Köln. Der AfD-Bundesparteitag in Köln hinterlässt mehrere Botschaften. Die deutlichste ist: Viele Mitglieder trauen der Chefin nicht mehr.

Köln ist keine zimperliche Stadt. Der Karneval, die Touristen, der unberechenbare Fluss – die Stadt am Rhein ist einiges gewohnt. Doch dieses Wochenende wird so schnell niemand vergessen: Bereits am Freitag herrschte in der Innenstadt der Ausnahmezustand, am Samstag verliefen die Proteste gegen den Bundesparteitag der AfD zwar friedlicher als erwartet, doch die Bilder dieses Tages hinterlassen einen bitteren Geschmack: Die AfD konnte sich schwer geschützt durch 4000 Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet in ihrem Tagungshotel wie in einer Wagenburg einrichten – und sich als Opfer einer scheinbar intoleranten Gegenbewegung feiern.

Außerhalb der Wagenburg sahen das die meisten genau umgekehrt: Dass die AfD ausgerechnet Köln für ihren Bundesparteitag ausgesucht hat, empfanden hier viele als offene Kampfansage. Es sei eine „Provokation“, sagte Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die Stadt stehe für Offenheit und Toleranz.

AfD-Parteitag startet unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen

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    Diese Botschaften bleiben vom AfD-Parteitag in Köln

    Zwei Botschaften gehen nun von diesem Kölner Parteitag aus. Die erste: Eine offene Gesellschaft muss nicht nur Parteien aushalten, die diese Offenheit einengen wollen, sie muss sie, solange sie zum demokratischen Spektrum gehören, auch nach Kräften schützen. Das ist in Köln am Samstag besser gelungen, als von vielen im Vorfeld befürchtet worden war.

    Die zweite Botschaft betrifft die Partei selbst. Die AfD verliert seit Monaten in den Umfragen, der Höhenflug scheint beendet. Manche sehen sie sogar schon im Museum der gescheiterten Parteigründungen rechts der Union. Strittig ist, woran das liegt. Zu den wichtigsten Faktoren gehören das Abflauen der Flüchtlingsdebatte, die abschreckende Toleranz der AfD gegenüber stramm rechten Positionen, aber auch der Schulz-Effekt, der den Blick wieder mehr auf das Duell zwischen Union und SPD lenkt.

