Berlin. Fast die Hälfte eines Single-Einkommens geht hierzulande für Steuern und Sozialabgaben drauf – der zweithöchste Wert der OECD-Staaten.

Die Deutschen schultern im Vergleich aller Industriestaaten eine überdurchschnittlich hohe Steuer- und Abgabenlast. Nach einer am Dienstag vorgestellten Studie der OECD zahlt ein lediger, kinderloser Durchschnittsverdiener in Deutschland durchschnittlich 49,4 Prozent seines Einkommens an den Staat. Unter allen 35 OECD-Staaten ist die Abgabenlast für diesen Personenkreis nur in Belgien noch höher als in Deutschland.

Bei einem verheirateten Alleinverdiener mit zwei Kindern sieht es durch Zuschüsse wie Kindergeld und Steuervorteile etwas besser aus. Für sein Arbeitseinkommen lag die Steuer- und Abgabenlast im vergangenen Jahr den Berechnungen zufolge bei 34 Prozent. Deutschland liegt damit auf Platz neun – aber noch immer über dem OECD-Schnitt von 26,6 Prozent.

Relativ hohe Beiträge an Sozialkassen

Die Belastung der Arbeitseinkommen durch Steuern und Sozialabgaben abzüglich staatlicher Zuschüsse lag in Deutschland auch 2016 deutlich über dem Durchschnitt aller 35 OECD-Länder. Der Studie zufolge liegt das vor allem an den vergleichsweise hohen Sozialabgaben, die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu tragen sind.

Roland Döhrn vom Wirtschaftsforschungsinstitut RWI sagte bei der Präsentation einer ähnlichen Studie in Berlin, die höchste Steuer- und Abgabenbelastung werde bereits bei Jahreseinkommen ab 50.000 Euro erreicht. Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, die die RWI-Studie in Auftrag gegeben hatte, sieht deshalb dringenden Korrekturbedarf. Vor allem die mittleren Einkommen müssten entlastet werden, sagte der stellvertretende Vorsitzende Karl-Heinz Paqué.

OECD-Experte sieht Steuersenkungen als Wachstumsmotor

Der Bund der Steuerzahler forderte die sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und eine Reform des Einkommensteuertarifs. So plädierte der Verband dafür, dass der Spitzensteuersatz erst ab einem Einkommen von 80.001 Euro greift. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warb für „mutige Strukturreformen“, um die Sozialbeiträge unter 40 Prozent zu halten. „Ein weiterer Anstieg würde Beschäftigung und Wachstum stark gefährden“, warnte Kramer.

Die Belastung der Arbeitseinkommen durch Steuern und Sozialabgaben sei im OECD-Raum insgesamt erneut leicht gesunken, sagte OECD-Experte Pascal Saint-Amans. „Allerdings ist dieser Trend vor allem das Resultat von Reformanstrengungen in einigen wenigen Ländern.“ Nach seinen Worten könnten Steuersenkungen speziell im Bereich der kleinen und mittleren Einkommen Arbeitsanreize schaffen und dadurch ein wichtiger Wachstumsmotor sein. (dpa)