracas, Ramón Muchacho, teilte mit, dass ein 20-Jähriger durch eine in sein Gesicht abgefeuerte Tränengasgranate getötet worden sei. Zudem starb ein durch Schüsse verletzter 22-Jähriger im Krankenhaus der Stadt Valencia. Laut Generalstaatsanwältin Luisa Ortega wurden bisher fast 500 Menschen verletzt und über 1200 festgenommen.

Zwei weitere Tote bei Protesten in Venezuela

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    Dem einflussreichen Oppositionsführer Henrique Capriles, der 2013 nur knapp gegen Maduro verloren hatte, wurde für 15 Jahre das Recht entzogen, bei Wahlen zu kandidieren. Maduro lehnt die geforderten Neuwahlen ab. Er regiert mit Notstandsdekreten am Parlament vorbei. Maduro will 500.000 Milizen mit Gewehren ausrüsten und warnt vor einem rechten Putsch gegen das Sozialismusprojekt, das von dem 2013 verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez vor 18 Jahren begonnen wurde.

    Venezuela am Abgrund

    Venezuela, das Land mit den größten Ölreserven, leidet unter enorm hoher Gewaltkriminalität, einer Hyperinflation und einer schweren Wirtschaftskrise. Es steht vor dem Bankrott und muss fast monatlich mehrere Milliarden Euro an Auslandskrediten bedienen. Deshalb können kaum noch Lebensmittel und Medikamente importiert werden.

    Maduro wittert eine Verschwörung von konservativen Kreisen und dem Ausland gegen seine sozialistische Regierung. OAS-Generalsekretär Luis Almagro, der frühere uruguayische Außenminister, hatte die venezolanische Regierung zuletzt immer wieder heftig kritisiert und Neuwahlen in dem südamerikanischen Land gefordert.

    „Für den Frieden und die Zukunft des Vaterlandes“

    Die Demokratie in Venezuela sei „tödlich verletzt“, sagte er vor kurzem. Für die Sozialisten in Venezuela ist der Uruguayer längst ein Staatsfeind. Zu Ostern brannten in dem Land Judas-Figuren mit dem Konterfei Almagros.

    Venezuela droht im Chaos zu versinken

    Hunderttausende Menschen gehen in Venezuela wieder auf die Straße, um ihrer Wut Luft zu machen. Sie richtet sich gegen den Präsidenten Nicolás Maduro.
    Hunderttausende Menschen gehen in Venezuela wieder auf die Straße, um ihrer Wut Luft zu machen. Sie richtet sich gegen den Präsidenten Nicolás Maduro. © REUTERS | CHRISTIAN VERON
    Das Land ist in die schlimmste Versorgungskrise seiner Geschichte geraten: Leere Supermärkte sind der Normalfall. Antibiotika, Diabetes- und Epilepsiemedikamente gibt es fast nirgendwo mehr.
    Das Land ist in die schlimmste Versorgungskrise seiner Geschichte geraten: Leere Supermärkte sind der Normalfall. Antibiotika, Diabetes- und Epilepsiemedikamente gibt es fast nirgendwo mehr. © dpa | Fernando Llano
    Maduro warf der Opposition vor, für die Eskalation verantwortlich zu sein. Neuwahlen lehnt er ab – trotz Massenprotesten. „Sie wissen nicht, was wir in der Lage sind zu tun“, betonte der 54-Jährige in einer TV-Sendung.
    Maduro warf der Opposition vor, für die Eskalation verantwortlich zu sein. Neuwahlen lehnt er ab – trotz Massenprotesten. „Sie wissen nicht, was wir in der Lage sind zu tun“, betonte der 54-Jährige in einer TV-Sendung. © dpa | Ariana Cubillos
    Eine Frau, die mit der Nationalflagge Venezuelas auf einer Autobahnauffahrt sitzt, setzt einen Schrei der Verzweiflung ab. Viele Demonstranten wollen so lange auf die Straße gehen, bis Maduro einlenkt. Viele befürchten weiteres Blutvergießen.
    Eine Frau, die mit der Nationalflagge Venezuelas auf einer Autobahnauffahrt sitzt, setzt einen Schrei der Verzweiflung ab. Viele Demonstranten wollen so lange auf die Straße gehen, bis Maduro einlenkt. Viele befürchten weiteres Blutvergießen. © dpa | Ariana Cubillos
    Seit Ausbruch der Proteste Anfang April starben bisher 24 Menschen.
    Seit Ausbruch der Proteste Anfang April starben bisher 24 Menschen. © REUTERS | MARCO BELLO
    In der Hauptstadt Caracas verlief eine Massenkundgebung am Montag  (Ortszeit) friedlicher als bisherige Märsche. Die Opposition fordert freie Wahlen, die Freilassung von politischen Gefangenen, eine Achtung des von ihr dominierten Parlaments und eine bessere Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und Medizin.
    In der Hauptstadt Caracas verlief eine Massenkundgebung am Montag (Ortszeit) friedlicher als bisherige Märsche. Die Opposition fordert freie Wahlen, die Freilassung von politischen Gefangenen, eine Achtung des von ihr dominierten Parlaments und eine bessere Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und Medizin. © REUTERS | MARCO BELLO
    2014 war es zu einer vergleichbaren Protestwelle gegen Maduro gekommen, damals starben 43 Menschen, aber über einen Zeitraum von fünf Monaten.
    2014 war es zu einer vergleichbaren Protestwelle gegen Maduro gekommen, damals starben 43 Menschen, aber über einen Zeitraum von fünf Monaten. © REUTERS | MARCO BELLO
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    „Niemals werden wir zulassen, dass kriecherische Lohnsklaven Venezuela beleidigen“, meinte Außenministerin Rodríguez. „Venezuela zieht sich aus der OAS zurück für seine Würde, Unabhängigkeit, Souveränität, für den Frieden und die Zukunft des Vaterlandes.“

    Nachbarn sind gespalten

    Die Organisation Amerikanischer Staaten soll die Demokratie sowie die Menschenrechte verteidigen und die Kooperation zwischen den Ländern stärken. Zwar halten Venezuelas Verbündete wie Bolivien, Ecuador und Nicaragua weiter zu Maduro, während große Mitgliedsstaaten wie die USA, Mexiko, Brasilien und Argentinien die Lage scharf kritisieren. (dpa)