Berlin. Die EU-Kommission hat Daten zu den europäischen Justizsystemen veröffentlicht. In Deutschland herrscht laut Statistik ein Stillstand.

Im Justizbarometer der EU-Kommission belegt Deutschland in mehreren Kategorien einen Platz im oberen Mittelfeld. Doch gibt es auch Bereiche, die durchaus Grund zur Sorge bieten – so zum Beispiel die Anzahl der Richter.

Die für Bürger wohl interessanteste Zahl des Justizbarometers findet sich auf Seite acht der Veröffentlichung: 190 Tage. So lange dauerte es in Deutschland im Jahr 2015 im Schnitt, bis in einem Zivilstreit eine erste Entscheidung fiel. Damit liegt Deutschland grob auf einem Niveau mit Dänemark (174), aber auch deutlich hinter Belgien (87) und den Niederlanden (115). Negativer Spitzenreiter im Jahr 2015 war Italien, wo Zivilverfahren in der ersten Instanz im Schnitt 527 Tage dauerten.

Justizministerium bemängelt Datenerhebung der EU

Im Vergleich zur vergangenen Datenerhebung sind in Deutschland sowohl die Verfahrensdauer (2014: 198)wie auch die Zahl der Zivilklagen zurückgegangen. Im Jahr 2014 gab es laut EU-Kommission 1,8 Klagen pro 100 Einwohner, 2015 waren es 1,7.

Das Bundesjustizministerium zweifelt die Vergleichbarkeit der Daten zu den europäischen Justizsystemen jedoch an. „Die Daten werden unterschiedlich erhoben und auch ausgewertet, bevor sie an die Kommission weiteregegeben werden“, erklärt eine Sprecherin gegenüber unserer Redaktion. Die Kritik des Justizministeriums ist durchaus nachvollziehbar, da die EU-Statistik Justizsysteme vergleicht, die sich zum Teil stark im Aufbau und in ihrer Arbeit unterscheiden.

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    Richterbund: In Deutschland fehlen 2000 Richter und Staatsanwälte

    Zum Stand der deutschen Justiz werde die Bundesregierung in den kommenden Monaten dem Bundesrat einen eigenen Bericht vorlegen. Vermutlich dürfte dann aber auch eine Statistik Beachtung finden, die sich im Justizbarometer der EU-Kommission findet. So ist in Deutschland seit 2010 die Anzahl der Richter pro 100.000 Einwohner mit 24 gleich geblieben – und das obwohl Beobachter allein durch aufwendige Terror-Verfahren eine größere Arbeitslast sehen.

    Sven Rebehn, Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes, sagt dazu gegenüber unserer Redaktion: „Bundesweit fehlen rund 2000 Richter und Staatsanwälte. Insbesondere die Strafjustiz ist immer stärker belastet. Das beginnt beim Generalbundesanwalt, der angesichts der angespannten Sicherheitslage eine Vielzahl neuer Ermittlungsakten auf den Tisch bekommt, und setzt sich in den Ländern fort.“

    Politik sollte Personalbedarf ernst nehmen

    Rebehn bemängelt vor allem, dass die Länder, in deren Gewalt die Einstellung von Richtern und Staatsanwälten liegt, ihre eigenen Vorgaben nicht erfüllten. Die Personalbedarfsberechnungen würden demnach nur zu 80 oder 90 Prozent erfüllt. „Wer effektiv gegen Terrorismus und organisiertes Verbrechen, Cybercrime und Alltagskriminalität vorgehen will, muss neben der Polizei auch die Strafjustiz deutlich besser ausstatten“, fordert Rebehn deshalb.

    Die deutsche Justiz selbst habe bereits ihre Arbeit so gestaltet, dass die Arbeitsleistungen in fast jedem Bereich messbar und öffentlich einsehbar seien. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse zum Personalbedarf müssten nun von der Politik aber auch ernst genommen werden, so der Deutsche Richterbund.