    Das sind die Gesichter der AfD

    Bernd Lucke gründete im Februar 2013 die Alternative für Deutschland. Er wurde ihr erster Vorsitzender und das Gesicht der Partei. Zu Beginn stand vor allem die Kritik am Euro im Mittelpunkt.
    Bernd Lucke gründete im Februar 2013 die Alternative für Deutschland. Er wurde ihr erster Vorsitzender und das Gesicht der Partei. Zu Beginn stand vor allem die Kritik am Euro im Mittelpunkt. © Getty Images | Volker Hartmann
    Das Zerwürfnis: Im Juli 2015 auf dem AfD-Parteitag in Essen kam es zum Bruch zwischen Parteichef Bernd Lucke und der Co-Vorsitzenden Frauke Petry. Lucke verließ danach die Partei und gründete die neue Partei „Alfa“, die inzwischen Liberal-Konservative Reformer (LKR) heißt. Petry führte seitdem die AfD.
    Das Zerwürfnis: Im Juli 2015 auf dem AfD-Parteitag in Essen kam es zum Bruch zwischen Parteichef Bernd Lucke und der Co-Vorsitzenden Frauke Petry. Lucke verließ danach die Partei und gründete die neue Partei „Alfa“, die inzwischen Liberal-Konservative Reformer (LKR) heißt. Petry führte seitdem die AfD. © Getty Images | Volker Hartmann
    Bei dem Streit zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry ging es nicht nur um die Macht in der AfD, sondern auch um deren Kurs. Unter Petry verlagerte sich der Schwerpunkt schnell in Richtung Anti-Islam-Partei.
    Bei dem Streit zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry ging es nicht nur um die Macht in der AfD, sondern auch um deren Kurs. Unter Petry verlagerte sich der Schwerpunkt schnell in Richtung Anti-Islam-Partei. © Getty Images | Volker Hartmann
    Alexander Gauland, ein ehemaliger Journalist, steht heute für das national-konservative Gesicht der AfD. Er ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg.
    Alexander Gauland, ein ehemaliger Journalist, steht heute für das national-konservative Gesicht der AfD. Er ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg. © dpa | Ralf Hirschberger
    Thüringens AfD-Chef Björn Höcke gehört zu den absoluten Hardlinern der AfD. Sein Auftritt bei Günther Jauch in der ARD, als er eine Deutschlandfahne aus der Jacke zog, sorgte für reichlich Schlagzeilen.
    Thüringens AfD-Chef Björn Höcke gehört zu den absoluten Hardlinern der AfD. Sein Auftritt bei Günther Jauch in der ARD, als er eine Deutschlandfahne aus der Jacke zog, sorgte für reichlich Schlagzeilen. © dpa | Martin Schutt
    Björn Höcke provozierte mit einer Rede über die „Reproduktionslehre“ in Afrika scharfe Kritik aus den anderen Parteien.
    Björn Höcke provozierte mit einer Rede über die „Reproduktionslehre“ in Afrika scharfe Kritik aus den anderen Parteien. © imago stock&people | Stefan Zeitz
    Beatrix von Storch sorgte mit bizarren Talkshow-Auftritten im Fernsehen und mit ihrer Wortmeldung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze für Aufregung. Die Europa-Abgeordnete der AfD wurde im April 2016 aus der europaskeptischen EKR-Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen.
    Beatrix von Storch sorgte mit bizarren Talkshow-Auftritten im Fernsehen und mit ihrer Wortmeldung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze für Aufregung. Die Europa-Abgeordnete der AfD wurde im April 2016 aus der europaskeptischen EKR-Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen. © imago | Müller Stauffenberg
    Alice Weidel wurde im April 2017 auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln mit 67,7 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin gewählt.
    Alice Weidel wurde im April 2017 auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln mit 67,7 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin gewählt. © Getty Images | Sascha Schuermann
    Sie bildete zusammen mit Alexander Gauland das Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im September 2017.
    Sie bildete zusammen mit Alexander Gauland das Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im September 2017. © dpa | Rolf Vennenbernd
    Siegerpose nach der Bundestagswahl am 24. September: Alexander Gauland und Alice Weidel auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin.
    Siegerpose nach der Bundestagswahl am 24. September: Alexander Gauland und Alice Weidel auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin. © dpa | Jens Büttner
    Unmittelbar nach der Bundestagswahl gab es einen Paukenschlag: AfD-Vorsitzende Frauke Petry (r.) ...
    Unmittelbar nach der Bundestagswahl gab es einen Paukenschlag: AfD-Vorsitzende Frauke Petry (r.) ... © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
    ... verließ die Pressekonferenz ihrer Partei und kündigte an, nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören zu wollen. Sie wolle sich als Führungsfigur für einen „konservativen Neuanfang“ positionieren. Nach ihrem Parteiaustritt kündigte Petry an, eine neue Partei zu gründen.
    ... verließ die Pressekonferenz ihrer Partei und kündigte an, nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören zu wollen. Sie wolle sich als Führungsfigur für einen „konservativen Neuanfang“ positionieren. Nach ihrem Parteiaustritt kündigte Petry an, eine neue Partei zu gründen. © dpa | Michael Kappeler
    Und auch mit Marcus Pretzell verliert die AfD in Nordrhein-Westfalen ihren prominentesten Politiker. Er trat im Oktober 2017 aus der Partei aus.
    Und auch mit Marcus Pretzell verliert die AfD in Nordrhein-Westfalen ihren prominentesten Politiker. Er trat im Oktober 2017 aus der Partei aus. © dpa | Federico Gambarini
    Die AfD hat rund 20.000 Mitglieder. Bei der Bundestagswahl holte die Partei 12,6 Prozent der Stimmen und stellt nun 94 Abgeordnete . Sie bildet damit die drittgrößte Fraktion im Parlament.
    Die AfD hat rund 20.000 Mitglieder. Bei der Bundestagswahl holte die Partei 12,6 Prozent der Stimmen und stellt nun 94 Abgeordnete . Sie bildet damit die drittgrößte Fraktion im Parlament. © Getty Images | Carsten Koall
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    Viele AfD-Mitglieder wollen sich nicht mäßigen

    Hinzu kommt der heilsame Schock durch andere Anti-Establishment-Bewegungen, durch die Brexit-Entscheidung oder die Wahl von US-Präsident Donald Trump. Und schließlich ist da die heillose Zerstrittenheit an der Parteispitze.

    Zumindest der letzte Punkt geht offenbar vor allem den Delegierten, also den aktiven Parteigängern der AfD, auf die Nerven. Beim Bundesparteitag in Köln wischten sie sämtliche Versuche vom Tisch, sich länger als nötig mit dem Machtkampf zwischen Parteichefin Frauke Petry und ihren Widersachern im Vorstand zu befassen. Petrys Versuch, die Partei auf ihre Linie einer gemäßigten Strategie einzuschwören, scheiterte mit großer Mehrheit. Weil viele sich gar nicht mäßigen wollen. Weil viele aber auch Petry nicht über den Weg trauen. Das ist die zweite Botschaft aus Köln.

    Niederlage für Petry - AfD-Parteitag will Zukunftsantrag nicht

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      Ist Petrys Wandel glaubwürdig?

      Die Wandlung der Frauke Petry zur Vorkämpferin einer bürgerlichen AfD wirkt tatsächlich erklärungsbedürftig. Der Wahlforscher Matthias Jung nimmt ihr die Wandlung schlicht nicht ab: Sie tue nun zwar so, als sei sie ein politischer Realo. Dabei sei es Petry gewesen, die den Begriff des Völkischen in die Partei eingeführt habe. Und, nicht zu vergessen, es sei Petry gewesen, die den Realo und Parteigründer Bernd Lucke einst in die Wüste geschickt habe.

      In Köln setzten sich am Ende diejenigen durch, die die AfD weiter als Sammlungsbecken nationalkonservativer, autoritärer, völkischer, islamfeindlicher, rassistischer, nationalistischer Strömungen sehen wollen. Als Fundamentalopposition, als Protestpartei. Petrys Versuch einer Kurskorrektur kam zu spät, war nicht glaubhaft genug – und kam in den Augen der meisten offenbar von der falschen Frau.