Netanjahus Absage an Gabriel ist ein Kopfstoß für den Freund
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Von Jörg Quoos
Berlin. Israels Regierungschef Netanjahu hat ein Treffen mit Außenminister Sigmar Gabriel platzen lassen. Dieser Eklat schadet beiden Ländern.
Es hätte alles so würdevoll sein können: Der neue deutsche Außenminister macht zum wichtigsten Gedenktag Israels seinen Antrittsbesuch und betont die historische Verantwortung der Deutschen gegenüber dem Staat Israel. Israels Führung unterstreicht im Gegenzug die großartige Entwicklung der Beziehungen nach der Katastrophe der Shoa. Gemeinsam kommt man zu einem kritisch-konstruktiven Gedankenaustausch über die Probleme der Region und wie Deutschland bei der Lösung helfen kann. Doch diese Chance ist vertan.
Der Antrittsbesuch von Sigmar Gabriel in Israel hat sich überraschend zum diplomatischen GAU entwickelt. Der angerichtete Schaden ist groß. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist seinem Bulldozer-Image wieder gerecht geworden, hat es einmal mehr geschafft, einen der wichtigsten Unterstützer Israels vor den Kopf zu stoßen. Nach dem früheren US-Präsidenten Barack Obama, dem Netanjahu in herzlicher Abneigung verbunden war, hat es jetzt den neuen deutschen Außenminister getroffen.
Tiefpunkt der deutsch-israelischen Beziehungen
Dass Netanjahu Gabriel einfach hat stehen lassen, ist ein gewaltiger Affront. Dieser trifft nicht nur den deutschen Außenminister. Die Absage ist ein Schlag für die gesamte Bundesregierung und beschädigt leider – das ist das wirklich traurige – die mühselige Arbeit all derjenigen, die sich im Alltag um gute Beziehungen zu Israel bemühen und die mithelfen, das Leben der jüdischen Gemeinde in Deutschland zu neuer Blüte zu verhelfen.
Auch für Kanzlerin Angela Merkel ist die Blamage von Jerusalem ein Problem. Sie persönlich hatte die Beziehungen zu Israel auf eine neue Ebene gehoben, als sie im Jahr 2008 das Existenzrecht Israels zur „Staatsraison“ erklärte. Dass man ihren Außenminister jetzt wie den Vertreter eines Schurkenstaates behandelt, passt gar nicht zu diesem Anspruch und markiert einen Tiefpunkt in den offiziellen deutsch-israelischen Beziehungen.
Auch das Auswärtige Amt hat versagt
Natürlich hat Benjamin Netanjahu mit seiner schroffen Art überzogen und allen Kritikern der israelischen Regierung eine Steilvorlage geliefert. Aber die alte Volksweisheit, dass zu einem Streit immer zwei gehören, trifft leider auch in diesem Fall zu. Es ist ein bemerkenswertes Versagen, dass es den Top-Diplomaten im Auswärtigen Amt nicht gelungen ist, ausgerechnet zum Gedenktag der Vernichtung von sechs Millionen Juden ein unfallfreies Besuchsprogramm mit den Israelis abzustimmen.
Und auch von seinem Freund Martin Schulz hätte Gabriel eigentlich lernen können. Der hatte als EU-Parlamentspräsident in der Knesset derart harte Töne angeschlagen, dass einzelne Abgeordnete unter Protest den Saal verließen.
Steinmeier muss jetzt die Scherben kitten
Zum Showdown am Dienstag auf offener internationaler Bühne hätte es niemals kommen dürfen, denn bei den Beziehungen zwischen Deutschland und Israel geht es um viel mehr als nur um Sigmar Gabriel oder Benjamin Netanjahu. Daher muss der Schaden schnell begrenzt werden.
Ausgerechnet dem Amtsvorgänger Sigmar Gabriels wächst jetzt diese schwierige Aufgabe zu. Auch der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bricht demnächst nach Israel zum Antrittsbesuch auf. Er ist als zweifacher Außenminister maximal erfahren mit heiklen Begegnungen und muss jetzt eine abenteuerliche Grätsche hinkriegen: Solidarisch bleiben zum Parteifreund, deeskalierend zur israelischen Regierung und konstruktiv in der Sache.
Dabei wäre Benjamin Netanjahu gut beraten, einzulenken. Denn Israels Regierung braucht in unruhigen Zeiten eher mehr als weniger Freunde in der internationalen Politik.
Die Karriere von Sigmar Gabriel
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Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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