Köln. Beim AfD-Bundesparteitag in Köln stand Frauke Petry im Mittelpunkt. Ob dies jedoch in Zukunft noch der Fall sein wird, ist unklar.

Eine Stadt im Ausnahmezustand, eine Partei im Krisenmodus: Draußen protestieren Tausende, drinnen, im Tagungshotel, ringt die AfD mit sich selbst. Die „Hölle von Köln“, wie einige Militante angekündigt haben, bleibt aus. Drinnen dagegen kommt es zum Fiasko: Die AfD beschert ihrer Parteichefin Frauke Petry eine schwere Niederlage. Ihr Versuch, die Partei auf einen gemäßigten Kurs zu verpflichten, scheitert krachend.

Draußen bleibt die Eskalation aus. Mit 50.000 Demonstranten hatte die Polizei gerechnet, sie werden von rund 4000 Beamten erwartet. Doch dann sind es deutlich weniger, die gegen die AfD auf die Straßen gehen, und es bleibt ruhig. Einige der rund 600 Delegierten im Hotel „Maritim“ am Kölner Heumarkt müssen Spießrutenläufe hinter sich bringen, um anzukommen.

Rangeleien auf dem Weg zum Hotel

In den frühen Morgenstunden hatten vermummte Autonome an mehreren Stellen der Stadt versucht, die AfD-Delegierten auf ihrem Weg ins „Maritim“-Hotel aufzuhalten. An einer Straßensperre wird ein Polizist verletzt, als ein Demonstrant versucht, durch die Reihen der Hundertschaften zu brechen. Ein anderer bekommt einen Schlag ab, weil er dazwischengeht, als ein AfD-Mann mit einer Latte gestoppt werden soll.

Für die AfD sind die handgreiflichen Blockierer willkommene Begleitmusik für den Parteitag: „Schauen Sie nach draußen, ist das demokratisch?“, fragt im Tagungshotel Carola Wolle, Delegierte aus Baden-Württemberg. Jörg Nobis, Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein, spricht von Weimarer Verhältnissen auf den Kölner Straßen. Auch wenn die Ausschreitungen laut Polizei ansonsten relativ selten blieben, können sie drinnen auf „die da draußen“ zeigen und damit zumindest für den Moment die eigene Zerrissenheit vergessen.

Höcke ist gar nicht anwesend und doch geht es um ihn

Ein Name steht ganz besonders für diese Zerrissenheit: Björn Höcke, der Mann am äußersten rechten Rand der Partei. Der Thüringer Landeschef ist persönlich in Köln gar nicht dabei, weil das Hotel Höcke Hausverbot erteilt hat, doch es geht am Ende vor allem um ihn und was sich mit seinem Namen verbindet – die Frage, wohin die AfD steuert. Tiefer in die völkische, nationalistische Schmuddelecke oder eher weiter in Richtung einer rechten Partei, die bürgerliche Wähler erreichen kann und eines Tages auch koalitionsfähig sein will.

Niederlage für Petry - AfD-Parteitag will Zukunftsantrag nicht

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    Frauke Petry reklamiert den gemäßigten Weg für sich, will Höcke aus der Partei werfen und die AfD auf einen realpolitischen Kurs verpflichten. Die AfD soll eine „erwachsene Partei“ werden, ruft sie am Sonnabendmorgen den Delegierten zu, sie meint damit: Schluss mit den schrillen Tönen, mehr Disziplin – und vor allem mehr Unterstützung für sie selbst, die zuletzt recht isolierte Parteichefin. Dafür tut sie viel.

    Um eine Mehrheit für ein Bekenntnis zum gemäßigten Kurs zu schmieden, entschuldigt sie sich erst mal: Es sei „ein Fehler“ gewesen, in ihrem Antrag für einen realpolitischen Kurs ihren innerparteilichen Widersacher, Parteivize Alexander Gauland, persönlich als Vertreter der Fundamentalisten zu bezeichnen. „Zu verletzen war nicht meine Absicht“, sagt sie und hofft, damit den Parteitag hinter sich zu versammeln. Doch es kommt anders. Die Delegierten wollen nicht über Petrys Richtungsfrage reden, mit großer Mehrheit kippen sie den Antrag von der Tagesordnung.

