Istanbul. Präsident Erdogan schließt eine Überstellung von Journalist Deniz Yücel nach Deutschland aus. SPD und Grüne sprechen von „Geiselhaft“.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Auslieferung des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel an die Bundesrepublik ausgeschlossen. Deutschland verweigere die Auslieferung türkischer Staatsbürger, sagte Erdogan am Donnerstagabend dem Sender TGRT in Istanbul.

Daher würden Deutsche wie Yücel auch nicht überstellt. „Wenn einer von denen uns in die Hände fällt, werden sie dieselbe Behandlung erfahren.“ Zu einer möglichen Auslieferung von Inhaftierten wie Yücel sagte er: „Auf keinen Fall, solange ich in diesem Amt bin niemals.“

SPD und Grüne üben scharfe Kritik an Erdogan

Erdogan bezog sich auf Vorwürfe, wonach Deutschland keine türkischen Terrorverdächtigen ausliefert. Die Bundesregierung fordert die Freilassung des „Welt“-Korrespondenten Yücel, der in der Türkei unter Terrorverdacht in Untersuchungshaft sitzt. Zu Vorwürfen, Yücel habe Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gehabt, sagte Erdogan: „Natürlich, auf jeden Fall. Uns liegt Bildmaterial und das alles vor. Das war ein richtiger Agent (und) Terrorist.“

Deutsche Politiker haben Äußerungen Erdogans kritisiert. „Die Aussagen von Präsident Erdogan zeigen, dass er Deniz Yücel als politische Geisel betrachtet“, sagte der SPD-Außenpolitiker Niels Annen der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“.

Erdogans Einlassungen seien auch deshalb erschreckend, weil sie bestätigten, dass es in der heutigen Türkei keine Rechtsstaatlichkeit mehr gebe, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion weiter. „Es ist zu befürchten, dass der Schlüssel zur Freilassung von Herrn Yücel nicht mehr in den Händen der türkischen Justiz, sondern allein bei Erdogan liegt. Für Deniz Yücel sind das keine guten Nachrichten.“

Grünen-Chef Özdemir spricht von Geiselhaft

Auch Grünen-Parteichef Cem Özdemir sprach von Geiselhaft. Erdogans „abstrus begründete Weigerung, Deniz Yücel nach Deutschland auszuliefern, beweist einmal mehr, wie fatal ein ,Ja’ beim Referendum für die Türkei wäre“, sagte Özdemir der Zeitung.

In der Türkei sind derzeit rund 150 Journalisten in Haft. In Deutschland sorgt vor allem der Fall des deutsch-türkischen „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel für Aufsehen. Er sitzt seit Ende Februar wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda in Einzelhaft im Gefängnis von Silivri. Beweise für ihre Vorwürfe legten bislang weder die Justiz noch der Präsident vor. Erst in der vergangenen Woche wurde deutschen Botschaftsvertretern ein Besuch bei Yücel erlaubt, den Deutschland seit Beginn der Haft erbeten hat. (dpa/epd)

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