    Petry hat zu spät gehandelt

    Es ist eine Niederlage für Petry. Sie hat sich verkalkuliert und die Stimmung in der Partei falsch eingeschätzt. Noch am Freitagabend hatte die hochschwangere Petry sehr gelöst gewirkt, fast siegessicher. Nach ihrem überraschenden Verzicht auf eine Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl war spekuliert worden: Wirft sie in Köln nun endgültig das Handtuch – oder hofft sie auf einen Proteststurm der Basis, die sie mit „Frauke, Frauke“-Rufen doch noch zur Spitzenkandidatur tragen könnte? Die Rufe kommen am Sonnabend, viele stehen sogar zum Klatschen auf an diesem Morgen, doch die Delegierten wollen sich nicht vor ihren Karren spannen lassen. Petry gegen Gauland? Höcke gegen Petry? Viel Applaus gibt es für Redner, die sich gegen den „Personenkult“ wenden, die nicht wollen, „dass hier einige ihre persönlichen Nummern abziehen“, viele sind gegen den „unnötigen Bürgerkrieg“ innerhalb der Partei.

    AfD-Parteitag startet unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen

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      Jörg Meuthen, Petrys Partner und Gegenspieler in der Doppelspitze, weiß, was die Basis stattdessen hören will: „Wir werden nur erfolgreich sein, wenn jeder sich selbst und sein starkes Ego zurücknehmen kann.“ Und: „Unsere Gegner stehen draußen.“ Die Delegierten danken es ihm mit frenetischem Jubel. Und entscheiden schließlich, mit einem Spitzenteam, das am Sonntag gewählt werden soll, in den Bundestagswahlkampf zu ziehen – ohne Frauke Petry.

      Petry: Die Partei macht einen Fehler

      Die 41-Jährige, die aus dem Richtungsstreit eine Machtprobe machen wollte, steht dennoch nicht mit leeren Händen da: Sie bleibt Parteichefin und Nummer eins der sächsischen Landesliste, sie kann noch immer in einer künftigen Bundestagsfraktion eine entscheidende Rolle spielen. Kurz nach der Niederlage tritt sie vor die Presse: Der Beschluss gegen ein realpolitisches Bekenntnis sei „eine folgenschwere Entscheidung“, die Partei mache hier einen Fehler. „Ich werde mir das in den nächsten Wochen sehr genau anschauen“, sagt sie. Klingt das nach Rücktrittsüberlegungen? Nein. Vorläufig nicht. Sie wolle weiter Wahlkampf für die Partei machen. Dann zieht sie sich zurück, eskortiert von Marcus Pretzell, ihrem Ehemann, wichtigstem Mitstreiter und Spitzenkandidat für die AfD bei der NRW-Wahl im Mai.

      Petrys Trost mag sein, dass sich die Partei auch nicht weiter mit dem Antrag des Landesverbands Bremen befassen wollte, der das Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke stoppen wollte. Was jedoch nicht heißt, dass alle nun auf einmal für den Rauswurf sind. Im Gegenteil, die Toleranz der AfD ist hier sehr weit und gerade am rechten Rand inzwischen deutlich ausgeleiert. „Auch Thilo Sarrazin hat komische Thesen vertreten“, sagt die Delegierte Wolle achselzuckend.

      Draußen, bei der Kundgebung des Bündnisses „Köln stellt sich quer“, attackiert NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die AfD für ihre Politik, die an „die dunkelsten Kapitel“ deutscher Geschichte erinnere. Auch die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Grünen-Chef Cem Özdemir und Kirchen-Vertreter unterstützten das Bündnis. Auf einem Protestzug durch die Stadt tragen Frauen ein „Mahnmal der Schande“, ein selbst gebasteltes Hotel „Maritim“, „außen blau, innen braun“. AfD übersetzen Protestler mit „Angebot für Dumme“. Und sie erinnern auf Kölsch an 1933: „Kenne mer, bruche mer net.“